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Aus dem Thread zum Weingut Rings / Pfalz hierher verschoben:
Ich bin gegenwärtig mit reichlich Tagesfreizeit ausgestattet, ich werde mich mal daran versuchen:
Für mein Verständnis ist die wichtigste chemische Reaktion von organischen Säuren in abgefüllten, stabilen Weinen die Veresterung. Also die Säure reagiert mit Ethanol zum entsprechenden Ethylester.
Die wichtigsten organischen Säuren im Wein sind Äpfelsäure, Citronensäure, Milchsäure und Weinsäure, das kann man sich recht gut auf Wikipedia anlesen [Link]. Dabei ist die Säurewirkung bei Äpfelsäure und Weinsäure am ausgeprägtesten. Milchsäure entsteht im Wesentlichen während der malolaktischen Gärung aus Äpfelsäure und wirkt deutlich milder, sanfter. Findet man ja häufig bei fassausgebauten Chardonnay, die teilweise buttrig, cremig erscheinen und man kennt sie ja auch gut aus Milchprodukten wie z.B. Joghurt.
Wenn man jetzt den Säureeindruck eines Weins betrachten will, dann ist natürlich die Gesamtmenge der einzelnen Säuren ein relevanter Parameter, diese Gesamtkonzentration verändert sich wie erwähnt durch die Veresterung.
Die Veresterung [Link] von organischen Säuren ist eine Gleichgewichtsreaktion, d.h. sie ist reversibel; die Geschwindigkeit der Reaktion wird durch die Rate beschrieben. Nach dieser Veröffentlichung [Link] läuft die Reaktion durchaus über einen recht langen Zeitraum ab:
It seems that the period of aging necessary to approach the ester equilibrium of main organic acids as neutral ethyl esters is one to ten years at ordinary temperatures.
Weiter ist in der Veröffentlichung beschrieben, dass die unterschiedlichen organischen Säuren auch unterschiedliche Raten für die Veresterungsreaktion haben, das ist für mich auch vollständig intuitiv. D.h.für mich, die Gesamtmenge der einzelnen Säuren nach Gleichgewichtseinstellung ist in der ersten Zeit nach der Gärung zwar relevant, aber das Verhältnis der unterschiedlichen organischen Säuren und die einzelnen Reaktionsraten im jeweiligen Wein haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung und das gustatorische Säureempfinden.
Den im Paper beschriebenen quantitativen Werten (esterfication rate) würde ich nicht trauen, denn für mein Verständnis wäre zur Bestimmung nicht die Menge der Säure in g/l entscheidend, sondern die Molzahl, der geneigte Leser mag es sich selber umrechnen . Die Veresterungsrate hängt von mehreren Parametern ab, qualitativ ist auch die Säurestärke ein Einflussfaktor. Häufig ist die Rate bei stärkeren Säuren zum entsprechenden Ester höher. D.h. die kräftigen Säuren setzten sich schneller zum Ester (ohne Säurewirkung) um.
Ich denke, das ist ja auch eigentlich das, was wir alle so typisch sensorisch erfahren. In der ersten Zeit nach der Füllung sind die Weine recht knackig, die Säure exponiert. Das legt sich meistens in den ersten 6-12 Monaten (chemisch fast richtig formuliert, dass die Säure eingebunden wird), der durchaus harte Eindruck von Äpfelsäure und Weinsäure geht zurück. In der Phase 1-5 Jahre erwischt man leider immer mal wieder Weine, deren Säure zu matt ist. Ich würde meinen, man ist nahe der Gleichgewichtskonzentration und dem Winzer ist es nicht gelungen ausreichend Säure vorzuhalten, um eine Balance zu erreichen.
Parallel zur Veresterung gibt es natürlich noch andere Reaktionen der Säuren und auch von potentiellen Reaktionspartnern im Wein. Diese sind dann auch nicht unbedingt reversibel, d.h. das chemische System Wein verändert sich und damit auch die Gleichgewichtskonzentrationen der einzelnen Komponenten. Aber das in der Regel langsam und nicht so gravierend.
Wenn wir jetzt annehmen, dass wir nach ca. 1-5 Jahren eine Säurekonzentration nahe der chemischen Gleichgewichtskonzentration erreicht haben, wird sich im Folgenden die Säurekonzentration nur noch im Gleichschritt mit der Beschaffenheit des Gesamtsystems Wein ändern, evtl. auch noch mal gelinde an Frische gewinnen.
Soweit mein Verständis dazu, Ergänzungen und Korrekturen willkommen.
Grüße, Josef
amateur des vins hat geschrieben:Freue mich, wenn jemand mit Chemiekenntnissen für Aufklärung darüber sorgen könnte, was den Säureeindruck über das Leben eines (trockenen) Weines beeinflußt...!
Ich bin gegenwärtig mit reichlich Tagesfreizeit ausgestattet, ich werde mich mal daran versuchen:
Für mein Verständnis ist die wichtigste chemische Reaktion von organischen Säuren in abgefüllten, stabilen Weinen die Veresterung. Also die Säure reagiert mit Ethanol zum entsprechenden Ethylester.
Die wichtigsten organischen Säuren im Wein sind Äpfelsäure, Citronensäure, Milchsäure und Weinsäure, das kann man sich recht gut auf Wikipedia anlesen [Link]. Dabei ist die Säurewirkung bei Äpfelsäure und Weinsäure am ausgeprägtesten. Milchsäure entsteht im Wesentlichen während der malolaktischen Gärung aus Äpfelsäure und wirkt deutlich milder, sanfter. Findet man ja häufig bei fassausgebauten Chardonnay, die teilweise buttrig, cremig erscheinen und man kennt sie ja auch gut aus Milchprodukten wie z.B. Joghurt.
Wenn man jetzt den Säureeindruck eines Weins betrachten will, dann ist natürlich die Gesamtmenge der einzelnen Säuren ein relevanter Parameter, diese Gesamtkonzentration verändert sich wie erwähnt durch die Veresterung.
Die Veresterung [Link] von organischen Säuren ist eine Gleichgewichtsreaktion, d.h. sie ist reversibel; die Geschwindigkeit der Reaktion wird durch die Rate beschrieben. Nach dieser Veröffentlichung [Link] läuft die Reaktion durchaus über einen recht langen Zeitraum ab:
It seems that the period of aging necessary to approach the ester equilibrium of main organic acids as neutral ethyl esters is one to ten years at ordinary temperatures.
Weiter ist in der Veröffentlichung beschrieben, dass die unterschiedlichen organischen Säuren auch unterschiedliche Raten für die Veresterungsreaktion haben, das ist für mich auch vollständig intuitiv. D.h.für mich, die Gesamtmenge der einzelnen Säuren nach Gleichgewichtseinstellung ist in der ersten Zeit nach der Gärung zwar relevant, aber das Verhältnis der unterschiedlichen organischen Säuren und die einzelnen Reaktionsraten im jeweiligen Wein haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung und das gustatorische Säureempfinden.
Den im Paper beschriebenen quantitativen Werten (esterfication rate) würde ich nicht trauen, denn für mein Verständnis wäre zur Bestimmung nicht die Menge der Säure in g/l entscheidend, sondern die Molzahl, der geneigte Leser mag es sich selber umrechnen . Die Veresterungsrate hängt von mehreren Parametern ab, qualitativ ist auch die Säurestärke ein Einflussfaktor. Häufig ist die Rate bei stärkeren Säuren zum entsprechenden Ester höher. D.h. die kräftigen Säuren setzten sich schneller zum Ester (ohne Säurewirkung) um.
Ich denke, das ist ja auch eigentlich das, was wir alle so typisch sensorisch erfahren. In der ersten Zeit nach der Füllung sind die Weine recht knackig, die Säure exponiert. Das legt sich meistens in den ersten 6-12 Monaten (chemisch fast richtig formuliert, dass die Säure eingebunden wird), der durchaus harte Eindruck von Äpfelsäure und Weinsäure geht zurück. In der Phase 1-5 Jahre erwischt man leider immer mal wieder Weine, deren Säure zu matt ist. Ich würde meinen, man ist nahe der Gleichgewichtskonzentration und dem Winzer ist es nicht gelungen ausreichend Säure vorzuhalten, um eine Balance zu erreichen.
Parallel zur Veresterung gibt es natürlich noch andere Reaktionen der Säuren und auch von potentiellen Reaktionspartnern im Wein. Diese sind dann auch nicht unbedingt reversibel, d.h. das chemische System Wein verändert sich und damit auch die Gleichgewichtskonzentrationen der einzelnen Komponenten. Aber das in der Regel langsam und nicht so gravierend.
Wenn wir jetzt annehmen, dass wir nach ca. 1-5 Jahren eine Säurekonzentration nahe der chemischen Gleichgewichtskonzentration erreicht haben, wird sich im Folgenden die Säurekonzentration nur noch im Gleichschritt mit der Beschaffenheit des Gesamtsystems Wein ändern, evtl. auch noch mal gelinde an Frische gewinnen.
Soweit mein Verständis dazu, Ergänzungen und Korrekturen willkommen.
Grüße, Josef
Zuletzt geändert von stollinger am Di 23. Jun 2020, 09:23, insgesamt 1-mal geändert.