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Alkoholgehalt und sein Entstehen

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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sorgenbrecher

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragDi 21. Feb 2012, 20:49

meines erachtens läßt sich der einfluss der klimaveränderung keinesfalls verleugnen. die durchschnittlichen temperaturen während der wachstumsphase lagen im bordeaux noch bis mitte der 80er jahre bei max. 16,5 grad, seitdem gehts steil bergauf und nun sind konstant über 18 grad erreicht.
interessant finde ich, was b. lewin dazu in seinem pinot-noir buch schreibt, er betrachtet nämlich das konzept der physiologischen reife sehr kritisch und sieht insbesondere beim cabernet sauvignon negative einflüsse (aber auch bei pinot noir weist er darauf hin, dass schon die alten mönche im 18. jh. der auffassung waren, dass in eine gute cuvee sowohl sehr reife, als auch nur fast reife beeren gehören...).
ich finde, dass er die auswirkungen des konzeptes der physiologischen reife sehr treffend beschreibt wenn er ausführt, dass sich dadurch das geschmacksbild bei cabernet sauvignon von kräuterigen geschmacksnoten hin zu schwarzer johannisbeermarmelade wandelt, während bei pinot noir die geschmacksnoten von erdigen erdbeer- oder kirschnoten erhalten bleiben (wenn auch von einem ende der skala ans andere ende).
und diese entscheidung, die beeren möglichst alle vollreif zu ernten und zu verarbeiten, ist natürlich eine bewußte winzerentscheidung, die sich an den vorlieben der kritiker, der käuferschichten und dem ziel der frühen zugänglichkeit orientiert und weniger an traditionellen geschmacksbildern. aber erst die geänderten klimatischen bedingungen versetzen ihn erst dazu in die lage, in früheren jahrzehnten wäre dies in der anzahl der jahrgänge und in der breite unmöglich gewesen.
Gruß, Marko.
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UlliB

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragDi 21. Feb 2012, 22:05

Noch kurz zum Thema "physiologiosche Reife":

octopussy hat geschrieben:
Kann mir jemand erklären, warum so viel Wert auf die "physiologische Reife" der Trauben gelegt wird?


Siehe die Antwort von Rico:

weinfidél hat geschrieben:Weißt Du/Ihr, wie "gesundes", aber nicht "reifes" (physiologisch) Traubengut schmeckt? Spätestens der direkte Vergleich (Essen/Schmecken) mit ausgereiften Beeren macht deutlich, warum man eben die physiologische Reife will.


Genau dieser Eindruck setzt sich 1:1 in den Jungweinen fort - die schmecken einfach besser, wenn das Traubengut wirklich völlig reif gewesen ist. Und nur um die Jungweine geht es, das alte, gereifte Zeug interessiert außer ein paar Spinnern niemanden mehr. Um Bordeaux wird en primeur ein Mega-Hype gemacht, trinkreife ältere Jahrgänge gibt es schon mal um einen Bruchteil des Preises der Weine, die noch gar nicht in der Flasche sind...

Man kann davon ausgehen, dass einige der heutigen Bordeaux-Ikonen aus den 60ern, 70ern und 80ern und praktisch alle nicht-edelsüßen Rieslinge aus der Zeit vor 1990 aus heutiger Sicht aus nicht "physiologisch reifem" Traubengut erzeugt wurden. Manche dieser Weine haben aber auch 20, 25 Jahre gebraucht, bevor sie die Kurve gekriegt haben. Wer will denn heute noch so lange warten, bis ein Wein trinkreif ist?

Gruß
Ulli
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weinfex

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragDi 21. Feb 2012, 23:41

@Ulli
Was die "nichtphsiologische Reife" vor 1990 angeht bin ich bei Dir,
allerdings halte ich es für einen Trugschluss, dass grosse Jahrgange
"unserer Zeit" schneller "reif" werden, wie grosse Jahrgänge vor 90.
Es gibt u.U. keine Jahrgänge in der Stilistik wie 88 oder 94 mehr, aber
Jahre wie 00, 09 und 10 werden mindestens 20-25 Jahre benötigen,
in der Spitze wohl auch deutlich länger...
Grüsse weinfex
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UlliB

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragMi 22. Feb 2012, 10:26

weinfex hat geschrieben:allerdings halte ich es für einen Trugschluss, dass grosse Jahrgange
"unserer Zeit" schneller "reif" werden, wie grosse Jahrgänge vor 90.
Es gibt u.U. keine Jahrgänge in der Stilistik wie 88 oder 94 mehr, aber
Jahre wie 00, 09 und 10 werden mindestens 20-25 Jahre benötigen,
in der Spitze wohl auch deutlich länger...


Andreas,

wenn Du mit "reif" die wirklich volle Trinkreife meinst, kann ich das bezüglich des 2000ers nachvollziehen; der Jahrgang entwickelt sich wirklich sehr langsam. Aus den 90ern ließen sich aber Gegenbeispiele finden, z.B. 1990 oder auch 1996. Hinsichtlich der 09er und 10er fehlt mir noch der Einblick.

Es gibt allerdings auch eine Phase vor der vollen Trinkreife, und da verhält sich der 2000er schon etwas anders als die Jahrgänge vor 1990 (vielleicht mit der Ausnahme von 1982). Die meisten 2000er (auch die großen Weine) kann man jetzt angehen, und das durchaus mit einem gewissen Vergnügen, auch wenn die Weine von der Vollreife noch lange entfernt sind. Mit einem 86er zum Beispiel ging das aber Mitte der 90er nicht, da waren die wirklich guten Weine aromatisch so gut wie völlig stumm. Auch scheinen mir die 2000er in der Primärfruchtphase schöner und stimmiger gewesen zu sein als die meisten Weine aus den 80ern (Ausnahme wiederum: 1982 - aber das war halt auch ein sehr reifes Jahr).

Es wartet heute kaum mehr jemand 20 oder 25 Jahre geduldig darauf, dass ein Wein trinkreif wird. Auch die meisten 09er und 10er Bdx werden ausgetrunken sein, bevor sie ihren Höhepunkt erreichen. Insofern bekommt die Frage, wie ein Wein als junger Wein schmeckt, noch einmal ein ganz anderes Gewicht. Und hier sind Weine aus physiologisch reifem Traubenmaterial aus meiner Sicht doch klar im Vorteil.

Gruß
Ulli
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weinfex

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragMi 22. Feb 2012, 10:48

Moin Ulli,

verstehe was Du meinst, da bin ich
auch absolut bei Dir...

Wenn ich mich an die Primärfruchtphase 00 erinnere,
damals wurde auch schon diskutiert, ob sich die
Weine wirklich verschliessen werden, wie lange sie halten etc.,
weil man es sich aufgrund ihrer Zugänglichkeit und Ausgewogenheit blenden
lies. Es gibt da durchaus gewisse Parallelen zu 09, der aber meines Erachtens ebenfalls
viel mehr Zeit benötigen wird, als das so allgemein berichtet wird/wurde...
Grüsse weinfex
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sorgenbrecher

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragMi 22. Feb 2012, 11:04

ich habe bisher nur sehr wenig aus 2009 probiert und auch sonst nur eine recht kleine bordeaux-erfahrung, deshalb die frage an die experten:

glaubt ihr, dass auch jahrgänge wie 2009 mit der alterung so schöne und komplexe geschmacksnoten nach kräutern, leder, tabak und erde/feuchtes laub entwickeln werden wie beispielsweise viele 1982er, oder wie erwartet ihr aufgrund der sehr präsenten frucht hier die reifeentwicklung ?
werden also die "neuen" jahrgänge stilistisch zu vergleichbaren geschmacksbildern wie in der vergangenheit führen, oder eurer meinung nach anders sein ?
Gruß, Marko.
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weinfex

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Re: Alkoholgehalt und sein Entstehen

BeitragMi 22. Feb 2012, 12:04

Hallo Marko,

wie sich die aktuellen Jahrgänge wirklich entwickeln
werden, vermag natürlich niemand mit Gewissheit
vorherzusagen, allerdings habe ich persönlich überhaupt
keine Zweifel, dass sie sich nicht anders im Alter präsentieren
werden, wie "alte Jahrgänge" heute...

Nur mal so als Beispiel rausgegriffen, Domaine de Chevalier 09
hat für mich vom "Geschmacksbild" parallelen zu den dort in
den 80igern produzierten Weinen, natürlich "moderner vinifiziert",
aber eben ohne Verlust der Identität...
Grüsse weinfex
Vorherige

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