Rotweinzubereitung

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
Zürcher
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Rotweinzubereitung

Beitrag von Zürcher »

Hallo

Bin über Emailwerbung auf Ralf Oberer, Meilen, gestossen. Da ich zur Zeit auf dem Pinot-Tripp bin, wäre ich versucht, diesen Pinot 2009 zu ergattern. Habe dann aber seine Homepage besucht, ralf-oberer.ch, dann unter dem Stichwort wissen, weinbereitung, pinot noir auf seine früheren Lehrjahre und die Pinot Noir Zubereitung. Der Beschrieb hat mich ein wenig verstört. Geht es Euch gleich, bin ich zu blauäugig? Wird tatsächlich so manipuliert?

Danke für Eure Meinung.
Gruss, Sacha
Blaufränkisch
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Blaufränkisch »

Hallo Sacha,

ich sehe keine Manipulation in dem Bericht über die Weinbereitung des Pinot Noir. Die Beschreibung ist sehr detailiert und man könnte natürlich den einen oder anderen Schritt weglassen oder anders gestalten, aber du kannst davon ausgehen, dass die allermeisten Rotweine auf ähnliche Weise entstehen.

Die Kaltmazeration vor der Gärung und die anschließende Erwärmung für die Gärung mit ihrem enormen Energieaufwand sind allerdings eher die Ausnahme und die Entsäuerung ist auch nicht immer ein so intensives Thema. Dafür wird anderswo (z.B. im Top-Bereich) zusätzlich noch mit teilweisem Mitvergären der Stiele, mit Saftabzug zur Maischekonzentration, vielleicht auch Maschinen zum Wasserentzug gearbeitet, noch viel intensiver mit Hefeaufrühren und/oder künstlicher Mikrooxidation zusätzlich zum Sauerstoffeintrag durch das Eichenholz. Außerdem stellt sich in größeren Betrieben natürlich auch noch viel intensiver die Frage des Verschneidens, auch bei reinsortigen Weinen, wenn es eine Vielzahl von Chargen zur Auswahl gibt.

In der Mittelklasse und darunter mußt du stattdessen oder zusätzlich noch mit anderen Verfahren rechnen, z.B. geringfügiger Restsüßeverleihung auch bei trockenen Weinen, mit Hefenährstoffen, um die Gärung von Trauben von gestressten Reben anzukurbeln, mit Tannin und/oder Enzymzugaben und, und, und.

Nicht das ich das alles für gut heißen würde, aber auch wenn das immer wieder behauptet wird ist Wein eben kein Naturprodukt. Sondern ein Kulturprodukt.

Wenn du mehr zur Rotweinbereitung lesen möchtest, könnte meine kleine Serie dazu vielleicht interessant sein:

http://www.bernhard-fiedler.at/weblog/?cat=12

Herzliche Grüße in die Schweiz

Bernhard Fiedler
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
Hans Meiser
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Hans Meiser »

Die Weinindustrie pflegt gerne einen etwas romantischen Mythos, bei dem die eigentliche Arbeit am Weinberg geschieht, und dann alles einfach in die Fässer kommt und nach ein paar Monaten ein guter Wein raus kommt. Mit der Realität hat das natürlich nicht viel zu tun. Wie Bernhard schon sagte, Manipulation wird in dem Bericht nicht beschrieben, sondern eben die vielen Arbeitsschritte, welche um der Außenwirkung halber gerne verschwiegen werden.
Zürcher
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Zürcher »

Hallo Bernhard,
Herzlichen Dank für dein ausführliches Statement aus deiner Winzer-Sicht!
Ich kenne deinen Blog und deine Reihe "Wie entsteht Rotwein", die ich sehr gerne las. Und ja, du erwähnst da auch alle möglichen Manipulationen, aber mit einem kritischen Beigeschmack.
Ich war einfach ein wenig desillusioniert, da in den Winzerprospekten immer so schön steht: "Der Wein entsteht im Rebberg" oder so ähnlich. Und da ist einer, der kauft seine Trauben und konzentriert sich ganz auf die Kellerarbeit. So war's jedenfalls in seinem Bericht aus seinen Lehrjahren. Und da seine Weine heute im mittleren Preissegment angesiedelt sind und immer noch durch Zukauf des Traubengutes entstehen, finde ich die "macération carbonique", welche üblicherweise bei Jungweinen oder Beaujolais Nouveau angewendet wird, schon recht ungewöhnlich für einen Pinot. Aber eben, vielleicht erklärt sich dies und die Kaltmazeration zu Beginn mit dem Umstand, dass die Trauben nicht gerade neben dem Weinkeller gepflückt, sondern eine bis zwei Stunden transportiert werden mussten.
Und ja, viel beigefügt wurde ja nicht, ausser CO2, SO2, Reinzuchthefe und etwas Zucker. Die Aufzuckerung hat mich ein wenig gestört, aber das erklärt sich vielleicht auch aus dem Umstand, dass es nicht seine eigene Trauben waren.
Destotrotz fand ich diesen Bericht sehr lesenswert und ehrlich, weil er tatsächlich alle Schritte inklusiv den Korrekturen erwähnt.
Grüsse ins Burgenland!
Sacha
Blaufränkisch
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Blaufränkisch »

Hallo Sacha,

das was da beschrieben wird ist keine Maceration carbonique, sondern eine Kaltmazeration, also ganz etwas anderes.

M.C. dient wie du schreibst der zugänglichen Fruchtigkeit schnell zu trinkender Jungweine und ist eine Technik, bei der ganze, unverletzte Trauben bei normalen Temperaturen in druckdichte Gärtanks gefüllt werden. Es setzt ein enzymatischer Zersetzungsprozess der Trauben ein - völlig ohne Gärung durch Mikroorganismen - bei dem die besondere Aromatik und ein paar Prozent Alkohol entstehen. Danach wird recht bald abgepresst und der restliche Zucker "ganz normal" mit Hefen zu Alkohol vergoren.

Eine Kaltmazeration ist eine High-Tech-Variante für Topweine, die insbesondere bei Pinot Noir angewendet wird. Ziel ist nicht der langsame enzymatische Zerfall der ursprünglich intakten Traubenbeeren sondern die intensive Auslaugung der Schalen durch den Saft der mechanisch gequetschten Beeren ohne Anwesenheit von Alkohol, da in der wäßrigen Phase - angeblich - mehr bzw. bessere bzw. andere, zusätzliche Fruchtaromen und Farbe ausgelaugt werden als in der alkoholischen. Daher kühlt man die ganz normale Maische auf Temperaturen, die das Wachstum und damit die Gärung der Hefe unterbindet. Nach dieser mehrtägigen Kaltmazeration folgt eine ganz normale Maischegärung und damit die prompt einsetzt wird die Maische rasch auf Gärstarttemperatur erwärmt. Würde man einfach warten, bis die Maische nach Kühlende von selbst langsam warm wird, wäre das Risiko zu groß, dass sich in dieser sehr aufgeschlossenen Materie andere Mikroorganismen in negativem Ausmaß vermehren bevor die echte Weinhefe dominiert.

Was die zugekauften Trauben betrifft, so weiß man natürlich nicht, ob der Lieferant nicht ohnehin auf sehr gutem Niveau arbeitet. Für die Spitzenklasse wird es damit aber trotzdem schwer reichen, denn natürlich fehlt immer etwas, wenn man nicht (ganz) die Oberhand über die Arbeit im Weingarten hat.

Die Aufbesserung stört mich nicht, die ist im Rotweinbereich auch viel viel weiter und bis in den Spitzenweinbereich verbreitet als gemeinhin kommuniziert wird. (Um nicht abzuschweifen hier nur ein weiterführender Link: http://www.bernhard-fiedler.at/weblog/?p=558 ).

Spannender finde ich die doch massive Entsäuerung, die den Charakter des Weines sicherlich weit mehr verändert als die paar Zehntel Alkohol mehr. Der angegebene Säurewert läßt ein wenig an der physiologischen Reife der Trauben zweifeln und der durch chemische Entsäuerung nach dem Säureabbau erzielte Endwert zielt nicht unbedingt auf einen individuellen, eher feingliedrig-eleganten Stil, sondern auf Breite und Fülle (wobei solche Aussagen allein aufgrund der Analysenwerte eigentlich nicht wirklich seriös sind ;-) ).

Grüße

Bernhard
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Desmirail
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Desmirail »

Man beachte aber bitte auch die Ausgangslage des Winzers und was mit dessen Rebanlagen los war.
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UlliB
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von UlliB »

Zürcher hat geschrieben: Die Aufzuckerung hat mich ein wenig gestört, aber das erklärt sich vielleicht auch aus dem Umstand, dass es nicht seine eigene Trauben waren.
Ich glaube, Du solltest Dich ein wenig mehr mit den Realitäten auf dem Weinmarkt auseinandersetzen. Im Burgund ist eine Aufzuckerung nach wie vor gang und gäbe (Ausnahmen gibt es nur in ultrareifen Jahre wie 2009), und das betrifft durchaus auch 1er- und grand cru - Weine, die schon mal 100 Euro / Franken pro Flasche und mehr kosten.

Und im Bordelais waren die Verhältnisse bis in den grand cru classé-Bereich ähnlich, bis sich vor ein paar Jahren die diversen Verfahren zur Mostkonzentration im high-end-Bereich flächendeckend durchgesetzt haben. Über Jahrzehnte hinweg war der pro-Kopf-Vverbrauch an Zucker im Departement Gironde der höchste in Europa, und das nicht, weil die Leute dort ihren Tee so stark gesüßt haben :lol:

Die Abneigung gegen Chaptalisation scheint mir ein Deutsches (und offensichtlich auch: Schweizer) Phänomen zu sein, das anderswo nicht geteilt wird.

Gruß
Ulli
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Zürcher »

@Bernhard: alles klar, 2 mal übergiessen der Maische mit CO2 (wie auf S. 9 beschrieben) ist noch keine macération carbonique, sondern kann auch ein Bestandteil der Kältemazeration sein. Und Kältemazeration ist nichts Schlechtes, sondern High-Tech für Topweine! :D
@UlliB: bin nur Konsument und bisher noch nie auf einen so ehrlichen Bericht über die Kellerarbeit gestossen. Nehme es aber gerne zu Kenntnis, dass dies eine durchaus gebräuchliche Kellerarbeit ist und dass qualitativ hochstehende Weine daraus entstehen können. Das mit dem Zucker ist eine lustige Episode! :D

Habe viel dazu gelernt, danke Euch allen! Muss nach soviel Nachdenken wohl ein paar Flaschen ergattern, für Franken 20 ein Schnäppchen! :D ... und werde berichten!
MichaelWagner
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von MichaelWagner »

Hinsichtlich der Kaltmazeration ist der Link hier ganz interessant:

http://www.agroscope.admin.ch/publikati ... ubnIau4w--

Man kommt bei Rotwein zum Ergebnis, dass die Kaltmazeration sensorisch keine Unterschiede zur "normalen" Maischegärung mit ein paar Tagen längerer Standzeit aufweist (wer es gerne dichter hat, zieht eben noch Saft ab). Abgesehen von höheren Kosten ist die Belastung beim Pumpen durch Röhrenwärmetauscher fürs Aroma auch nicht gerade föderlich...

Was die Entsäurung angeht ist das so eine Sache. Wenn der Hagel Dir alles zersägt und Du zukaufen musst, hast Du keinen Einfluss auf Maßnahmen im Weinberg, die zur Säureregulierung beitragen können (Entblätterung, Erntezeitpunkt etcpp). Und es gibt wenige bis keine Winzer, die Ihre besten, mit viel Aufwand erzeugten Trauben jemandem verkaufen ;)

Es ist somit eigentlich ein schönes Beispiel dafür, dass guter Wein eben doch im Weinberg entsteht und Einiges an Kelleraufwand spart.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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Desmirail
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Re: Rotweinzubereitung

Beitrag von Desmirail »

MichaelWagner hat geschrieben:Hinsichtlich der Kaltmazeration ist der Link hier ganz interessant:

http://www.agroscope.admin.ch/publikati ... ubnIau4w--

Man kommt bei Rotwein zum Ergebnis, dass die Kaltmazeration sensorisch keine Unterschiede zur "normalen" Maischegärung mit ein paar Tagen längerer Standzeit aufweist (wer es gerne dichter hat, zieht eben noch Saft ab). Abgesehen von höheren Kosten ist die Belastung beim Pumpen durch Röhrenwärmetauscher fürs Aroma auch nicht gerade föderlich...

Was die Entsäurung angeht ist das so eine Sache. Wenn der Hagel Dir alles zersägt und Du zukaufen musst, hast Du keinen Einfluss auf Maßnahmen im Weinberg, die zur Säureregulierung beitragen können (Entblätterung, Erntezeitpunkt etcpp). Und es gibt wenige bis keine Winzer, die Ihre besten, mit viel Aufwand erzeugten Trauben jemandem verkaufen ;)

Es ist somit eigentlich ein schönes Beispiel dafür, dass guter Wein eben doch im Weinberg entsteht und Einiges an Kelleraufwand spart.

Guter Hinweis. Spannend ist das ganze allemal! 8-)
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