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Weinlagerung in der Garage

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wein1980

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Weinlagerung in der Garage

BeitragFr 25. Apr 2014, 20:00

Guude zusammen,

Frage in die Runde:

Ich habe meine Bordeaux und weitere Weine in der Garage gelagert, jetzt bei den ersten wärmeren Tagen allerdings schon erschreckender Weise festgestellt, dass die Temperatur dort bis auf 22°C gestiegen ist.

Das dies nicht 'gesund' für die Weine ist, ist mir bekannt. Doch was bedeutet dies im Detail, sollten die Temperaturen - was zu erwarten ist - noch höher steigen oder so bleiben: Werden die Weine de Facto unbrauchbar / ungenießbar? Oder bedeutet dies schlichtweg dass der Reifeprozess verlangsamt wird, d.h. 'meine' Weine im Vergleich zu ideal gelagerten Weinen nach Jahren x einfach nicht den gleichen Reifegrad erlangt haben, aber auf jeden Fall genießbar bleiben?

Man liest viel von den Idealbedingungen, in Hinsicht auf Luftfeuchtigkeit sind mir die möglichen 'Gefahren' schlüssig, aber was passiert wirklich nach längerer Lagerzeit unter schlechten Temperaturbedingungen?

Ich danke Euch schon im Voraus!

Besten Gruss
Sebastian
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Oberpfälzer

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragFr 25. Apr 2014, 20:58

Hallo Sebastian,
was machst Du da? Hol die Pullen rein ins Heim ;) Wenn Du keine besondere Garage hast, dann ist dies wohl im Winter der kälteste und im Sommer der heisseste Ort. Völlig unbrauchbar für Weinlagerung. Ich habe in meinem Keller auch keine idealen Bedingungen (schwankt langsam zwischen 13/14 und um die 18/19 Grand im Jahr) aber das halten die Pullen wohl recht gut viele Jahre aus. Meine Garage wäre ein No-Go.
Servus
Wolfgang
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wein1980

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragFr 25. Apr 2014, 22:46

Hallo Wolfgang,

danke für deinen Beitrag. Die entscheidene Frage ist mir aber noch offen, was passiert denn mit dem Wein sollte dieser bei meinen genannten Bedingungen über längere - sagen wir mal Monate / Jahre - gelagert werden? Wird nur der Reifeprozess verzögert oder wird der Wein tatsächlich unbrauchbar?

Gruss
Sebastian
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UlliB

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 08:39

wein1980 hat geschrieben: Die entscheidene Frage ist mir aber noch offen, was passiert denn mit dem Wein sollte dieser bei meinen genannten Bedingungen über längere - sagen wir mal Monate / Jahre - gelagert werden? Wird nur der Reifeprozess verzögert oder wird der Wein tatsächlich unbrauchbar?

Der Reifeprozess wird durch hohe Temperaturen nicht verzögert, sondern beschleunigt. Oberhalb einer kritischen Temperatur laufen die Prozesse aber nicht nur schneller, sondern auch grundsätzlich anders ab - bei längerer Lagerung verderben die Weine dann tatsächlich, sie madeirisieren (oxidieren) und sind dann ganz einfach hinüber.

Wo genau diese Temperatur liegt, ist schwer zu sagen. Weißweine sind in aller Regel empfindlicher als Rotweine. Ich würde die kritische Grenze für eine längere Lagerung sowohl von Weiß als auch von Rot bei oberhalb 20°C sehen.

Da der Zusammenhang zwischen Temperatur und Zersetzungsgeschehen exponentiell ist, wird die Sache mit jedem Grad mehr wesentlich schlimmer. 25° halte ich schon für sehr bedenklich, und ein paar Wochen bei 30° können empfindlichen Weinen schon den Rest geben. Und im Kofferraum im Hochsommer reicht auch schon ein Nachmittag.

Insofern: raus mit dem Wein aus der Garage. Schlimmer geht's nimmer....

Gruß
Ulli
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Oberpfälzer

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 08:40

Hallo Sebastian,
ich habe das nie ausprobiert und habe es auch nicht vor. Von langsamerer Reifung darf man nicht ausgehen. Umgekehrt wird es sein. Würde den Wein höchstens ein paar Tage im Sommer dort lagern. Kritisch dürfte auch die Temperaturschwankung sein, die schnell und gross sein wird. Die könnte den Wein herausdrücken und anschliessend Luft in die Flasche "saugen". Ich nehme an, nach einer Saison ist der Wein hinüber, schal, spannungslos, freudlos und mit viel Reifenoten. Meine Vermutung.
Welche Erfahrung hast Du bisher gemacht?
Servus
Wolfgang
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Gerald

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 09:21

Hallo Ulli,

Da der Zusammenhang zwischen Temperatur und Zersetzungsgeschehen exponentiell ist, wird die Sache mit jedem Grad mehr wesentlich schlimmer. 25° halte ich schon für sehr bedenklich, und ein paar Wochen bei 30° können empfindlichen Weinen schon den Rest geben. Und im Kofferraum im Hochsommer reicht auch schon ein Nachmittag.


das scheint mir schon etwas übertrieben. Die Faustregel "10 Grad mehr führen zu einer Verdopplung der Reaktionsgeschwindigkeit" passt ja meist recht gut, bei 25 °C statt 15 °C würde der Wein eben doppelt so schnell reifen. Wobei man streng genommen ja noch anaerob ablaufende (z.B. Esterbildung) und solche Reaktionen unterscheiden muss, die durch den eindringenden Sauerstoff limitiert sind, z.B. die Oxidation der diversen Polyphenole (Tannine, Anthocyane etc.).

Eine echte Grenze wird wohl die Temperatur sein, wo die Enzyme denaturieren, also irgendwo zwischen 60 und 70 °C. Wenn diese überschritten wurde, dann wird sich die Flüssigkeit danach nicht mehr wie ein "normaler" Wein verhalten.

Aber wenn man die Weine nur ein paar Jahre aufheben möchte, aber nicht unbedingt an die dritte Generation vererben, dann sollte die Lagerung irgendwo in einem halbwegs temperierten Wohnraum auch kein Drama sein.

Da war doch einmal irgendwo (war das im seligen Wein-Plus-Forum?) der Bericht, wo von zwei gleichen Flaschen eine im Keller gelagert und die andere im Auto längere Zeit mitgenommen wurde und sich keine erkennbaren Unterschiede ergeben haben, oder?

Grüße,
Gerald
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UlliB

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 10:20

Gerald hat geschrieben: Die Faustregel "10 Grad mehr führen zu einer Verdopplung der Reaktionsgeschwindigkeit" passt ja meist recht gut, bei 25 °C statt 15 °C würde der Wein eben doppelt so schnell reifen. Wobei man streng genommen ja noch anaerob ablaufende (z.B. Esterbildung) und solche Reaktionen unterscheiden muss, die durch den eindringenden Sauerstoff limitiert sind, z.B. die Oxidation der diversen Polyphenole (Tannine, Anthocyane etc.).

Hallo Gerald,

ohne jetzt auf zu viele Details einzugehen: ich durfte mich beruflich bedingt über mehr als 10 Jahre hinweg mit chemischer Reaktionskinetik im Temperaturbereich von 0° bis 30°C herumschlagen und dabei aberhunderte von Datensätzen analysieren. Die von Dir genannte Faustregel, die beim Ablauf chemischer Reaktionen im Hochtemperaturbereich ("kochen") gelten mag, kannst Du für die Reaktionsabläufe niedermolokularer Komponenten im "Etwa-Raumtemperatur-Bereich" knicken. Ein realistischer Faktor bei einer 10°-Temperaturerhöhung ist hier für Hydrolysereaktionen etwa 3-4, für viele Oxidationsreaktionen liegt er aber bei 6 bis 10 (!).

Das Hauptproblem bei der Lagerung von Wein ist der reaktive Aufbrauch von solchen Komponenten, die gegen die Oxidation wesentlicher Aromastoffe schützen - bei Weißweinen spielt hier Sulfit eine wesentliche Rolle, bei Rotweinen auch andere Stoffe. Diese Komponenten haben inhärent besonders niedrige Aktivierungsenergien, da sie ja vor den anderen Komponenten verbraucht werden sollen. Und solange überhaupt noch ein Oxidationsschutz existiert, gibt es auch kein echtes Problem - ist der Oxidationsschutz aber weg, geht der Wein recht zügig über die Wupper. Insofern liegt bei der temperaturabhängigen Alterung von Wein leider ein nichtlineares Phänomen vor, und dem kommst Du mit ein paar Einzelfallbeobachtungen nicht auf die Spur.

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 10:35

Hallo Ulli,

das typische an einer "Faustregel" ist ja, dass sie in den Mehrzahl der Fälle zutrifft, aber natürlich nicht in allen. Solange man nicht im Detail weiß (ich zumindest weiß es nicht ;) ), welche Reaktionen genau für die Alterung von Wein verantwortlich sind, kann man darüber ja auch nur spekulieren.

Bei den oxidativen Prozessen wird der limitierende Faktor ja der eindringende Sauerstoff sein, und ob man diesen so einfach mit der Temperatur in Zusammenhang setzen kann? Vor allem gibt es doch sehr viel andere Faktoren, z.B. ob es Luftströmungen im Raum gibt oder nicht.

Noch dazu kann man die sensorische Frage, ob der Wein jetzt gut gereift, zu jung oder schon hinüber ist, ja nicht einfach an analytisch-chemischen Parametern festmachen. Da müsste man schon eine Vergleichsuntersuchung über Jahre mit unterschiedlichen Lagervarianten und Blindverkostung machen. Gibt es so etwas eigentlich schon?

Wobei die Schwankungen durch die Varianzen beim Naturkork die Sache ja stark verkomplizieren, man müsste also schon sehr viele gleichartige Flaschen beobachten, um diesen Faktor zu reduzieren.

Noch ein Mosaiksteinchen aus eigener Beobachtung: Bei den Jahrgangspräsentationen der Domäne Wachau werden jedes Jahr ein paar Altweine präsentiert. Schon mehrmals solche, die ich auch selbst im Keller habe (10-15 Jahre alt). Meine Weine wirken allerdings trotz nicht idealer Lagerbedingungen (Kellertemp. schwankt zwischen 10°C im Winter und 20°C im Sommer) nicht stärker gereift als die aus dem perfekten Keller der Domäne ...

Grüße,
Gerald
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Gerald

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 10:51

Und noch ein Aspekt dabei:

Wenn leicht erhöhte Temperaturen ein solches Problem für den Wein wären, warum lagert man ihn dann nicht gleich bei 0°C oder so? Wie kommt es zu der als "ideal" angesehenen Lagertemperatur von ca. 12°?

Könnte das nicht einfach eine nicht hinterfragte Tradition sein, da ein Keller in Mitteleuropa nun mal genau diese Temperatur hat und man früher keine Alternativen dazu hatte?

Angenommen, wir würden nicht Wein aus Trauben trinken, sondern Palmwein, der in den Tropen produziert und gelagert würde (bei Temperaturen von ungefähr 28°C). Würden wir dann Klimaschränke mit Heizung kaufen, um den Wein sachgerecht bei 28°C zu lagern? ;)

Grüße,
Gerald
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UlliB

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Re: Weinlagerung in der Garage

BeitragSa 26. Apr 2014, 11:04

Gerald hat geschrieben:Wenn leicht erhöhte Temperaturen ein solches Problem für den Wein wären, warum lagert man ihn dann nicht gleich bei 0°C oder so? Wie kommt es zu der als "ideal" angesehenen Lagertemperatur von ca. 12°?

Gerald,

kommt drauf an, was Du willst. Die meisten Leute wollen ja durchaus, dass der Wein reift - aber dabei eben nicht oxidiert. Bie einer Lagertemperatur nahe 0° ist die Reifung aber schon extrem langsam, da passiert praktisch betrachtet nur noch sehr wenig. Wer aber seine Weine in der Primärfruchtphase liebt: das hier ist die ideale Lagerbedingung, wenn man Weine über Jahre hinweg in dieser Phase halten möchte. Man muss nur aufpassen, dass bei Temperaturschwankungen nach unten der Wein nicht doch einmal einfriert und die Flasche platzt ;)

Ansonsten: manche Leute mögen durchaus madeirisierte Weine, sonst gäbe es ja keinen Madeira :D

Dort wird bei der Herstellung übrigens gezielt mit hoher Lagertemperatur gearbeitet, der Prozess heißt estufagem. Bei den höchstwertigen Madeiras läuft der in durch die Sonne natürlich beheizten Räumen, den canteiros. So eine Art Garage 8-)

Gruß
Ulli
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