Best bottle am 26.11.2010 in Idstein

"Über Steinen zu den Sternen" wäre ein schöner Titel für dieses dann doch noch großartige Proben-Wochenende gewesen. Etwas holperig, eben steinig, waren die letzten Wochen der Vorbereitung mit diversen nachvollziehbaren aber eben auch nicht so nachvollziehbaren Ausfällen gewesen, die den Organisatoren eine gehörige Portion Buddah-mäßigen Gleichmut abverlangte. Umso schöner, dass trotz Wintereinbruch am vergangenen Freitag alle Teilnehmer vorbildlich pünktlich waren und sich Hotel und Catering als echter Glücksgriff entpuppten. Fast kam am Samstag so etwas wie Jugendherbergs-Feeling auf, als wir - nachdem wir das Hotel exklusiv für uns hatten - von einem Zimmer zum nächsten wanderen konnten und es immer noch was leckeres zu trinken gab. An beiden Abenden war die Stimmung super, das Essen absolut prima und die Weine vom Feinsten, auch wenn die Kork-Quote am Freitag schon stramm jenseits der Erträglichkeitsgrenze war. Dafür hatten sich im besten Wortsinne der "Best Bottle" alle Teilnehmer ordentlich ins Zeug gelegt und so ihren Beitrag zu einem tollen Abend geleistet.

Los ging es mit einer ganzen Batterie feiner Rieslinge:

Georg Breuer - Riesling "Berg Rottland" 2001
Tolle Nase, duftig, komplex. Die Frucht kommt immer besser raus. Extrem geschliffen und blitzsauber. Am Gaumen würzig: Pfefferminze. Die sehr gute Länge legt im Glas weiter zu. Tolle Balance. (92)

Koehler-Rupprecht - Riesling "Kallstädter Saumagen" Spätlese trocken R 2001
Extrem dichte, drückende Nase, ein bisschen floral. Klostein, Grillaromen. Mit der Zeit frisch geschnittenes Suppengemüse. Dazu Pfirsich. Um es kurz zu machen: etwas seltsame Nase. Am Gaumen erheblich schöner als in der Nase. Stoffig, tolle Frucht, großartige Balance. Aussergewöhnliche Länge. (92)

Marc Kreydenweiss - Riesling Kastelberg Grand Cru 1999
Volle, üppige Frucht. Viel Pfirsich. Am Gaumen allerdings eher etwas schwächlich. Sehr süß, ordentliche Balance. (89)

Peter Jakob Kühn - Riesling "Östricher Doosberg" 2003
Sehr üppig, vollreif, Eisbonbon, etwas dropsig. Ananas ohne Ende. Ein sehr leckerer Schlabberwein mit ausreichend Struktur, um nicht ins Banale abzudriften. Gefällt mir sehr gut auch wenn er mit Sicherheit kein typischer Vertreter ist. (90)

Domaine Trimbach - Riesling "Cuvee Emile" 1990
Leider nicht viel aufgeschrieben. Ziemlich gut, sehr würzig, ordentlich Säure. Kann auch gegen geschmortes Rind gut bestehen. (90)

Danach machte noch ein Burgunder die Runde, bevor es dann "offiziell" losging.

A. Ligeret - Cote de Beaune 1962
Gemüse, Erde, Erdbeeren, Schuhcreme, Grillaromen. Nicht schlecht. Am Gaumen noch Struktur aber auch etwas bitter. Trotzdem gut. (90)

Fortsetzung folgt...

Flight 1

Chateau Angelus 1997
Kork. (-)

Chateau Pavie 1990
Relativ dunkles Rot. Samtig, fein, stimmig, duftig. Rosmarin. Geschliffene, kühle Nase trotz sehr reifer Frucht. Am Gaumen dicht, gut balanciert, lang. Trocknet nach hinten aber etwas aus. Anmachender Wein - sehr lecker! (92)

Flight 2

Alvaro Palacios - Ermita 1994
Dicht, drückend, warm, ganz leicht aber nicht unangenehm alkoholisch. Würzig. Am Gaumen wie erwartet ausgesprochen dicht, kleidet den Mund aus. Trotz aller Kraft und Tannine gut balanciert. Wird mit der Zeit im Glas immer schöner, frischer und feiner. Ewige Länge, da könnte auch ein zweites Glas trotz aller Kraftmeierei erheblichen Spaß bringen. Grandioser Power-Wein. (95+)

Shafer Vineyards - Cabernet Sauvignon "Hillside Select" 1998
Traumhaft süße, feine Cabernet-Nase. Pralinè, etwas Rumtopf. Das ist diese Kombination aus betörender Süße und toller Feinheit, die auch der 92er Dunn hatte. Am Gaumen alles da, wo es hingehört. Jahrgangs-bedingt nicht die ganz große Nummer. Leichtes Alkohol-Schwänzchen. (94)

Flight 3

Domaine de Pegaü - Chateauneuf du Pape Cuvee Reservee 1998
Die große Frucht-Sause. Ordentlicher Stall-Stinker. Würzig. Wald. Gefällt mir gut. Mit der Zeit Kaffee. Am Gaumen sehr gute Struktur, geniale Würze, aussergewöhnliche Länge. (93)

Chapoutier - Ermitage "Le Pavillon" 1993
Kork. (-)

Paul Jaboulet Aine - Hermitage "La Chapelle" 1994
Da ist sie wieder, diese rotbeerige La Chapelle-Frische, die vor allem die alten Jahrgänge so genial lecker macht, hier aber schon deutlich erkennbar ist. Frisch, würzig. Endlose Feinheit, geniale Gewürz- und Kräuter-Aromen. Am Gaumen Lakritz, Soja-Soße, auch wieder würzig. Nicht enden wollende Länge. Sehr dicht. Baut im Glas aus. In der Nase Bitterschokolade und Kakao, am Gaumen wird er länger und länger. (95)

Fortsetzung folgt....

Flight 4

Giacomo Conterno - Barolo "Cascina Francia" 1990
Sehr dunkle Farbe für einen "klassischen" Barolo.Viel Kakao, Bitterschokolade, Liebstöckel. Ordentlich rosinige Frucht. Das ist auf sehr hohem Nievau etwas enttäuschend. Was diesem Wein schon in der Nase abgeht ist die Struktur und die Präzision. Am Gaumen viel Tabak, erdig, rosinig. Tolle Länge, tolle Balance. Viel Malz. Mit der Zeit wird die ganze Geschichte frischer und etwas geschliffener. Trotzdem hätte ich mir von dem Wein mehr erwartet, zumal der 82er deutlich präziser war.
(93)

Giacomo Conterno - Barolo "Monfortino" 1988
Unglaubliche aromatische Ähnlichkeit zum Cascina Francia, nur hat der Monfortino alles das, was ich mir beim Cascina Francia erwartet hätte - und zwar im Überfluss. Das sind perfekte, präzise Konturen, sensationelle Struktur, und die seltene Verbindung von aussergewöhnlicher Kraft, Feinheit und Eleganz, die nur in ganz großen Weinen zu finden ist. Nur wirklich reif scheint er noch nicht zu sein. Trotz 24 Stunden-Powerdekantieren hatten wir es hier mit einem Wein-Baby zu tun. Grandios. (97)

Flight 5

Chateau Haut-Brion 1982
Dunkles, mittel-dichtes Rot. Feinste Tabak-Noten, pure Eleganz, sehr dicht. Auch am Gaumen setzen sich die Tabak-Noten fort. Sehr lang, auch wenn der Druck fehlt um in die absolute High End-Klasse aufzusteigen. Im Prinzip ist die Bewertung reine Sache der Vorliebe. Man könnte die unglaubliche Eleganz hervorheben, die wahrscheinlich viel besser nicht zu machen ist. man könnte aber auch ein wenig den Mangel an Kraft bemängeln, den man von einem Premier Cru in einem Jahr wie 1982 eigentlich erwarten sollte. Wie auch immer: ein absolut toller Wein.(95)

Chateau Haut-Brion 1979
Kork! (-)

Fortsetzung folgt...

Flight 6

Chateau Leoville Las Cases 1985
Manchmal ist das Weintrinken ja ein frustrierendes Unterfangen, insbesondere, wenn in einer Probe wie an diesem Freitag fünf Korker dazu angetreten sind, uns das Leben schwer zu machen. Doch dann kommt eine Flasche wie diese in einem Flight wie diesem, und man bekommt das Grinsen kaum noch vom Gesicht. Risikoflasche: kein besonders guter Füllstand, nicht sehr sauber aussehender Korken. Aber dann: ein geiler, großartiger Spaßwein. Mittleres bis dunkles Rot. Zu Beginn ordentlich viel Brett, das aber mit der Zeit verfliegt. Duftig, anmachend, sexy, ätherisch. Tolle Frucht, mit der Zeit Kakao. Aber am wichtigsten: SAU - MÄßIG LECKER! Am Gaumen perfekt reif, perfekt strukturiert, grandiose Frucht, sensationelle Länge. Besser auf den Punkt kann man einen Wein nicht erwischen. Zu mehr fehlt ihm auf höchstem Niveau ein wenig Komplexität und Druck, aber was solls? (97)

Chateau Leoville Las Cases 1990
Sensationelle Fruchtsüße. Dicht, frisch, aristokratische Tiefe und Eleganz. Die Nase startet phänomenal und wird im Glas noch besser. Auch am Gaumen Premier-würdige Dichte, Fülle und Balance. Der kommt noch nicht so ganz aus sich raus wie der 85er, aber die Anlagen sind eindeutig die eines potenziell perfekten Weines. Es fehlt hinten heraus noch das letzte Quentchen Druck, und auch die Komplexität kann mit Sicherheit noch ein Schippchen drauflegen. Trotzdem ist das hier beileibe kein Potenzial-Trinken sondern bereits jetzt schon ganz großer Sport. Trotz der unterschiedlichen Reifephase sind die aromatischen Ähnlichkeiten zwischen 85 und 90 durchaus erkennbar. (97+)

Fortsetzung folgt...

Flight 7

Chateau Grand Puy Lacoste 1982
Kork. (-)

Chateau Grand Puy Lacoste 1990
Wie auch schon bei den beiden Flaschen letztes Jahr absolute Traumnase: super-fein, duftig. Wie meint der Terminator immer? Samt und Seide! Blaue und schwarze Beeren, dezente Minz-Note, etwas Lakritz. Traumhafte Fruchtsüße. Sexy! Viel leckerer kann man Bordeaux nicht hinkiegen. Am Gaumen viel Schokolade, Espresso, sehr gute Struktur. SEHR lang. Der Wein ändert sich dazu fast minütlich im Glas und zeigt immer neue Variationen der Themen Minze/Eukalyptus, Tabak und Würze. Großartig. (95)

Flight 8

Chateau Lynch Bages 1989
S-E-X-Y!!! Sehr dunkles Rot. In der Nase blaue und schwarze Beeren, traumhafte Fruchtsüße. Anmachend, süß, seidig. Nach einigen Minuten Lakritz. Die Nase ist im Spaß- und Genuss-Sinne für mich perfekt. Ähnlich wie beim 85er Leoville Las Cases ist das hier die pure Sünde. Es geht vielleicht intelektuell fordernder und/oder komplexer, aber geiler geht es nicht. Was mich vor allem antörnt ist bei aller Süße der Frucht diese perfekte Balance und Eleganz. Viel mehr Spaß kann Bordeaux für mich nicht machen. (96)

Chateau Pichon Comtesse de Lalande 1989
Zurückhaltendere Nase als der parallel getrunkene Lynch Bages, stilistisch aber erwartungsgemäß nicht unähnlich. Sehr schöne Frische, ein Hauch Haarspray. Wird im Glas immer schöner und duftiger und süßer und feiner. Auch am Gaumen nicht so üppig und expressiv wie der Lynch Bages. Wirkt noch sehr jung und könnte vielleicht noch ein Pünktchen zulegen. (94+)

Das war's.

Hi Olli,

danke für deine super Notizen...ich wollte an dem Abend einfach genießen und habe mir gar eher oberflächliche Notizen gemacht....einen Wein hast Du aber vergessen!
Den noch aufgezogenen 88er Calon Segur als Ersatz für den 82er GPL....

Hallo Olli,

das sind mal wieder maulwässernde VKN. Respekt für dein Durchhaltevermögen. Bei mir jedenfalls war im letzten Flight sensorisch nicht mehr viel möglich .

Beste Grüsse

dylan

Hallöchen zusammen,

sensorisch war das in der Tat eine Herausforderung. Wahrscheinlich hatten Christian und ich den kleinen Vorteil, dass wir im Rahmen der Vorbereitung noch länger beschäftigt waren und daher nicht so viel von den Rieslingen in uns reinkippen konnten. Da gab es doch übrigens noch mehr, oder? Ich meine, mindestens noch eine Van Volxem-Flasche gesehen zu haben...

@ Christian: das stimmt wohl. Ist mir der 88er Calon Segur doch glatt durch die Lappen gegangen:

Chateau Calon-Segur 1988
Ausfall-Wein und Ersatz für den korkigen 92er GPL. Zuerst leichte Käse-Note, die aber verfliegt. Dann sehr viel Frucht, Espresso, Schoko. Mit der Zeit immer mehr Kakao. Sehr dichte, drückende Nase. Etwas verbrannt. Am Gaumen mittlerer Länge, gute Struktur. Die Espresso- bzw. Kaffee-Note kommt immer stärker durch und wird immer leckerer. Sehr schön. (92)

Viele Grüße

Oliver

da habt ihr ja eine schöne Korkparade gehabt

89er Comtesse hatte ich schon über 95 Punkte, einmal zusammen mit einer perfekten 86er und der 89er war deutlich überlegen.

Klasse Probe!

[Markus Vahlefeld]

wenn ich mir die faschenfotos anschaue... wieviele ward ihr denn? 35 hartgesottene trinker?