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Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatten

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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oli_oli_oliver

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Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatten

BeitragFr 4. Mär 2011, 10:12

Dass im Burgund Licht und Schatten nah beeinander liegen und neben himmlischen Weinen auch Unmengen überteuerten Schrottes produziert wird, ist ja hinlänglich bekannt. Nun hatte ich im vergangenen Jahr das Privileg, weitestgehend Weine von der himmlischen Sorte in die Tasse zu bekommen. Da vergisst man die harte Realität schon mal gerne. Und es wird einem früher oder später umso schmerzlicher bewusst, wie viel Glück man in der Vergangenheit gehabt hat. Die harte Realität stellte sich vergangenen Samstag mit voller Wucht bei einer "Côte de Nuits-Probe" der Kölner Seilschaft ein. Theoretisch mittelprächtige Weine waren nicht weit von einer Katastrope entfernt, theoretisch gute waren "so-la-la" und die vermeintlich sehr guten waren bestimmt nicht schlecht, vor dem Hintergrund der angebrachten Preisschilder (die noch nicht einmal so furchtbar waren, da unser Organisator z.B. bei Roumier direkt einkaufen darf) aber schlicht nicht überzeugend.

Wirklich schlecht waren die meisten der Weine ja nicht. Doch zum einen hatte ich über große Strecken dieser Probe das Gefühl, dass Qualität und Preis hier in einem Missverhältnis stehen, dass weit über das in anderen - auch den klassischen französischen - Regionen liegt, und dass ich nicht zu akzeptieren bereit bin. Zum anderen schien der Großteil der Weine in einem modernen, sehr konzentrierten Stil vinifiziert, der für mich den wesentlichen Charakter der roten Burgunder, für den ich die außergewöhnlichen Exemplare so liebe, beschädigt, vielleicht sogar zunichte macht: die Eleganz. Wenn ich die große Lakritz-Oper haben möchte, brauche ich nicht zu einem 99er Chevillon greifen. Da tut es auch ein gut gereifter Pegau oder Beaucastel. Und wenn ich Wein im Glas haben möchte, der schwarz wie Ägyptens Nächte ist, bieten fast alle Weinregionen dieser Welt gute Alternativen zu einem Bruchteil des Preises.

Neben der schon beschriebenen harten Realität kam dann noch eine gehörige Dosis Pech dazu, sonst hätten wohl potenzielle Gewinner wie der 88er Griotte Chambertin von Ponsot (aus einem über jeden Zweifel erhabenen Keller, aus dem auch die Traumweine der letztjähirigen Probe stammten) nicht so schlecht abgeschnitten. Fairerweise muss man feststellen, dass mit den Jahrgängen 2003, 2002 und 1999 gleich drei Jahre anstanden, in denen gerade die potenziell besseren Weine aktuell verschlossen sein können. Darüber hinaus hätte sich das ein oder andere Ergebnis bestimmt nach oben korrigiert, wenn man mehr Zeit gehabt hätte, die Entwicklung des Weins über einige Stunden zu beobachten. Vielleicht muss man sich Gedanken darüber machen, ob große Proben dieser Art mit einem umfangreichen Programm in relativ kurzer Zeit überhaupt für diese Art Wein geeignet sind....

Es bleibt die Bestätigung der Erkenntnis, dass im Burgund, eben noch viel mehr als in anderen Regionen, der Weg zum Traumwein mit zahllosen Enttäuschungen gepflastert ist. Auf der anderen Seite ist das Ignorieren dieses Gebietes auch keine Lösung. Vielmehr läuft es für mich darauf hinaus, das verfügbare Budget auf die wenigen noch einigermaßen bezahlbaren High End-Produzenten und dort auf die unterbewerteten Lagen zu konzentrieren und alles andere zu ignorieren. Denn mittelprächtige Burgunder machen (mir) nicht nur weniger Spaß als mittelprächtige Bordeaux, sie sind auch drei mal so teuer....

Wie dem auch sei. Probiert wurde doppel-blind, aufgedeckt wurde nach jedem Flight:

Flight 1
Domaine Hudelot-Noellat - Vosne-Romanée "Les Beaux Monts" Premier Cru 2003
Ziemlich dichtes Rot. Riecht jung und sehr reif. Man braucht kein Weinguru zu sein, um Richtung 2003 zu tippen. Viel Kirsche, sehr würzig, im Augenblick etwas einfach gestrickt. Am Gaumen bitter und astringierend. Der Alkohol ist zu schmecken. Schon dicht, aber da ist dieses Loch in der Mitte, dass man bei so vielen 2003ern findet und wo erst die Zeit zeigen wird, ob das mit zunehmender Reife weggehen wird. (86)

Domaine Confuron-Cotedidot - Vosne-Romanée "Les Suchots" Premier Cru 2003
Sieht erheblich älter aus als der Hudelot, was einige der Beteiligten zu der Vermutung trieb, die drei Weine im ersten Flight könnten unmöglich aus dem gleichen Jahr sein. Ein schnelles Reinriechen klärte die Situation dann aber sofort. Auch hier wieder diese sehr reife Frucht, die mir aber in diesem Fall viel besser gefiel, weil die zwar sehr reif, aber eben nicht überreif wie beim Hudelot. Am Gaumen lang, würzig, schöne Frucht, aber auch hier macht mir die doch sehr wackelige Struktur mit den rustikalen Tanninen Sorgen. In diesem Stadium besser als der Hudelot, vielleicht blüht der aber in 5 - 10 Jahren nochmal auf, während der Confuron dann möglicherweise schon mausetot ist... (88)

Domaine Bruno Clavelier - Vosne-Romanée "Les Beaux Monts" Premier Cru Vielles Vignes 2003
Wieder sehr dunkles, junges Rot. Passt aromatisch absolut zu den beiden Vorgängern. Wieder extrem reif aber alles in allem etwas dezenter. Im Gegensatz zu den beiden anderen Weinen verändert sich hier die Nase ständig im Glas, wird schöner und komplexer. Am Gaumen der am wenigsten bittere Wein, schöne Balance. Noch etwas schlank, aber ich vermute, dass da noch was kommt. Wirkt am kompaktesten und dichtesten. Sehr schön. (89+)

Fortsetzung folgt....
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Weinopa

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 12:04

.... bin schon Gespannt auf die Fortsetzung!
Wie wurden die Weine denn mit Luft versorgt?
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oli_oli_oliver

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 13:08

Hallo Weinopa,

wie lange die Weine Luft bekommen haben weiß ich leider nicht. Ich vermute/ befürchte, dass die Weine eher nicht oder zu kurz dekantiert worden sind...

Viele Grüße,

Oliver
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Trapattoni

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 13:25

oli_oli_oliver hat geschrieben:Dass im Burgund Licht und Schatten nah beeinander liegen und neben himmlischen Weinen auch Unmengen überteuerten Schrottes produziert wird...

Fortsetzung folgt....

Moin Oliver,
wer dich kennt, kann erst richtig einschätzen, wie vernichtend eigentlich deine Kritik ist.... :roll:
Einerseits sehr schade, dass ihr eine dann doch eher bescheidene Probe hattet, andererseits habe ich bis jetzt so gesehen dann viel Glück gehabt. :o
Franz, Klaus und ich hatten letzten Freitag z.B. einen herrlichen 2005er Gevrey-Chambertin von Rossignol-Trapet. Ansonsten machen z.B. momentan die 2004er vom Hospice de Beaune in den verschiedensten Varianten viel Spaß und auch der ein oder andere 2007er ist schon schön zu trinken, z. B. auch der "Aux Chaignots 1er Cru" von Chevillon (schon 3x 92 P von mir). :D
Die größeren Jahre brauchen halt ihre Zeit, z.B. die etwas besseren 90er kannst du momentan imo voll vergessen.

Liebe Grüße
Dieter
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(Joachim Ringelnatz)
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Weinopa

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 13:35

oli_oli_oliver hat geschrieben:Hallo Weinopa,

Ich vermute/ befürchte, dass die Weine eher nicht oder zu kurz dekantiert worden sind...

Viele Grüße,

Oliver


Das glaube ich auch. Dekantieren muss man nicht unbedingt; 5-7 Stunden Luft sind aber schon Pflicht bei diesen jungen Jahrgängen (vor allen bei den großen Terroirs)
2003 ist natürlich sehr eigen und nicht alle Winzer konnten damit umgehen...

Grand Cru' guter Erzeuger aus 1999 werden vielleicht in 20 / 30 Jahren langsam ihrem Höhepunkt entgegenschreiten.
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weinaffe

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 13:58

Hallo Oliver,

Burgund ist und bleibt ein Minenfeld. Auch die Flaschenvarianz kann enorm sein.
Dazu kommt noch, dass die verschiedenen Burgunder, auch die gereiften, unterschiedlich viel Sauerstoff brauchen. Bei gereiften Burgundern ist man natürlich erst einmal eher zurückhaltend mit dem Dekantieren; wir hatten aber häufig schon den Fall, dass manche gereifte Burgunder tatsächlich mehr Luft brauchen als viele Bordeaux und erst am 2. Tag richtig aufdrehen. Andere gleich alte und gleich renommierte Exemplare sind dann schon komplett oxidiert.

@ Dieter:
Nach meinen jüngsten Erfahrungen mit den roten 90ern aus Burgund sind auch die besseren und die Top-Weine absolut trinkbereit und machen derzeit viel Spass.
Einige 1er Crus sind aber auch schon leicht über dem Höhepunkt. Generell muss man aber meiner Meinung nach auf keinen 90er mehr gross warten. Das Trinkfenster wird aber bei den Top-Weinen noch länger geöffnet sein.
Dagegen sind derzeit viele 1er und Grand Crus aus 2005 in einer Verschlussphase. Da ist mit Sicherheit warten angesagt.
2007er isr derzeit voll in der Fruchtphase, aber auch in diesem klassischen Jahrgang wird es bei den sehr guten und Top-Weinen noch eine "Rumpelphase" geben.
2004 trinkt sich in der Tat, speziell viele Gemeindeweine oder mittlere 1er Crus, derzeit sehr gut.

Grüsse
Bodo
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oli_oli_oliver

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 14:15

Flight 2

Domaine Tortochot - "Mazy-Chambertin" Grand Cru 2002
Dichtes, leicht angereift wirkendes Rot. Sehr schöne Nase. Wunderbar blaubeerig. Dicht, rauchig. Trüffel. Etwas Stall. Am Gaumen sehr dicht, tragende Säure. Stoffig, sehr lang. Kriegt eine würzig-mineralische Note. Gerade als ich denke "now we're talking", beginnt der Wein im Glas bedenklich abzubauen. Er verliert an Komplexität und wird erheblich flacher. Ist der nur in einer schwierigen Phase oder bereits auf dem Weg ins Nirvana? Man weiß es nicht... (86)

Domaine George Roumier - Chambolle Musigny 2002
Als erster Wein in dieser Probe einigermaßen klassisch Burgunder-mäßige Farbe. Meint: relativ hell und durchsichtig. Wunderbar würzig. Dunkle Beeren, Waldboden. Sehr jung, etwas Stall. Sehr schön, erinnert mich stilistisch an den "kleinen" Gevrey Chambertin von Rousseau. Am Gaumen kräuterig, schöne Balance, tolle Länge. Ganz leicht spitze Säure. Gefällt mir und kann mit Sicherheit noch zulegen. Wenn man die Performance der Basis-Weine von Roumier und Rousseau verfolgt, müsste man von denen im nächsten einigermaßen guten Jahr eigentlich alles kaufen, was man zu vertretbaren Kursen kriegen kann.... (90+)

Domaine Bachelet - Gevrey Chambertin "Les Corbeaux" Premier Cru 2002
Viele Kräuter und Waldboden. Schöne, perfekt reife Frucht. Wunderbar feine Himbeere. Sehr dicht, sehr komplex. Am Gaumen knackig, sehr gute Balance, sehr gute Länge. Tragende, schon gut eingebundene Säure. (92)

Weingut Ziereisen - Blauer Spätburgunder "Rhini" 2002
Selten war ein Pirat einfacher zu identifizieren. Schon in der Nase eine völlig andere Welt. Sehr duftig, viel Vanille, sehr (zu?) süß, aber leider auch weitgehend frei von Spannung und Komplexität. Am Gaumen ebenfalls süß und - na ja - "gemacht" wirkend. Da ist schon alles in der Balance, und sauber ist der Wein sowieso. Was dem Wein (zumindestens in dieser Flasche) aus meiner Sicht fast völlig fehlt, sind Charakter, Authentizität und Spannung. Lust auf ein zweites Glas will da nicht aufkommen. (84)

Fortsetzung folgt...
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Trapattoni

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 14:31

weinaffe hat geschrieben:
@ Dieter:
Nach meinen jüngsten Erfahrungen mit den roten 90ern aus Burgund sind auch die besseren und die Top-Weine absolut trinkbereit und machen derzeit viel Spass.

Grüsse
Bodo

Hallo Bodo,
ich nenne mal beispielhaft 1990 Latricières-Chambertin von Gelin. Der braucht m.E. noch Jahre, ebenso wie einige Corton GC. Da lassen sich schon einige 2001er GC und 2002er GC besser trinken. Aber Danke für den Tipp, ich werde mich dann mal wieder an andere 90er heranwagen. :idea:

Grüße
Dieter
Die besten Vergrößerungsgläser für die Freuden dieser Welt sind jene, aus denen man trinkt.
(Joachim Ringelnatz)
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oli_oli_oliver

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 14:43

Hallöchen zusammen,

je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass das "Proben-Design" 16 Weine in 3 1/2 Stunden hintereinander zu verkosten für das Themengebiet "mehr oder weniger junge Burgunder" schlichtweg ungeeignet ist.

Die Weine brauchen Zeit, die sie nicht bekommen haben.

Das macht das Preis-Leistungsproblem jedoch nicht viel besser.

Viele Grüße,

Oliver
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Weinopa

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Re: Probe "Côte de Nuits" in Köln – Wenig Licht, viel Schatt

BeitragFr 4. Mär 2011, 14:59

oli_oli_oliver hat geschrieben:Hallöchen zusammen,

je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass das "Proben-Design" 16 Weine in 3 1/2 Stunden hintereinander zu verkosten für das Themengebiet "mehr oder weniger junge Burgunder" schlichtweg ungeeignet ist.


Wenn die Weine entsprechend und individuell vorbereitet wurden, sehe ich darin kein Problem!
Allerdings liegt gerade darin die Schwierigkeit...
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