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Gereifte Weine In Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe

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Gereifte Weine In Würzburg

BeitragMo 28. Feb 2011, 13:54

Hallo zusammen,

letzten Freitag haben sich wieder einige Weinnasen getroffen, um quer Beet einige gereifte Weine (Jahrgang 2000 und älter) zu testen. 14 Weine wurden entkorkt, 9 x weiß und 5 x rot... und fast alle machten noch mächtig Spass. Doch der Reihe nach zuerst die Weißweine:

1.) 2000er Abtswinder Altenberg Silvaner Spätlese trocken (Brügel, Greuth)-Franken-

ein lebendiger Beweis dafür, dass auch Silvaner gut reifen können:
unglaublich jugendliche Nase mit eleganter, kräutriger Birnenfrucht, tolle Säure hält die 13,5 Vol% bestens in den Schranken,fast filigrane Art, kristallklar,langer schmelzig-frischer Abgang, eine bewundernswerte Leistung in diesem nicht ganz einfachen Jahr. Chapeau !!
Verdiente 89 P. Hat durchaus noch Potential für weitere Reife !

2.) 1998er Loibner Loibenberg Grüner Veltliner Smaragd tr. (Knoll, Unterloiben)-Wachau-

der einzige Korkschmecker der Probe. Leider ! Denn trotz muffigen Noten war darunter ein würziger und extraktreicher GV zu erahnen.

3.) 1988er Niersteiner Hipping Riesling Spätlese trocken (Heyl zu Herrnsheim)-Rheinh.

erstaunlich frischer Riesling aus der "guten alten Zeit": glasklare Zitrus- und Grapefruitnase, praktisch keinerlei Petroleinflüsse, sehr geradlinig, knackige Säure, eher schlank gebaut (12 Vol%),noch voll da, toller Trinkfluss, mittlerer, fruchtbetonter Abgang.
Ein äussertst lebendiges Leichtgwicht für Rieslingfreunde, die resche und absolut trockene Weine mögen. 84 Punkte.

4.) 1993er Iphöfer Julius-Echter-Berg Riesling Spätlese tr. (Juliusspital)-Franken-

wesentlich fülliger als der Vorgänger (13 Vol%), dezente Sherrynote, die anzeigt, das der Wein schon etwas über dem Punkt ist, angenehme Säure mit etwas Zitrusfrucht, aber auch karamellige Noten mit oxidativen Spuren, mittlere Länge.
Für Liebhaber gereifter Weine auf jeden Fall noch ein angenehmer und trinkbarer Wein.
79 Punkte.

5.) 1989er Mußbacher Eselshaut Riesling Spätlese trocken (Müller-Catoir)-Pfalz-

zunächst der übliche reduktiv-böcksrige Sponti-Stinker, der sich aber mit intensiver Belüftung binnen weniger Minuten in Luft auflöste, darunter eine phantastisch jugendliche Nase mit intensiver Pfirsich- und Zitrusfrucht, glockenklar und intensiv, wirkt fast so, als ob sich dieser Wein noch in seiner Primärfruchtphase befindet, unglaublich !!
Auf der Zunge der folgerichtige Eindruck: absolut trocken, knackige, aber reife Säure, trotz nur 12 Vol% hat der Wein gegenüber dem eher asketischen Niersteiner mächtig "Schmackes", ordentlich Extrakt, erstaunlich langer Abgang.
Gnadenlos guter Altwein, an den die 21 Jahre fast spurlos vorübergegangen sind.
Hans-Günther Schwarz ist schon ein Teufelskerl !!
91 Punkte.

Fortsetzung folgt !!

Grüsse
Bodo
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weinaffe

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Re: Gereifte Weine In Würzburg

BeitragMo 28. Feb 2011, 22:48

.....und weiter geht's ab Wein Nr. 6:

6.) 1999er Weißer Burgunder Spätlese tr. Barrique (Bergdolt)-Pfalz-

wieder ein überraschend jung gebliebener Wein:
sehr feine Nase,Birne und reifer Apfel, dezente Würze, gefühlvoller Holzeinsatz, kraftvoll, aber mit einiger Finesse, die 14 Vol% Alkohol sind bestens verpackt, mittellanger bis langer Abgang.Sehr schöner und feiner Burgunder voller Schmelz und Frische, der qualitativ mit manchem Cru aus dem Burgund mithalten kann. 90Punkte.

7.) 1997er "Malterer" Qualitätswein trocken Barrique (Bernhard Huber)-Baden-

extravagante Flasche mit ebensolchem Etikett, 5,4 cm langer Korken der Extraklasse, hier wurde an nichts gespart. Leider auch nicht am Holzeinsatz:
röstig-speckige Aromatik,die noch vorhandene Frucht (reifer Apfel, Aprikose) hat es schmeckbar schwer, sich bemerkbar zu machen, sehr körperreich,Alkohol gut integriert, ein Schuss mehr Säure würde mehr Frische bringen, ein wenig schwermütig, langer, vom Holz dominierter Abgang. Bernhard Huber musste auch erst einmal seine Erfahrungen mit dem neuen Barrique machen; heute meistert er das souverän !
Trotzdem ein noch durchaus lebendiger Powerwein für Holzfans.
85 Punkte.

8.) 1997er Bernkasteler Lay Riesling Auslese (Markus Molitor, Wehlen)-Mosel-

wunderbar feinfruchtige Nase, Zitrus,Ananas und Grapefruit,hintergründige Schiefernote,glasklar auf der Zunge, federleicht mit bezwingender Frucht, optimales Frucht/Säure/Süsse-Verhältnis,mittelgewichtig, leicht im Alkohol (7,5 Vol%), trotzdem geschmacklich dicht. Ganz feine Klinge mit extrem gutem Trinkfluss. Die 65 Gramm
Restzucker sind fast nicht zu spüren.Noch sehr jugendlich !
Tolles Fliegengewicht, 90 Punkte.

9.) 1999er Nieder-Flörsheimer Frauenberg Huxel Auslese (Göhring)-Rheinhessen-

glasklare Frucht, ein Mix aus tropischen Früchten (vor allem Maracuja, Ananas und Mango),extrem saubere Bortrytis, auf der Zunge ein Fruchtelexier, leichter Körper,leicht im Alkohol (9 Vol%),ausgleichende Säure, gut integrierte Süsse, die alles andere als pappig wirkt, mittellanger, fruchtbetonter Abgang.
Eine Fruchtbombe, die gebirgsquellartig über den Gaumen rauscht und trotzdem nicht satt macht. Vielleicht fehlt ein klein wenig Komplexität, aber bei dem Preis ab Weingut verbietet sich jegliche Kritik: sagenhafte 6,60 EURO für die 0,75l- Flasche !!!
Die aktuellen Jahrgänge für diesen Wein sind vielleicht geraden mal 2 EURO teurer.
Extrem gutes Preis-/Leistungsverhältnis, 89 Punkte.

10.) 2000er Chateau Larmande Grand Cru Classe (Ch. Larmande)-St.-Emilion-

noch relativ verschlossene Nase, etwas Blaubeere und Cassis,dezente Würze vom Holz, etwas Tintenblei, noch recht eckiges, aber feinkörniges Tannin,zurückhaltende Frucht, es lauert aber einiges an Extrakt, wirkt klassisch,die Anlagen sind da, der Wein braucht aber noch mindestens 3-5 Jahre, um sich etwas zu öffnen. 89+ Punkte.

11.) 1993er Chateau Cos d'Estournel 2e Grand Cru Classe (Cos d'Estournel)-St. Estephe-

perfekt gereifter Bordeaux der alten Schule, knapp reife Aromatik nach grüner Paprika und Cassis, Leder Tabak und Zedernholz, feine Säure, weitgehend abgeschmolzenes Tannin, mittelgewichtig, sehr balanciert und finessenreich, mittellanger, würzebetonter Abgang.
Trinkt sich wunderschön, wird sein Niveau bestimmt noch einige Jahre halten können.
91 Punkte.

Fortsetzung folgt mit den 3 abschliessenden Rotweinen !

Grüsse
Bodo
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weinaffe

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Re: Gereifte Weine In Würzburg

BeitragDi 1. Mär 2011, 14:09

....und abschließend die 3 letzten Rotweine:

12.) 1978er Pommard Epenots 1er Cru (Dubreuil-Fontaine)-Burgund-

auch der älteste Wein der Verkostung, der immerhin 32 Jahre alt ist, zeigt sich noch in bestechender Form:
Farbe wie ein etwas tieffarbener Rose, nur sehr dezentes Ziegelrot ohne Brauntöne, sehr lebendige Nase nach Kirsche und Himbeere, Finesse und Eleganz pur, fast unglaublich jugendlicher Eindruck.
Absolut trocken mit dem richtigen Maß an strukturierender Säure, das Tannin ist völlig abgeschmolzen, feine Dunkelbeerfrucht,völlig integrierter Alkohol,sehr komplex und voller Finesse.
Großartiger Altwein, der beweist, dass auch Burgunder ein langes Leben haben können.
93 Punkte.

13.) 1998er Cabernet Sauvignon Reserve Mc Laren Vale (Fox Creek)-Australien-

ein deutlicher Kontrast zum vorhergehenden Wein, aber auf sehr hohem Niveau:
ein echter Powerwein, bei dem aber alle Komponenten stimmig zueinander passen, völlig blickdichte, fast schwarzrote Farbe, intensive Cassis und Blaubeerfrucht, passender Holzeinsatz, noch etwas monolithisch auf der Zunge, kräftiges, noch kantiges Tannin der feinen Art, stimmige Säure, die geschmackliche Handbremse ist noch etwas angezogen, aber reichlich Extrakt und Fülle, trotzdem nicht alkoholisch oder marmeladig (trotz 14,5 Vol%),, mittellanger bis langer, fruchtig-würziger Abgang.
Der Wein befindet sich noch im Winterschlaf, in 5- 10 Jahren wird dieser Wein aber jeden Aussie-Fan ( und möglicherweise auch andere) begeistern können.
90+ Punkte.

14.) 1991er Colheita Port (bottled 2005) (Dirk Niepoort, Oporto)- Portugal-

zum Abschluss noch eine echte Geschmacksexplosion:
cognacfarben, sehr komplexe Nase aus Datteln, sonstigen Trockenfrüchten,Nüssen, Piment, Karamell und Kakao, sehr dicht und intensiv.
perfekt eingebundene Süsse mit konterkarierender Säure, mächtiger Körper (20,5 Vol%), auf der Zunge geht dann die Post ab, Trockenfrüchte, etwas (altes) Holz, extrem würzig, extrem langer, würziger Abgang, der den Gaumen minutenlang in Beschlag nimmt.
Ein exzellenter Meditationswein der Spitzenklasse. 94 Punkte.

Fazit:
Bis auf den Korkschmecker bei Grünen Veltliner und der schon weit gereiften Flasche des Juliusspitals hatten wir bei dieser Probe enorm viel Glück.
Ein alter Spruch trifft gerade bei älteren Weinen voll ins Schwarze:
"es gibt im Alter keine großen Weine, sondern nur noch große Flaschen".

Grüsse
Bodo

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