"Kultweinprobe" in Würzburg
Verfasst: Di 30. Nov 2021, 19:21
Hallo zusammen,
letzten Freitag war es endlich soweit: die bereits für Ende 2020 vorgesehene Probe mit ausgewählten, "kultigen" (meist) Einzelflaschen konnte im kleinen Kreis mit weiteren 7 Weinfreunden stattfinden. Man wird ja nun nicht gerade jünger und es war höchste Zeit, mal ein paar Kellerschätze mit meinen Freunden zu teilen. "Kultweine" sind in der Regel Weine mit sehr hoher Qualität, bei denen die Nachfrage die Produktionsmenge übersteigt, was wiederum meist zu "saftigen" Preisen führt. Im Sinne einer vertretbaren Teilnehmerumlage (hier 130 EURO incl. Brotzeit und Aperitif-Champus) wurden nicht nur weltweit gefragte "Blue Chips", sondern auch Kultweine berücksichtigt, die eher eine regionale Bedeutung oder einen durchaus internationalen, aber spezialisierten Liebhaberkreis haben.
Ich habe 12 Weine (5x weiss, 7x rot) aus meinem Keller ausgewählt und in eine halbwegs sinnvolle Reihenfolge gebracht. Die übrigen Teilnehmer probierten "blind", wobei nach jedem Wein auch gleich die Auflösung präsentiert wurde. Die einzige Aufgabe der Teilnehmer, neben dem Weingenuß, bestand darin, nach Abschluss der Probe seine 3 Favoriten (Platz 1,2 und 3) zu nennen, so dass ein sicherlich nicht repräsentatives "Beliebtheits-Ranking" entstehen konnte.
Soviel vorneweg: kein Korkschmecker, keine Ausfälle, meine Erwartung wurden größtenteils sogar übertroffen
Als Apero gab es folgenden ausgezeichneten Blanc de Blancs-Champus:
---- "Les Vignes de Montgueux" BdB Extra Brut (Jacques Lassaigne)
sehr feine Perlage, glockenklarer Chardonnay mit zarten Briochenoten, leicht rauchig-würzig, perfekte Harmonie,sowohl frisch als auch gehaltvoll,macht sehr viel Spass. Verdammt hohe Einstiegs-Qualität von diesem leider nicht mehr so unbekannten Winzer.
Dann kam der "amtliche Teil" mit zunächst 5x weiss, bei dem folgender Wein den Einstieg machen musste:
2013er Sulzfelder "Creutz" Ur-Sylvaner QW tr. (Luckert, Sulzfeld) -Franken-
Mit Sicherheit der "Kult-Sylvaner" schlechthin (400 wurzelechte Rebstöcke Gelber Sylvaner, gepflanzt Ende des 19. Jahrhunderts, mitten im Sulzfelder Wohngebiet, denen schon die Rodung drohte und wieder durch die Luckerts augepäppelt wurden) und der möglicherweise teuerste trockene Weißwein mit Schraubverschluss
Doch zurück zum Wein: etwas schlanker als der 2012er (12,5 Vol%), aber mit etwas mehr Frische, wenig Frucht, extrem mineralisch mit kalkigen Akzenten,leicht wachsig, in der Nase Honignoten und Kräuter, wirkt reif und in sich ruhend. Die meisten Teilnehmer haten sich etwas mehr versprochen; im Bezug auf die aktuellen Jahrgangspreise (100 EURO ab Weingut, damals noch ca. die Hälfte) und die Erwartungen eine leichte Enttäuschung, wobei man zur Ehrenrettung sagen muss, dass der Wein -Rest sich am nächsten Tag mit kräftigeren Kräuternoten doch besser präsentierte als am Probentag. Wir jammern hier aber immer noch auf sehr hohem Niveau
Danach folgte ein immer noch "bezahlbarer" Kult-Wein:
2017er Ried Zieregg Sauvignon blanc QW tr. (Tement, Berghausen) -Steiermark-
sicherlich einer der Benchmarks für klassisch kühl-mineralische Sauvignons: zuerst sehr verschlossen, enorme Mineralität, Hauch Gerbstoff, saftige Säure, mit Luft kommen auch die sortentypischen Aromen (Hauch Paprika, Stachelbeere), aber nichts ist hier laut oder ordinär, saftig-kühl, perfektes Spiel aus Frucht, Würze und Mineralität, gute Länge. Ein absolut überzeugender Sortenvertreter, der auch mit den besten Loire-Vertretern in seiner eigenen Stilistik locker mithalten kann.
Bei dem nun folgenden Wein mit perfekter Füllhöhe ist leider der Korken komplett zerbröselt, so dass der Wein erst komplett durch einen "Melitta-Filter" geseiht werden musste, was ihm aber in keiner Weise geschadet hat:
2004er Westhofener Kirchspiel Riesling GG (Keller, Flörsheim-Dalsheim) -Rheinhessen-
Keller ist mittlerweile auch international Kult, was die teilweise irrwitzig hohen Preise nach sich zieht. Auch das Kirchspiel (damaliger Preis knapp 20 EURO!) ist natürlich hiervon betroffen, zumal der anfangs unterschätzte 2004er einer der allerbesten, wenn nicht sogar der beste, jemals abgefüllte Keller-Kirchspiel-Riesling ist. Unser Exemplar hat das voll bestätigt:
wunderbares, reichhaltiges Parfum nach Weinbergspfirsich, Agrumen,trotzdem nichts plüschiges, messerscharf konturiert, am Gaumen eine nahezu perfekte Harmonie bei unglaublicher Frische (der Wein wurde locker 5-10 Jahre jünger eingestuft), sehr tiefe Frucht, hohe Extraktsüsse mit wohl ein paar Gramm Restzucker, die dem Wein aber gut zu Gesicht stehen,demgegenüber steht eine geniale, reife Säure, die für einen Frischekick sorgt und den Wein in einen sehr langen Abgang führt. Ein Weltklasse-Riesling, der aus dem Gedächtnis heraus sogar den im Rahmen einer Probe spendierten Versteigerungswein 2009er A.D.L. von Emrich-Schönleber hinter sich lässt. Davon hätte man tatsächlich ein paar Flaschen mehr kaufen sollen
Auf den folgenden Wein war ich sehr gespannt, weil ich noch nie einen gereiften Vertreter aus diesem Weingut getrunken habe:
1996er Domaine de Chevalier blanc Pessac-Leognan (Olivier Bernard) -Bordeaux-
ein höchst spannender Wein: in der Nase zunächst dezente Reife-/Oxidationsnoten mit einem Hauch Karamell, angenehme Barriquenoten, die Nase verleitete einige vorschnell, auf die Gran Reserva von Tondonia zu tippen, trotzdem auch tolle Würze mit einem Hauch Gelbfrucht, am Gaumen knalltrocken mit laserartiger, aber reifer Säure, steinige Mineralität, kühle Stilistik, auf angenehme Weise fordernd, aber alles andere als mager, spannender Kontrast aus reifer Nase und springlebendiger Frische am Gaumen, mit mehr Luft wird der Wein immer frischer, tolle Stilistik mit hohem Wiedererkennungswert. Gefiel allgemein in der Runde.
Zum Abschluss der Weissweinrunde noch ein restsüsser "Kultwein" von der Mosel aus einem Weingut, das es leider nicht mehr gibt und dessen sympathischer Inhaber leider vor nicht allzu langer Zeit verstorben ist:
1999er Erdener Prälat Riesling Auslese*** (Jos. Christoffel jun., Ürzig) -Mosel-
Hol Dir 10 Leute von der Strasse und lass sie diese Auslese probieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit finden alle 10, ob Kenner oder Gelegenheitsweintrinker, den Wein gut. Dieser "zeitlose" Wein macht einfach Spass: in der Nase eine wunderschöne Reife ohne jeglichen Petrolnoten, Kombination aus reifem Pfirsich, etwas Maracuja und Mango, aber alles nicht plakativ, dazu eine feine Schiefernote, die Süsse wirkt dezent und in keiner Weise pappig, dazu genau die richtige Menge an reifer Säure, sehr elegant, feine Würze, ein Leichtgewicht (8 Vol%) mit viel Extrakt, tolle Länge. Der Wein ist jetzt perfekt reif, wirkt aber so, dass man auch in 10 Jahren mit diesem Wein noch enorm Spass haben kann. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass man von diesem Wein auch notfalls ein Fläschchen allein trinken könnte.
Danach haben wir uns erstmal um die Wurst- und Käseplatte gekümmert, um neue Kräfte für die dann folgenden Rotweine zu sammeln , die dann nochmals einen draufsetzten.
Fortsetzung folgt!
LG
Bodo
letzten Freitag war es endlich soweit: die bereits für Ende 2020 vorgesehene Probe mit ausgewählten, "kultigen" (meist) Einzelflaschen konnte im kleinen Kreis mit weiteren 7 Weinfreunden stattfinden. Man wird ja nun nicht gerade jünger und es war höchste Zeit, mal ein paar Kellerschätze mit meinen Freunden zu teilen. "Kultweine" sind in der Regel Weine mit sehr hoher Qualität, bei denen die Nachfrage die Produktionsmenge übersteigt, was wiederum meist zu "saftigen" Preisen führt. Im Sinne einer vertretbaren Teilnehmerumlage (hier 130 EURO incl. Brotzeit und Aperitif-Champus) wurden nicht nur weltweit gefragte "Blue Chips", sondern auch Kultweine berücksichtigt, die eher eine regionale Bedeutung oder einen durchaus internationalen, aber spezialisierten Liebhaberkreis haben.
Ich habe 12 Weine (5x weiss, 7x rot) aus meinem Keller ausgewählt und in eine halbwegs sinnvolle Reihenfolge gebracht. Die übrigen Teilnehmer probierten "blind", wobei nach jedem Wein auch gleich die Auflösung präsentiert wurde. Die einzige Aufgabe der Teilnehmer, neben dem Weingenuß, bestand darin, nach Abschluss der Probe seine 3 Favoriten (Platz 1,2 und 3) zu nennen, so dass ein sicherlich nicht repräsentatives "Beliebtheits-Ranking" entstehen konnte.
Soviel vorneweg: kein Korkschmecker, keine Ausfälle, meine Erwartung wurden größtenteils sogar übertroffen
Als Apero gab es folgenden ausgezeichneten Blanc de Blancs-Champus:
---- "Les Vignes de Montgueux" BdB Extra Brut (Jacques Lassaigne)
sehr feine Perlage, glockenklarer Chardonnay mit zarten Briochenoten, leicht rauchig-würzig, perfekte Harmonie,sowohl frisch als auch gehaltvoll,macht sehr viel Spass. Verdammt hohe Einstiegs-Qualität von diesem leider nicht mehr so unbekannten Winzer.
Dann kam der "amtliche Teil" mit zunächst 5x weiss, bei dem folgender Wein den Einstieg machen musste:
2013er Sulzfelder "Creutz" Ur-Sylvaner QW tr. (Luckert, Sulzfeld) -Franken-
Mit Sicherheit der "Kult-Sylvaner" schlechthin (400 wurzelechte Rebstöcke Gelber Sylvaner, gepflanzt Ende des 19. Jahrhunderts, mitten im Sulzfelder Wohngebiet, denen schon die Rodung drohte und wieder durch die Luckerts augepäppelt wurden) und der möglicherweise teuerste trockene Weißwein mit Schraubverschluss
Doch zurück zum Wein: etwas schlanker als der 2012er (12,5 Vol%), aber mit etwas mehr Frische, wenig Frucht, extrem mineralisch mit kalkigen Akzenten,leicht wachsig, in der Nase Honignoten und Kräuter, wirkt reif und in sich ruhend. Die meisten Teilnehmer haten sich etwas mehr versprochen; im Bezug auf die aktuellen Jahrgangspreise (100 EURO ab Weingut, damals noch ca. die Hälfte) und die Erwartungen eine leichte Enttäuschung, wobei man zur Ehrenrettung sagen muss, dass der Wein -Rest sich am nächsten Tag mit kräftigeren Kräuternoten doch besser präsentierte als am Probentag. Wir jammern hier aber immer noch auf sehr hohem Niveau
Danach folgte ein immer noch "bezahlbarer" Kult-Wein:
2017er Ried Zieregg Sauvignon blanc QW tr. (Tement, Berghausen) -Steiermark-
sicherlich einer der Benchmarks für klassisch kühl-mineralische Sauvignons: zuerst sehr verschlossen, enorme Mineralität, Hauch Gerbstoff, saftige Säure, mit Luft kommen auch die sortentypischen Aromen (Hauch Paprika, Stachelbeere), aber nichts ist hier laut oder ordinär, saftig-kühl, perfektes Spiel aus Frucht, Würze und Mineralität, gute Länge. Ein absolut überzeugender Sortenvertreter, der auch mit den besten Loire-Vertretern in seiner eigenen Stilistik locker mithalten kann.
Bei dem nun folgenden Wein mit perfekter Füllhöhe ist leider der Korken komplett zerbröselt, so dass der Wein erst komplett durch einen "Melitta-Filter" geseiht werden musste, was ihm aber in keiner Weise geschadet hat:
2004er Westhofener Kirchspiel Riesling GG (Keller, Flörsheim-Dalsheim) -Rheinhessen-
Keller ist mittlerweile auch international Kult, was die teilweise irrwitzig hohen Preise nach sich zieht. Auch das Kirchspiel (damaliger Preis knapp 20 EURO!) ist natürlich hiervon betroffen, zumal der anfangs unterschätzte 2004er einer der allerbesten, wenn nicht sogar der beste, jemals abgefüllte Keller-Kirchspiel-Riesling ist. Unser Exemplar hat das voll bestätigt:
wunderbares, reichhaltiges Parfum nach Weinbergspfirsich, Agrumen,trotzdem nichts plüschiges, messerscharf konturiert, am Gaumen eine nahezu perfekte Harmonie bei unglaublicher Frische (der Wein wurde locker 5-10 Jahre jünger eingestuft), sehr tiefe Frucht, hohe Extraktsüsse mit wohl ein paar Gramm Restzucker, die dem Wein aber gut zu Gesicht stehen,demgegenüber steht eine geniale, reife Säure, die für einen Frischekick sorgt und den Wein in einen sehr langen Abgang führt. Ein Weltklasse-Riesling, der aus dem Gedächtnis heraus sogar den im Rahmen einer Probe spendierten Versteigerungswein 2009er A.D.L. von Emrich-Schönleber hinter sich lässt. Davon hätte man tatsächlich ein paar Flaschen mehr kaufen sollen
Auf den folgenden Wein war ich sehr gespannt, weil ich noch nie einen gereiften Vertreter aus diesem Weingut getrunken habe:
1996er Domaine de Chevalier blanc Pessac-Leognan (Olivier Bernard) -Bordeaux-
ein höchst spannender Wein: in der Nase zunächst dezente Reife-/Oxidationsnoten mit einem Hauch Karamell, angenehme Barriquenoten, die Nase verleitete einige vorschnell, auf die Gran Reserva von Tondonia zu tippen, trotzdem auch tolle Würze mit einem Hauch Gelbfrucht, am Gaumen knalltrocken mit laserartiger, aber reifer Säure, steinige Mineralität, kühle Stilistik, auf angenehme Weise fordernd, aber alles andere als mager, spannender Kontrast aus reifer Nase und springlebendiger Frische am Gaumen, mit mehr Luft wird der Wein immer frischer, tolle Stilistik mit hohem Wiedererkennungswert. Gefiel allgemein in der Runde.
Zum Abschluss der Weissweinrunde noch ein restsüsser "Kultwein" von der Mosel aus einem Weingut, das es leider nicht mehr gibt und dessen sympathischer Inhaber leider vor nicht allzu langer Zeit verstorben ist:
1999er Erdener Prälat Riesling Auslese*** (Jos. Christoffel jun., Ürzig) -Mosel-
Hol Dir 10 Leute von der Strasse und lass sie diese Auslese probieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit finden alle 10, ob Kenner oder Gelegenheitsweintrinker, den Wein gut. Dieser "zeitlose" Wein macht einfach Spass: in der Nase eine wunderschöne Reife ohne jeglichen Petrolnoten, Kombination aus reifem Pfirsich, etwas Maracuja und Mango, aber alles nicht plakativ, dazu eine feine Schiefernote, die Süsse wirkt dezent und in keiner Weise pappig, dazu genau die richtige Menge an reifer Säure, sehr elegant, feine Würze, ein Leichtgewicht (8 Vol%) mit viel Extrakt, tolle Länge. Der Wein ist jetzt perfekt reif, wirkt aber so, dass man auch in 10 Jahren mit diesem Wein noch enorm Spass haben kann. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass man von diesem Wein auch notfalls ein Fläschchen allein trinken könnte.
Danach haben wir uns erstmal um die Wurst- und Käseplatte gekümmert, um neue Kräfte für die dann folgenden Rotweine zu sammeln , die dann nochmals einen draufsetzten.
Fortsetzung folgt!
LG
Bodo