Mi 1. Dez 2021, 22:27
... und weiter geht es mit den roten "Kultweinen":
Zu Beginn der roten Runde gibt es einen Rotwein, der einen relativ treuen, aber ncht weltumspannenden Fankreis besitzt. Darum bleiben die Preise weiterhin auf dem Teppich, auch wenn dieser Wein relativ selten im deutschen Weinhandel auftaucht:
2011er Domaine de Trevallon Rouge Alpilles IGP (Domaine de Trevallon) -Provence-Cuvee aus hälftig Syrah und Cabernet Sauvignon
In der Nase deutliches, aber angenehmes Bret, Cassis, Brombeere, Kirsche, Graphit, Zedernholz, alle tippten sofort auf Bordeaux, kühle, elegante Stilistik, auch am Gaumen kühl und elegant, saftige Säure, nur mittelgewichtig (12,5 Vol%), Blaubeere, Cassis, zarte Holzuntermalung,gute Länge. Sehr stimmiger, in sich ruhender Wein, der manchen Bordeaux-Wein qualitativ weit hinter sich lässt. Jetzt toll zu trinken, aber kann durchaus noch einige Jahre gelagert werden.
Für den nächsten Wein verlassen wir Europa, um einen der noch relativ jungen "Kultweine" aus Südafrika zu verkosten:
2016er "Cuvee Columella" Swaartland W.O.(Eben Sadie) -Südafrika-75% Syrah/23% Mourvedre/2% Grenache
Sehr jugendlicher, noch-primärfruchtiger Charakter, Preiselbeere, Cassis, zartes Holztönchen, Rhone-Stilistik, einige Tiefe, aber (noch?) nicht komplex, Alkohol (13,5 Vol%) gut eingebunden, gute Tiefe und Länge, aber auf hohem Niveau etwas monolithisch. Leider ein Einzelflaschen-Mitbringsel von einem Südafrika-Trip in 2019, so dass die weitere Entwicklung nicht mehr verfolgt werden kann. Im hiesigen Handel deutlich dreistellig, vor Ort zahlt man nur etwa die Hälfte.
Als nächstes kam ein absoluter Leckerbissen:
2006er Charmes-Chambertin Grand Cru (Armand Rousseau, Gevrey-Chambertin) -Bourgogne-Was für eine superelegante Nase: Hauch Himbeere, Süsskirsche, etwas sous bois, Hauch Pilze, hier passt alles, nichts ist zuviel oder zu wenig, auch am Gaumen finessenreich und komplex, zarte Säure, sehr feinkörniges, schon fast abgeschmolzenes Tannin, nur mittelgewichtig trotz 13,5 Vol%, am Gaumen ein Mix aus roten Beeren und delikater Würze, langer, fruchtig-würziger Abgang. Es gibt vielleicht Burgunder mit noch mehr Extrakt und Extraktsüsse, aber kaum einen eleganteren und finessereicheren !! Es ist schon nachvollziehbar, dass fast jeder ambitionierte Pinot-Winzer die Weine von Rousseau als Vorbild hat. Absolute Weltklasse ! Wie muss dann erst der allerdings unbezahlbare Chambertin dieses Winzers schmecken....
P.S.: wir hatten vor 2 Jahren anlässlich einer großen Pinot-Verkostung den 2008er Charmes-Chambertin dieses Erzeugers, der aber vielleicht auch jahrgangsbedingt meilenweit von der Qualität des 2006er entfernt war.
Weiter ging es mit einem Wein, der erst mit dem Jahrgang 2013 (100 Galloni-Punkte) zum Kultwein avancierte und seitdem fast komplett vom Primär-Markt verschwunden ist. Der Hype betrifft natürlich auch die älteren Jahrgänge wie den folgenden, der sich jetzt in einer schönen Reifephase befindet:
2006er Barolo "Vigneto Monvigliero" (Comm. G. B. Burlotto, Verduno) -Piemont-sicherlich einer der subtilsten, elegantesten Barolos am Markt mit hohem Wiedererkennungswert (konnte erst kürzlich bei den von Harti genial veranstalteten Barolo-Proben nachvollzogen werden), sehr ätherische Nase mit Cassis, Brombeere und zarter Walderdbeere, elegant mit etwas Burgund-Feeling, komplex und elegant, dies setzt sich nahtlos auch am Gaumen fort, saftige Säure, noch deutliches, aber feines Tannin, dunkle Beeren,leicht kräutrige Würze, Alkohol(14 Vol%) bestens integriert, die Aromatik bleibt retronasal lange haften. Hervorragender Barolo von einzigartiger Stilistik, der jetzt in bester Reife ist, aber problemlos noch 5-10 Jahre weiterreifen kann.
Weiter ging es mit einem weiteren "Kult-Unikat", der ebenso wie der Vorgänger einzigartig ist und einen extrem treuen Fankreis besitzt. Das führt dazu, dass der Wein zwar "relativ" bezahlbar bleibt, aber fast immer und überall ausverkauft ist. Der Wein beweist auch warum:
1995er Vina Tondonia Rioja Gran Reserva (Lopez de Heredia, Haro) -Rioja-Schon beim Öffnen eine Duftwolke aus tausendundeiner Nacht, reife dunkle Früchte, Zedernholz, Tabak feinster Güte, dezent Pfeffer, tolle Ätherik,unheimliche Frische, wirkt wesentlich jünger und intensiver als die kürzlich verkostete 2005er Riserva aus gleichem Hause, die Nase verdient glatte 100 Punkte.
Am Gaumen dann deutlich straffer, saftige Säure, die für viel Frische sorgt, noch Spuren von Tannin, völlig untergeordneter Alkohol (12,5 Vol%), unheimlicher Trinkfluss, aromatische Länge. Ein echtes Unikat mit 10-jähriger Fasslagerung, der keinerlei Alterungsnoten aufweist. Großes Kino, nicht nur für Liebhaber dieser Stilistik.
Als nächstes kommt ein "Blue-chip-Wein", der gerade für deutsche Weintrinker aufgrund des geschichtlichen Hintergrundes und des abgebildeten Baselitz-Gemälde einen besonderen Mehrwert darstellt. Die meisten werden jetzt schon wissen, welcher Wein jetzt kommt:
1989er Chateau Mouton-Rothschild 1er Grand Cru Classe Pauillac -Bordeaux-ein Wein, der in seiner Jugend (verkostet Mitte der 90er Jahre) schon recht ausgereift wirkte, aber erstaunlicherweise sich immer noch oder jetzt erst Recht in blendender Verfassung zeigt:
ganz feine Bret-Note, Havanna-Tabak, Zedernholz, eine Spur Graphit, altes Leder, absolut elegant und nur mittelgewichtig, absolut klassisch, auch am Gaumen hervorragend gereift, Tannin noch nicht ganz abgeschmolzen, perfekte Säure, sublimer, nur unterstützender Holzeinsatz, perfekter Mix aus knapp reifer Dunkelfrucht und bezwingender Würze, große, aromatische Länge.
Großartiger, perfekt gereifter Mouton mit Eleganz und selbstverständlicher Klasse. Jetzt wunderschön zu trinken, aber ohne jegliche Eile. Die weitere Entwicklung kann ich leider nicht mehr nachverfolgen...
Zum Abschluss bleiben wir im Gebiet, wenden uns aber einem speziellen, cabernet-betonten Jahrgang zu (Stichwort Tschernobyl), der mittlerweile zu meinen Lieblingsjahrgängen zählt. Der folgende Wein ist ein absoluter Volltreffer:
1986er Chateau Margaux 1er Grand Cru Classe Margaux -Bordeaux-trotz 3-stündigem Dekantieren zunächst etwas zurückhaltend, man merkt aber sofort die große Fruchttiefe des Weins, für Margaux-Verhältnisse aufgrund des hohen Cabernet-Anteils vielleicht etwas untypisch, aber die Finesse und Eleganz dieses Weins ist unverkennbar, mit der Zeit taucht immer mehr Cassis und Kirsche auf, tiefe Würze, ganz zart kräutrig, sehr komplex, am Gaumen unheimlich tief mit noch einiger Festigkeit, sehr feinkörniges Tannin, elegante Extraktsüsse, tolle Würze, kommt immer mehr aus sich raus, sehr langer, komplexer Abgang. Ein genialer Mix aus Margaux mit dezenten Latour-Genen
Weltklasse-Bordeaux, der jetzt mit Luft schon enorm viel Spass macht, aber in 5-10 Jahren noch genialer sein könnte. Der Korken war aber schon etwas brüchig, so dass wir sicherlich den richtigen Zeitpunkt erwischt haben.
So, das wars mit den kultigen Weinen. Vielen Dank an alle Teilnehmer, die sehr wahrscheinlich auch ihren Spass mit den Weinen hatten.
Einige hiervon werden wir wohl nicht mehr in diesem Leben probieren können, aber andere Mütter haben auch schöne Töchter
In diesem Sinne werden wir uns übermorgen in den Räumen der örtlichen VHS mit tollen Schaumweinen (Champagner, Cava, Sekt und Spumante) trösten können
Ich werde berichten !
P.S: Auch wenn hier teilweise Äpfel mit Birnen verglichen wurden, was waren wohl eurer Meinung nach die 3 Top-Weine des Abends ??
LG
Bodo
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weinaffe am Do 2. Dez 2021, 15:11, insgesamt 1-mal geändert.