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Verkostungsbericht - Chardonnay international

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stollinger

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Verkostungsbericht - Chardonnay international

BeitragFr 1. Jan 2021, 16:48

Hallo,

vorgestern habe ich mit meiner Weinrunde eine (online) Verkostung von acht Chardonnay gemacht. Wir haben die Weine blind verkostet, wussten aber vorher welche Weine dabei sind. Es waren hauptsächlich Übersee-Chardonnay, stilistisch waren eher kräftige, moderne Chardonnay mit viel BSA und Holz ausgewählt. Das Niveau war insgesamt recht hoch, nicht unbedingt preiswert, stilistisch tendenziell etwas anstrengend. Ich hatte auch bei den meisten Weinen den Eindruck, dass sie recht stark geschwefelt sind.

Mit dem ersten Flight fing es recht stark an, der erste Wein, ein Wein aus Neuseeland, war später auch der Gesamtsieger. Beiden merkt man die malolaktische Gärung als Stilelement deutlich an, haben auch beide deutlich Neuholz.

Neudorf Vineyards - Rosie's Block Chardonnay - Nelson - 2018:

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Das ist sehr ansprechend gemacht, das Neuholz präsent, aber von Qualität und gut dosiert. Ein recht reichhaltiger und reifer Stil, aber die schöne Phenolik sorgt für Spannung.

Domaine Marguerite Carillon - Santenay - 2017:

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Ich glaube, das Weingut wird viel über die großen Handelsketten in Frankreich vertrieben, man findet eigentlich nichts im Netz darüber. Der Wein ist ganz gut gemacht, etwas geschminkt. Der hat viel Holz, von nicht ganz so toller Qualität, was sich m.M. nach in etwas zu holzigen-stumpf-pappigen Gerbstoffen zeigt. Vielleicht integriert sich das mit der Zeit besser.

Der dritte Wein schmeckt weniger nach malolaktischer Gärung. Mit seiner reifen Frucht und auch etwas Botrytis erinnerte er mich etwas ans Maconnais. Die Trauben stammen aus Zukauf.

Joel Gott Wines - Chardonnay - Santa Barbara County - 2016:

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Ich würde meinen, der war auch im Holz, aber nur wenig oder kein Neuholz. Die Struktur gefällt mir gut, der Wein hat ein sehr dominantes Fruchtaroma. Ich könnte mir vorstellen, dass mit etwas Reife die Frucht zurückgeht und die würzigen Aromen präsenter werden, wovon der Wein profititeren sollte. So richtig klar ist die Frucht jedoch nicht, und charmant wird sie m.M. nach nie werden.

Stilistisch reiht sich der vierte Wein, aus Südafrika, wieder bei den beiden ersten ein, er ist aber etwas einfacher.

Paul Cluver - Estate Chardonnay - Elgin - 2018:

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Ohne merkliche Feinheit, recht schematisch, ist ja auch nur ein Estate-Wein.

Der dritte Flight fiel qualitativ gegenüber den ersten beiden etwas ab.

Weingut Dr. Wehrheim - Birkenweiler Chardonnay Keuper - 2018:

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Wir haben die Weine ja blind verkostet, aber keine Zuordnung versucht. Ich trinke so gut wie nie Übersee-Weine und wüsste auch nicht, woran ich mich orientieren soll. Der deutsche Wein aus 2018 war aber wieder unverkennbar und leicht heraus zu schmecken. Eine für mich doch etwas typisch, deutsche Chardonnay-Art, mit diesen reduktiven und pflanzlichen Aromen in der Nase, die ich durchaus ganz gerne mag. Aber vor allem der Jahrgang 2018 entlarvt sich, mit etwas Überreife und dem so charakteristisch leeren Körper und der fehlenden Struktur.

Vom Breitengrad recht ähnlich, so ca. 49.2°- 49.3°, aus Canada, kommt dann dieser Wein.

Nighthawk Vineyards - Chardonnay - Okanagan Valley - 2016:

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Der ist zwar recht gewöhnlich, aber ich fand ihn recht angenehm zu trinken. Der hat nicht ganz so viel BSA und Neuholz wie viele der vorangegangenen Weine. Das war für mich einen angenehme Abwechslung.

Der letzte Flight startet mit dem teuersten Wein im Feld, von der australischen Westküste.

Vasse Felix - Heytesbury Chardonnay - Margaret River - 2017:

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Der ist gut vinifiziert, vielseitig und klar, ich meine auch es ist etwas Botrytis dabei. Das Neuholz hat eine sehr gute Qualität und ist geschickt eingesetzt, ohne vordergründig zu sein. Trotzdem deutlich zu teuer. In der Gruppe ist der Wein im Mittelfeld gelandet.

Als letztes kam mein persönlicher Favorit, in der Gruppe kam der Wein aber auf den letzten Platz :D . Stilistisch fiel dieser Österreicher aber merklich aus der Reihe.

Tement - Ried Rossberg Morillon - 2017:

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Das ist ja schon ziemlich naturweinmäßg (oder ist das sogar Naturwein?). Die chemischen Noten, Kleber und Papier dazu, kamen bei einigen gar nicht an. Ich finde der Wein ist auf einem sehr hohen Niveau, ich kann schwer sagen, wie ich ihn ausserhalb der Verkostung mit seiner Reihenfolge empfunden hätte. Am Ende der Verkostung war ich einfach ganz froh, dass nicht noch ein eher kräftiger, internationaler Wein mit viel Neuholz und BSA zu trinken war; in der Masse habe ich das als recht anstrengend empfunden. Beim Tement kommt viel von der Feinhefe, was ich generell recht gerne mag, vielleicht aber insgesamt auch mir etwas zu schräg der Wein.

Ich war am nächsten Tag überrascht, wie schlecht ich die, oder einige, der Weine vertragen habe. In Summe habe ich ca. 0.5 Liter Wein an dem Abend getrunken, das reicht bei mir für eine merkliche Berauschtheit, angeschlagen bin ich davon am nächsten Tag eigentlich nicht. Ich hatte recht ausgeprägte Kopfschmerzen, was bei mir wirklich sehr selten der Fall ist, die auch nach Zeit an der frischen Luft nicht verschwinden wollten.

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Verkostungsbericht - Chardonnay international

BeitragFr 1. Jan 2021, 17:34

International kann ich auch überhauptnicht mitreden; nicht meine Baustelle.
stollinger hat geschrieben:Tement - Ried Rossberg Morillon - 2017:
[...]
Das ist ja schon ziemlich naturweinmäßg (oder ist das sogar Naturwein?).
Ich fang ja mit Tement et al. erst an, aber was ich bisher im Glas hatte, hatte mit "Naturwein" nicht so viel zu tun. Heißt natürlich für diesen, den ich nicht kenne, garnix. Könnten es die 18 (manche schreiben sogar: 24) Monate Feinhefelager sein, die bei Dir diesen Eindruck hervorrufen? Leider habe ich kein Datenblatt gefunden, das etwas über z.B. Maischestand verraten könnte.
Besten Gruß, Karsten
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stollinger

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Re: Verkostungsbericht - Chardonnay international

BeitragFr 1. Jan 2021, 17:50

Hi Karsten,

ich habe mir offengestanden über den Begriff Naturwein bei der Verwendung wenig Gedanken gemacht, vielleicht habe ich ihn einfach falsch verwendet. Nach einer langen Maischestandzeit schmeckt der Wein nicht, und wirkt auch nicht so. Wie du schon schreibst, der ist von einer langen Hefestandzeit geprägt. Ein bisschen freakig schon, ich hatte aber das Gefühl, das ist so gewollt und fügte sich für meinen Geschmack auch gut ein.

Grüße, Josef

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