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Hallo zusammen,
letzten Freitag haben sich wieder einige Weininteressierte in der örtlichen VHS getroffen, um die Weine vom anderen Ende der Welt zu probieren. Da ich vor kurzem Neuseeland und seine Weinbaugebiete 6 Wochen lang bereisen und den einen oder anderen Wein im Gepäck importieren konnte, lag der Fokus bei dieser Probe ein klein wenig mehr auf den "Kiwi"-Weinen als auf den Aussie-Pendants.
Insgesamt 15 Weine waren im Angebot (7x weiss, 8x rot). Da bis auf 2 Flaschen alles verschraubt war, gab es auch keinerlei korkbedingte Ausfälle. Die Qualität der Weine war insgesamt erfreulich hoch, bis auf den als Pirat und abschreckendes Beispiel eingeschmuggelten Markenwein aus Australien, der aber wenigstens trotzdem einigermaßen trinkbar war.
Die wie immer "blind" verkosteten Weine wurden nicht ländermäßig getrennt, sondern bewusst abwechselnd präsentiert, um die durchaus unterschiedlichen Länderstile besser herausarbeiten zu können.
Zunächst die Weißweine:
2021er Marsanne/Roussanne Margaret River (Mc Henry Hohnen, Witchcliffe) -Westaustralien-
Cuvee aus 2 Weinbergen mit unterschiedlichen Böden (eisenhaltiger Lehm und Schiefer), 61 % Marsanne, 39 % Roussanne, 10 Monate Ausbau in französischen Barriques (25 % neu), 13 Vol%, bio-dyn. Erzeugung.
Gelungene Cuvee mit überraschend kühlem Grundcharakter, elegante Gelbfrucht mit feinfühligem Holzeinsatz, gute Länge. Ein sehr gelungener Vertreter aus einer der kühlsten Lagen Australiens. Ca. 22 EURO im hiesigen Handel.
Nun folgten 2 Sauvignon blancs aus "Kiwi-Land", die quasi als Antipoden die mittlerweile enorme Stilistikbreite dieser Rebsorte in Neuseeland aufzeigen:
2023er Sauvignon blanc Marlborough (Cloudy Bay, Blenheim) -Neuseeland-
Dieser Wein war quasi der "Urknall" des modernen neuseeländischen Weines, der nicht nur mich bei der erstmaligen Präsentation des 1987er richtig geflasht hat. Der Wein hat auch bis heute seinen Stil nicht geändert: überwältigend frische Frucht schon in der Nase, ein Potpourri aus Stachelbeere, Cassis, Passionsfrucht und angenehm grünen, pflanzlichen Eindrücken (Brennnessel, Zitronenmelisse, gelbe Paprika), das setzt sich auf der Zunge fort, knackige, aber nicht spitze Säure (7,3 Promill), fast komplett trocken (2,1 gr. RZ), trotz 13,5 Vol% eher mittelgewichtig wirkend, exotische Frucht mit gemüsig/pflanzlichen Aspekten, klirrend frisch, eine beeindruckende Fruchtbombe, die dennoch nicht ermüdend wirkt. Auch wenn der Wein etwas plakativ und wenig komplex daherkommt, lässt er garantiert keinen kalt, egal ob Gelegenheitsweintrinker oder Weinfreak. Dieser Wein hat natürlichen den Marlborough -S.-Bl.-Stil maßgeblich geprägt und findet eifrige Nachahmer. Dass diese Rebsorte auch völlig anders schmecken kann, beweist der nächste Sauvignon blanc aus derselben Weinbauregion:
2018er "Section 94" Sauvignon blanc Marlborough (Dog Point Vineyard) -Neuseeland-
Interessanterweise haben die beiden Inhaber dieses Weinguts vorher bei Cloudy Bay gearbeitet, wollten aber nach der Übernahme von Cloudy Bay durch den LVMH-Konzern lieber eigene, handwerklich erzeugte Weine in einer anderen, weniger plakativen Stilrichtung erzeugen. Das ist ihnen sehr gut gelungen:
Die Nase geht deutlich in eine dezentere Aromatik ala Steiermark oder Loire, auch wenn der aus einem warmen Jahr stammende Wein eine reifere Nase zeigt, angenehme Holznote, dezente Cassis und Stachelbeernoten, ein Hauch Honig, dezente Reduktion, am Gaumen komplett trocken, der Wein ist reif, hat aber enormen Zug, die 14,5 Vol% !!! sind super integriert, komplex und kraftvoll, aber nichts Knalliges oder Lautes, tolle Länge. Der Wein wurde lange auf der Vollhefe ausgebaut, spät abgefüllt (late release) und nicht geschönt oder filtriert. Eine Benchmark für den weniger fruchtbetonten Sauvignon blanc-Stil, der mir in den nicht so warmen Jahren mit dann 13,5 Umdrehungen noch besser gefällt. Ca. 38 EURO im hiesigen Weinhandel.
2021er Riesling "Springvale" Clare Valley (Grosset, Auburn) -Australien-
Das nördlich von Adelaide gelegene Clare Valley wird wegen seiner sanft geschwungenen Hügellandschaft und den alleinstehenden Bäumen gerne als Toskana Australiens bezeichnet. Das Clare Valley gilt als Australiens bestes Riesling-anbaugebiet. Und Jeffrey Grosset gilt als Großmeister dieser Rebsorte: sehr typische Nase nach Agrumen, Pfirsich, minimale Schiefer/Petrolnote, elegant, mit knapp 13 Vol% angenehm mittelgewichtig, glasklar am Gaumen, ein Riesling-Typ, der durchaus auf Augenhöhe mit guten deutschen Rieslingen liegt und in einer Probe mit deutschen Rieslingen als Pirat wohl kaum auffallen würde. Es wurden ausschließlich deutsche Riesling-Klone in dieser 6 ha grossen Einzellage gepflanzt, zertifiziert bio-dyn. Bewirtschaftung. Einziger Knackpunkt: der Wein kostet im hiesigen Handel gut 30 EURO.... und für weniger Geld gibt es natürlich jede Menge gute, deutsche Rieslinge.
2019er Chardonnay "Tiritiri" Nelson-Moutere (Neudorf, Nelson) -Neuseeland-
das noch wenig bekannte Anbaugebiet Nelson im Norden der Südinsel ist eine der interessantesten Adressen für hochwertigen Chardonnay. Das Weingut Neudorf hat zwar deutsche Wurzeln, wird aber mittlerweile durch Tim und Judy Finn in bester Art und Weise geführt: sehr elegante Nase mit perfektem, nur unterstützenden Holzeinsatz, ganz zarte Gelbfrucht, am Gaumen komplett trocken, leicht extraktsüss, dann aber genügend Struktur und Grip, kein lauter Chardonnay, sondern ganz im Stile eines Bourgogne, vielleicht ein Hauch mehr Frucht, was diesem Wein aber sehr gut steht. Sehr gelungener Sortenvertreter mit gutem Preis-Leistungsverhältnis (ca. 23 EURO im hiesigen Handel).
2016er "Vat 1" Semillon Hunter Valley (Tyrrell's, Pokolbin) -Australien-
Wenn es bei der praktischen Master of Wine-Prüfung bei einer Frage um die Rebsorte Semillon geht, kann man fast sein Vermögen verwetten, dass der obengenannte Icon-Wein mit im Spiel ist. Das Hunter Valley, 2,5 Autostunden nördlich von Sydney gelegen, ist ein sehr warmes, fast subtropisch warmes Anbaugebiet. Daher grenzt es fast an ein Wunder, dass Tyrrell's einen solch alkoholleichten (11 Vol% !!!), aber dennoch frischen und gehaltvollen Wein erzeugen kann. Sehr feine, dezent gelbfruchtige Nase, etwas Feuerstein, elegant, am Gaumen trocken, aber in keiner Weise dünn oder sauer, sehr ausgewogen, hefige Frische, die fast 8 Jahre Reife ist in keiner Weise spürbar, mittelgewichtig, zarter Abgang. Sehr ungewöhnlicher, einzigartiger Wein, der trotz seiner Alkoholleichtigkeit sehr gut reifen kann.
Leider nicht ganz billig (ca. 47 EURO im hiesigen Handel).
Als Abschluss der Weissweinrunde etwas Edelsüsses aus Neuseeland:
2022er Noble Riesling Marlborough (Framingham Wines, Renwick) -Neuseeland-
Framingham ist zu Recht bekannt für seine exzellenten Rieslinge, wobei vor allem die edelsüssen Bortrytis-Exemplare begeistern: ultraklare, feine Bortrytisnase, reifer Pfirsich, tropische Früchte, perfektes Süsse-/Säure-Verhältnis, feine Honignote auf der Zunge, lupenreine, gebirgsquellartige Frucht, bestens austarierende Säure, ein tänzelnder Süsswein mit 9 Vol%, der animierend und überhaupt nicht klebrig rüberkommt. Entspricht einer sehr guten deutschen Beerenauslese, erinnert im Stil an die Süssweine von Horst Sauer. Top-Qualität (vor Ort ca. 31 EURO/halbe Flasche).
Fortsetzung folgt in Kürze mit den Rotweinen aus down under.
LG
Bodo
letzten Freitag haben sich wieder einige Weininteressierte in der örtlichen VHS getroffen, um die Weine vom anderen Ende der Welt zu probieren. Da ich vor kurzem Neuseeland und seine Weinbaugebiete 6 Wochen lang bereisen und den einen oder anderen Wein im Gepäck importieren konnte, lag der Fokus bei dieser Probe ein klein wenig mehr auf den "Kiwi"-Weinen als auf den Aussie-Pendants.
Insgesamt 15 Weine waren im Angebot (7x weiss, 8x rot). Da bis auf 2 Flaschen alles verschraubt war, gab es auch keinerlei korkbedingte Ausfälle. Die Qualität der Weine war insgesamt erfreulich hoch, bis auf den als Pirat und abschreckendes Beispiel eingeschmuggelten Markenwein aus Australien, der aber wenigstens trotzdem einigermaßen trinkbar war.
Die wie immer "blind" verkosteten Weine wurden nicht ländermäßig getrennt, sondern bewusst abwechselnd präsentiert, um die durchaus unterschiedlichen Länderstile besser herausarbeiten zu können.
Zunächst die Weißweine:
2021er Marsanne/Roussanne Margaret River (Mc Henry Hohnen, Witchcliffe) -Westaustralien-
Cuvee aus 2 Weinbergen mit unterschiedlichen Böden (eisenhaltiger Lehm und Schiefer), 61 % Marsanne, 39 % Roussanne, 10 Monate Ausbau in französischen Barriques (25 % neu), 13 Vol%, bio-dyn. Erzeugung.
Gelungene Cuvee mit überraschend kühlem Grundcharakter, elegante Gelbfrucht mit feinfühligem Holzeinsatz, gute Länge. Ein sehr gelungener Vertreter aus einer der kühlsten Lagen Australiens. Ca. 22 EURO im hiesigen Handel.
Nun folgten 2 Sauvignon blancs aus "Kiwi-Land", die quasi als Antipoden die mittlerweile enorme Stilistikbreite dieser Rebsorte in Neuseeland aufzeigen:
2023er Sauvignon blanc Marlborough (Cloudy Bay, Blenheim) -Neuseeland-
Dieser Wein war quasi der "Urknall" des modernen neuseeländischen Weines, der nicht nur mich bei der erstmaligen Präsentation des 1987er richtig geflasht hat. Der Wein hat auch bis heute seinen Stil nicht geändert: überwältigend frische Frucht schon in der Nase, ein Potpourri aus Stachelbeere, Cassis, Passionsfrucht und angenehm grünen, pflanzlichen Eindrücken (Brennnessel, Zitronenmelisse, gelbe Paprika), das setzt sich auf der Zunge fort, knackige, aber nicht spitze Säure (7,3 Promill), fast komplett trocken (2,1 gr. RZ), trotz 13,5 Vol% eher mittelgewichtig wirkend, exotische Frucht mit gemüsig/pflanzlichen Aspekten, klirrend frisch, eine beeindruckende Fruchtbombe, die dennoch nicht ermüdend wirkt. Auch wenn der Wein etwas plakativ und wenig komplex daherkommt, lässt er garantiert keinen kalt, egal ob Gelegenheitsweintrinker oder Weinfreak. Dieser Wein hat natürlichen den Marlborough -S.-Bl.-Stil maßgeblich geprägt und findet eifrige Nachahmer. Dass diese Rebsorte auch völlig anders schmecken kann, beweist der nächste Sauvignon blanc aus derselben Weinbauregion:
2018er "Section 94" Sauvignon blanc Marlborough (Dog Point Vineyard) -Neuseeland-
Interessanterweise haben die beiden Inhaber dieses Weinguts vorher bei Cloudy Bay gearbeitet, wollten aber nach der Übernahme von Cloudy Bay durch den LVMH-Konzern lieber eigene, handwerklich erzeugte Weine in einer anderen, weniger plakativen Stilrichtung erzeugen. Das ist ihnen sehr gut gelungen:
Die Nase geht deutlich in eine dezentere Aromatik ala Steiermark oder Loire, auch wenn der aus einem warmen Jahr stammende Wein eine reifere Nase zeigt, angenehme Holznote, dezente Cassis und Stachelbeernoten, ein Hauch Honig, dezente Reduktion, am Gaumen komplett trocken, der Wein ist reif, hat aber enormen Zug, die 14,5 Vol% !!! sind super integriert, komplex und kraftvoll, aber nichts Knalliges oder Lautes, tolle Länge. Der Wein wurde lange auf der Vollhefe ausgebaut, spät abgefüllt (late release) und nicht geschönt oder filtriert. Eine Benchmark für den weniger fruchtbetonten Sauvignon blanc-Stil, der mir in den nicht so warmen Jahren mit dann 13,5 Umdrehungen noch besser gefällt. Ca. 38 EURO im hiesigen Weinhandel.
2021er Riesling "Springvale" Clare Valley (Grosset, Auburn) -Australien-
Das nördlich von Adelaide gelegene Clare Valley wird wegen seiner sanft geschwungenen Hügellandschaft und den alleinstehenden Bäumen gerne als Toskana Australiens bezeichnet. Das Clare Valley gilt als Australiens bestes Riesling-anbaugebiet. Und Jeffrey Grosset gilt als Großmeister dieser Rebsorte: sehr typische Nase nach Agrumen, Pfirsich, minimale Schiefer/Petrolnote, elegant, mit knapp 13 Vol% angenehm mittelgewichtig, glasklar am Gaumen, ein Riesling-Typ, der durchaus auf Augenhöhe mit guten deutschen Rieslingen liegt und in einer Probe mit deutschen Rieslingen als Pirat wohl kaum auffallen würde. Es wurden ausschließlich deutsche Riesling-Klone in dieser 6 ha grossen Einzellage gepflanzt, zertifiziert bio-dyn. Bewirtschaftung. Einziger Knackpunkt: der Wein kostet im hiesigen Handel gut 30 EURO.... und für weniger Geld gibt es natürlich jede Menge gute, deutsche Rieslinge.
2019er Chardonnay "Tiritiri" Nelson-Moutere (Neudorf, Nelson) -Neuseeland-
das noch wenig bekannte Anbaugebiet Nelson im Norden der Südinsel ist eine der interessantesten Adressen für hochwertigen Chardonnay. Das Weingut Neudorf hat zwar deutsche Wurzeln, wird aber mittlerweile durch Tim und Judy Finn in bester Art und Weise geführt: sehr elegante Nase mit perfektem, nur unterstützenden Holzeinsatz, ganz zarte Gelbfrucht, am Gaumen komplett trocken, leicht extraktsüss, dann aber genügend Struktur und Grip, kein lauter Chardonnay, sondern ganz im Stile eines Bourgogne, vielleicht ein Hauch mehr Frucht, was diesem Wein aber sehr gut steht. Sehr gelungener Sortenvertreter mit gutem Preis-Leistungsverhältnis (ca. 23 EURO im hiesigen Handel).
2016er "Vat 1" Semillon Hunter Valley (Tyrrell's, Pokolbin) -Australien-
Wenn es bei der praktischen Master of Wine-Prüfung bei einer Frage um die Rebsorte Semillon geht, kann man fast sein Vermögen verwetten, dass der obengenannte Icon-Wein mit im Spiel ist. Das Hunter Valley, 2,5 Autostunden nördlich von Sydney gelegen, ist ein sehr warmes, fast subtropisch warmes Anbaugebiet. Daher grenzt es fast an ein Wunder, dass Tyrrell's einen solch alkoholleichten (11 Vol% !!!), aber dennoch frischen und gehaltvollen Wein erzeugen kann. Sehr feine, dezent gelbfruchtige Nase, etwas Feuerstein, elegant, am Gaumen trocken, aber in keiner Weise dünn oder sauer, sehr ausgewogen, hefige Frische, die fast 8 Jahre Reife ist in keiner Weise spürbar, mittelgewichtig, zarter Abgang. Sehr ungewöhnlicher, einzigartiger Wein, der trotz seiner Alkoholleichtigkeit sehr gut reifen kann.
Leider nicht ganz billig (ca. 47 EURO im hiesigen Handel).
Als Abschluss der Weissweinrunde etwas Edelsüsses aus Neuseeland:
2022er Noble Riesling Marlborough (Framingham Wines, Renwick) -Neuseeland-
Framingham ist zu Recht bekannt für seine exzellenten Rieslinge, wobei vor allem die edelsüssen Bortrytis-Exemplare begeistern: ultraklare, feine Bortrytisnase, reifer Pfirsich, tropische Früchte, perfektes Süsse-/Säure-Verhältnis, feine Honignote auf der Zunge, lupenreine, gebirgsquellartige Frucht, bestens austarierende Säure, ein tänzelnder Süsswein mit 9 Vol%, der animierend und überhaupt nicht klebrig rüberkommt. Entspricht einer sehr guten deutschen Beerenauslese, erinnert im Stil an die Süssweine von Horst Sauer. Top-Qualität (vor Ort ca. 31 EURO/halbe Flasche).
Fortsetzung folgt in Kürze mit den Rotweinen aus down under.
LG
Bodo