Mo 20. Sep 2021, 12:08
Moin,
vor einem halben Jahr schrieb UlliB:
UlliB hat geschrieben:Normalerweise würde ich da jetzt einfach mal hinfahren und mich vor Ort eindecken. Die Preise sind dort durchweg niedriger als im deutschen Handel, manchmal sind die Aufschläge hier schon wirklich sehr frech. Aber das geht ja im Moment nicht und wird wohl so bald auch nichts mehr werden
Das kann ich nach einer kurzen Piemont-Reise nicht bestätigen – vielleicht haben sich die Zeiten geändert. Die Preise bei den Weingütern sind hoch, meistens höher als bei Lobenberg (mit Club-Rabatt), manchmal ca. gleich teuer, fast nie signifikant günstiger. Mehr Auswahl hat man außerdem nicht, eher weniger (Jahrgang 2016 kriegt man ab Hof nicht mehr, rare 2017er und 2018er auch nicht). In den Enotheken sind die Aufschläge teils dreist (10%-20% teurer als in Deutschland im Onlinehandel); erst, wenn man die "richtige" Enothek erwischt hat (z. B. Fracchia in Alba), findet man einige Weine (aber längst nicht alle) günstiger als hier. Nach langem Suchen konnte ich noch einen Cavallotto Bricco Boschis 2016 abstauben. Mein Fazit: Die Preise im deutschen Handel, auch bei Lobenberg, sind gut, für eine Schnäppchenjagd lohnt sich die Reise an die Quelle nicht. Aber dafür gibt's genügend andere Gründe. Die eindrücklichsten Besuche waren bei Cavallotto und Vajra: beide Weingüter zeigten höchstes Niveau ohne Hänger über die gesamte Palette, vom Schaumwein (Vajra) oder weißen Pinot (Cavallotto) bis zu den Cru- bzw. Riserva-Barolos.
Toll ist, dass man in den Restaurants nicht nur günstig isst (selten mehr als 20€, meist 14–18€ pro Gang bei höchster Qualität), sondern für die Weine kaum mehr zahlt als im Einkauf, außerdem viele alte Weine verfügbar sind. So kamen wir z. B. in den Genuss eines Cavallotto "San Giuseppe" Riservas 2004, ein fantastischer Wein mit einem unwiderstehlichen, dichten Bouquet von gedörrten Pflaumen. Eine weitere große Entdeckung (etwas OT) war der Chardonnay Bussiador von Aldo Conterno: im Restaurant ca. 60€, fast überall ausverkauft, in einer Enotec noch für 42€ in geringen Mengen bekommen, sie wollten ihn kaum rausgeben, bei Lobenberg 49,50€ (Clubpreis), trotzdem klare Kaufempfehlung. Dichter, vollmundiger Wein mit einer tollen Balance zwischen buttriger Textur, zitrisch-mineralischer Frische und feiner, reifer heller Frucht, das Holz deutlich aber perfekt integriert.
Die Vajra-Barolos fanden wir alle überzeugend, Alba und Bricco delle Viole 2017 mit mehr Frische und roter Frucht als Coste di Rose. Überhaupt scheint Vajra den heißen Jahrgang 2017 durch die hohen Lagen mit am besten gemeistert zu haben, der Unterschied zu 2016 ist hier offenbar geringer als bei anderen. Die Chefin betonte nochmals, dass 2016 zum Vergessen im Weinkeller sei, wer also keine 20 Jahre warten möchte, greift hier wohl sogar besser 2017 (aus Sicht des Weinguts zwar natürlich anders, aber mindestens ebenso gut).