Liebe Weinfreunde,
vielen Dank für die lieben Worte
. Es freut mich sehr, dass Euch die Proben gefallen haben. Auch für Anne und mich waren das zwei ganz besondere Abende, denn - abgesehen davon, dass wir gerne Gäste empfangen – finden wir es immer wieder spannend, uns mit – teilweise unbekannten - Menschen aus allen Himmelrichtungen treffen, um gemeinsam Wein zu trinken. Und wenn das Blind-Date so perfekt abläuft, wie bei diesen beiden Barolo-Abenden, dann ist das wie ein Hauptgewinn im Lotto.
@Bibbels Aufforderung etwas ins Detail zu gehen, kommen ich gerne nach. Da mir noch die Bewertungen der 2016er Barolo vom 1. Abend fehlen, beginne ich mit dem 2. Abend. Im Mittelpunkt stand dabei eine Vertikalverkostung von Monviglieros aus dem Hause Burlotto. Die Vorbereitungen für diese Probe hatte ich schon vor etwa 6 Jahren begonnen, nachdem ich - ebenfalls mit Mitgliedern dieses Forums - den 2010er verkostet hatte, der mich damals außerordentlich faszinierte. Das Besondere des Monviglieros von Burlotto, der aus der gleichnamigen Einzellage in Verduno gewonnen wird - ist die Behandlung der Trauben nach der Lese. Es findet, wie teilweise auch bei großen Burgundern, keine Entrappung des Leseguts statt. Um bei den ohnehin schon tanninstarken Nebbiolos keinen Überhang an grünen Tanninen zu riskieren, müssen die Trauben im perfekten Zustand gelesen werden und die Stiele vollkommen ausgereift sein. Die hohe Reife der Trauben führt nach meiner Empfindung zu runden, nicht so säurelastigen Weinen mit sehr feinen, samtigen Tanninen. Zudem haben die Weine jahrgangsübergreifend ein – in Barolo – nahezu unverwechselbares Aroma, das mich persönlich an eingekochte Erdbeeren erinnert. Die Weinprofis nehmen häufig auch Oliventapenade als prägendes Aroma wahr. Aufgrund dieser etwas eigenwilligen Stilistik gilt Burlottos Monvigliero als der „burgundischte“ aller Barolo.
Bei der Auswahl aus den verfügbaren Monvigliero-Jahrgängen habe ich zunächst einmal Wert auf (annähernde) Trinkreife gelegt. Des Weiteren sollten die Weine mit anderen Barolo/Barbaresco sowie Burgundern konfrontiert werden, um als Lernziel dieser Probe (das wurde bereits in den vorherigen Beiträgen erwähnt) die spezielle Aromatik besser verinnerlichen zu können. Leider musste ich bei der Zusammenstellung der Flights etwas improvisieren, da ich die fest eingeplanten 99er und 89er Monvigliero in meinem Kellerchaos nicht finden konnte.
Wie bei meinen Weinproben stets, gruppiere ich bei Vertikalen in der Regel von jung nach alt. Nach meiner Erfahrung ist die Platzierung von Jungweinen am Ende einer Probe nur noch anstrengend und führt dazu, dass diese Weine nicht mehr ausreichend gewürdigt werden (können). Leider ein Fehler, der immer wieder gemacht wird.
1. Flight
3 Lagenweine von Burlotto aus dem aktuellen Jahrgang 2017 (in Klammern der Median der Bewertungen von 12 Verkostern und die Gesamtplatzierung bei 21 Weinen), ein wärmegeprägter Jahrgang, der als charmant und früh trinkreif gilt.
2017 Burlotto Cannubi (92/19)
2017 Burlotto Monvigliero (94,5/11)
2017 Burlotto Acclivi (eine Cuvee verschiedener Lagen aus Verduno) (94/13)
Die 2017er präsentierten sich sehr harmonisch, man merkt etwas die Wärme des Jahrgangs, das Tannin ist nicht so kräftig. Alle drei Weine sehr typisch für Burlottos Lagenweine: Monvigliero feingliederig und rotfruchtig mit Erdbeerdominanz, Cannubi balsamisch, dabei mit spürbarem Alkohol, und Acclivi eher in Richtung Stachelbeere/Kirsche mit recht kerniger Struktur.
2. Flight
2011er, ebenfalls ein warmer, vergleichsweise frühreifer Jahrgang
Giuseppe Rinaldi Brunate (96/3)
Henri Boillot Volnay Les Caillerets (92/18)
Burlotto Monvigliero (93,5/15)
Rinaldis Brunate ist ein würdiger Vertreter des Hausstils. Traditionell ausgebaut, mit intensivem balsamisch/rotfruchtigem Bukett, reifer Frucht und sensationeller Länge. Ein großer Wein. Der Monvigliero konnte hier in seiner vollreifen Art nicht ganz mithalten. Einige Verkoster aus unserer Runde hielten diese Flasche für zu stark fortgeschritten in ihrer Entwicklung. Mir hat der Wein trotzdem sehr gefallen. Der Burgunder wurde zielsicher als Pirat erkannt. Der Les Caillerets wirkte noch etwas sperrig in seiner Struktur, laut Karsten typisch für den Stil des Hauses Boillot.
3. Flight
Die ganz großen, neueren Jahrgänge für Barolo allgemein und für Burlottos Monvigliero speziell: 2016, 2013, 2010.
2010 Burlotto Monvigliero (96/4)
2013 Burlotto Monvigliero (97/2)
2016 Burlotto Monvigliero (97/1)
Das war großes Kino, alle drei Weine von sensationeller Qualität, wobei der 16er mit seiner Tiefe und Komplexität für mich die Nase vorne hatte. Der 13er tat sich dagegen trotz seiner unbestreitbaren Klasse etwas schwer, hier war doch eine dezente Verschlussphase festzustellen. Der 10er zeigte dagegen die ganze Größe des Jahrgangs: Eine fantastische Struktur, intensives Aroma und eine tolle Länge.
4. Flight
Bei der Gestaltung des nächsten Flights war ich etwas im Widerstreit. Burlottos Cannubi und Monvigliero aus dem Hitzejahrgang 2007 waren mit einem würdigen Partner zu kombinieren. Verfügbar wären z.B. der 07er Cannubi von Brezza oder auch der Barolo von Bartolo Mascarello gewesen, aber beide Weine hatten mich bei den letzten Verkostungen nicht überzeugt. Meine Wahl fiel daher auf den vollmundigen 08er Brezza Bricco Sarmassa, der eine sichere Bank ist.
2008 Brezza Bricco Sarmassa (95/5)
2007 Burlotto Monvigliero (95/6)
2007 Burlotto Cannubi (92/17)
Der Cannubi war nicht ganz überzeugend, im Bukett zeigten sich Hitzenoten (Honig/Wachs), am Gaumen waren Alkohol und etwas stumpfe Tannine wahrnehmbar. Der Wein aus der höher gelegenen Lage Monvigliero wirkte deutlich frischer, mit ausgewogener Struktur, aber auch leicht bitteren Tanninen. Hier könnte aber weitere Lagerzeit Abhilfe schaffen. Voll auf dem Punkt der Bricco Sarmassa, mit viel Kraft und vollfruchtiger Fülle.
5. Flight
Weine aus dem als klassisch und hervorragend eingestuften Jahr 2004
2004 Elio Grasso Gavarini Chiniera (95/7)
2004 Burlotto Monvigliero (94,5/8)
2004 G.D. Vajra Bricco delle Viole (94/12)
Zur Lagerhistorie des Bricco delle Viole kann ich leider nichts sagen, da ich den Wein erst vor 4 oder 5 Jahren gekauft hatte. Diese Flasche zeigte einerseits deutlichen Einfluss von neuem Holz, die Frucht eher dunkel, mit schöner Würze, aber auch etwas Liebstöckel. Ein feiner Wein. Der Chiniera von Grasso, dem immer wieder traditioneller Ausbau zugeschrieben wird, mit deutlichem Neuholzeinfluss. Die Holznoten waren derart dominierend, dass der Wein kaum noch als Barolo zu erkennen war. Gleichwohl, den meisten in unserer Runde gefiel diese Stilistik. Mir ganz und gar nicht! Monvigliero wieder mit dem typischen Aroma. Vielleicht in seiner vollreifen, etwas süßen Art nicht der größte Jahrgang für diese Abfüllung, aber immer noch mit hohem Spaßfaktor ausgestattet.
6. Flight
2005 Bruno Giacosa Barbaresco Rabaja (94,5/9)
1999 Bruno Clair Clos-St.-Jacques (94,5/10)
2005 Burlotto Monvigliero (93,5/14)
Giacosas Rabaja fand ich ganz großartig, ein klassischer Vertreter des Hausstils, körperreich, mit schöner Struktur und intensiv floralem Bukett. Der Clos-St.-Jacques aus einem großen Jahr und einer hervorragenden Lage war ein wirklich schöner Wein, mit intensiver Frucht, harmonischer Struktur und schöner Länge. Aber, Bodo möge mir verzeihen, mit dem Giacosa konnte er nicht mithalten. Der Monvigliero war dagegen nicht wirklich schön, zu dominierend waren die Liebstöckelnoten, zugleich war das Tannin leicht trocknend.
7. Flight
Hier hätte eigentlich der 89er Monvigliero auftauchen sollen, leider flog dieser Flight aus den genannten Gründen komplett auseinander. Ich entschied mich alternativ für Weine, die ebenfalls aus sehr renommierten Häusern stammen und schon seit vielen Jahrzehnten auf hohem Niveau arbeiten.
1990 Aldo Conterno Bussia (93/16)
1970 Giacomo Conterno Barbaresco (überwiegend ohne Bewertung wg. leichten Fehlers)
1979 Bartolo Mascarello (überwiegend ohne Bewertung wg. fortgeschrittener Entwicklung)
Im Nachhinein könnte ich mir in den A…. beißen, dass ich bei diesen Weinen viel zu vorsichtig belüftet hatte, denn die Nachverkostung zwei Tage später zeigte, wieviel Luft alte Barolo/Barbaresco vertragen und brauchen. Bei der Verkostung zeigte der Bussia noch nicht sein ganzes Können, für mein Empfinden stand die Säure zu stark im Vordergund, die Frucht konnte sich noch nicht richtig durchsetzen. Nach zwei Tagen dann ein vollkommen veränderter Wein: Ein klassischer Barolo mit Tiefe, aromatischer Komplexität und ungeheuer viel Druck. Auch der Barbaresco von G. Conterno war nach zwei Tagen aufgeblüht. Die dezenten Schimmel- und Malznoten waren verschwunden, es zeigte sich ein harmonischer, schön gereifter Wein. Der 79er Mascarello war am Verkostungsabend zunächst sehr schön mit Aromen von Himbeeren, Waldboden und Fleischextrakt, rundem Körper und schöner Länge, fiel dann aber nach kurzer Zeit (scheinbar) in sich zusammen. Auch hier nach zwei Tagen eine erstaunliche Metamorphose in ein schön zu trinkenden Altwein.
Bedanken möchte ich mich bei allen Teilnehmern für die sehr schönen, entspannten, lustigen Abende. Dank sage ich auch für alle in die Probe zu sehr fairen Kursen eingebrachten Weine, für die fürs Nachprogramm spendierten Flaschen und (auch) im Namen von Anne für die wunderschönen Blumensträuße und die köstlichen Marmeladen (lieben Dank an Deine Frau, Bodo!).
Herzliche Grüße
Hartmut