Sa 20. Nov 2021, 18:32
Ich habe das hier aus einem anderen Thread, wo es OT war, hier herüber kopiert:
stollinger hat geschrieben:Ich wollte mir zuletzt ein paar Chenin Blanc zulegen, aus den jüngeren Jahrgängen war alles von der Loire >14% und teilweise mit Restzucker. Ich habe daraus geschlossen, dass es an der Rebsorte zu liegen scheint. Als würde sie in warmen Jahren einfach (zu) viel Zucker aufbauen. Ist das so?
Grundsätzlich ist Chenin blanc bei entsprechendem Umgang in der Lage, sehr hohe Mostgewichte zu erreichen. Man sieht das an den an der Loire aus dieser Sorte regelmäßig erzeugten edelsüßen Weinen, die anders als ihre deutschen Riesling-Pendants nicht nur hohe Restzuckerwerte haben, sondern zusätzlich hohe Alkoholgehalte, und damit im Ausgangsmostgewicht wahrscheinlich deutlich höher liegen als deutsche Goldkapsel-Auslesen oder auch manche Beerenauslese.
Das muss aber keineswegs so sein. An der Loire wird eine Menge Crémant aus Chenin blanc erzeugt, und hier dürfen die Ausgangsweine nach völligem Durchgären nicht mehr als 11,5% Alkohol haben, da sonst nach der Zweitgärung der Alkohol zu hoch wird. Die besseren Produkte zeigen, dass dabei die Trauben keineswegs aromatisch unreif geerntet wurden. Es geht also auch alkoholarm aus Chenin, wenn man es denn möchte.
Vor einigen Jahren gab es eine recht umfangreiche Untersuchung einer der renommierten Wein-Unis (Bordeaux? UC Davis? - leider finde ich die Originalarbeit nicht mehr), warum die Alkoholgehalte vieler Weine in jüngerer Zeit laufend ansteigen. Im Ergebnis hat man festgestellt, dass der deutlich kleinere Teil der Veränderung durch den Klimawandel verursacht wird, der erheblich größere Teil aber durch Entscheidungen der Winzer im Hinblick auf Ertragssteuerung, Weinbergsarbeit und Wahl des Lesezeitpunkts. Wenn wir heute Bordeaux vom linken Ufer mit 14 oder 14,5% ins Glas bekommen und vom rechten Ufer mit 14,5 oder 15%, und Chianti mit 14 oder 14,5% (alles in den letzten Tagen so im Glas gehabt, zum Teil von Biodynamikern), liegt das nur zum Teil an den heißen Jahrgängen.
Dass es auch anders geht, zeigen übrigens gerade deutsche Top-Winzer, die auch in den letzten Hitzejahren qualitativ beeindruckende GGs mit nur 12,5%Vol. erzeugt haben. Man muss sich halt erstmal vom Paradigma der maximalen Zuckerreife verabschieden.
Gruß
Ulli