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Savennières

Appellationen des nördlichen Zentralmassivs, Sancerre und Umgebung, Touraine, Anjou, Umgebung von Nantes, die kleinen Gebiete zwischen der Loire und Bordeaux incl. Cognac
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octopussy

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Re: Savennières

BeitragDi 31. Dez 2013, 11:42

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Beste Grüße, Stephan
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octopussy

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Re: Savennières

BeitragDi 31. Dez 2013, 15:11

Hallo zusammen,

mehrere Male hatte ich sie schon aufgeschoben und kurz vor der Jahreswende doch noch hinbekommen: eine Probe mit Coulée de Serrants aus den 90ern. Leider fehlten mir 1991, 1992 und 1993, aber die restlichen Jahrgänge aus den 90ern hatte ich zusammen.

Der Weinberg Coulée de Serrant wurde schon im 12. Jahrhundert von Zisterziensermönchen angelegt, 2008 war laut der Website von Nicolas Joly der 878. Jahrgang in Folge eines Weins aus dem Coulée de Serrant. Wann er mit Chenin Blanc bepflanzt wurde, ist allerdings nicht bekannt. Der Weinberg ist 7 ha groß und liegt nah an der Loire südwestlich von Angers. Die Reben sind durchschnittlich 30-40 Jahre alt, die ältesten haben 80 Jahre auf dem Buckel. Der Weinberg ist nach Süden ausgerichtet und ist vom Rotschiefer mit Quarzitanteilen geprägt. Seit 1981 werden die Weinberge biodynamisch bewirtschaftet.

Die Lese erfolgt in fünf Durchgängen, eigentlich jedes Jahr kommen auch Botrytistrauben in den Wein, deren Anteil aber von Jahr zu Jahr changiert. Der Ertrag liegt regelmäßig zwischen 20 und 25 hl/ha bei einer Stockdichte zwischen 4.800 und 6.700/ha. Der Wein wird spontan vergoren und reift zwischen 6 und 8 Monaten in 500 l Holzfässern mit ca. 5% Neuholzanteil. Der Wein wird leicht gefiltert und vor dem Flaschenabzug leicht geschwefelt.

Das sind die Fakten. Ich hatte selbst bislang nur jüngere Jahrgänge des Clos de la Coulée de Serrant, des Clos de la Bergerie und des Les Vieux Clos getrunken und war gespannt wie ein Flitzebogen, wie die Weine sein würden. Alle Flaschen hatte ich 24 Stunden vorher geöffnet und nicht dekantiert. Zwei Stunden vor der Probe habe ich sie etwas gekühlt und dann wieder reingeholt, so dass die Trinktemperatur bei ca. 15-16° C lag.

Nach zwei Loire-Weinen zum Eintrinken ging es los mit dem 1999er, gekauft auf einer Auktion. Der Keller, aus dem der 1999er, der 1997er und der 1994er kamen, war vermutlich nicht der beste, jedenfalls war 1997 komplett oxidiert und 1999 auch schon sehr weit fortgeschritten (1994 hingegen erstaunlich frisch). Ich fand den 1999er gleichwohl hinreißend schön - sehr warm und vollreif in der Nase und sehr lebendig und durchaus frisch im Mund. Der Wein wurde am Tisch aber kontrovers diskutiert, die meisten sahen ihn eindeutig im unteren Drittel des Feldes.

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Dann der 1998er, im Fachhandel gekauft. Die Farbe war deutlich heller als beim 1999er und der Wein wirkte auch deutlich jünger. Sehr gut zu erkennen war das offenbar vollreife Traubenmaterial in dem Jahr und ein sehr deutlicher Botrytisanteil. Der 1998er war sehr, sehr weich in der Nase mit exotischen Fruchtnoten, die eher ins gedörrte/kandierte gingen. Im Mund war der Wein deutlich spannungsreicher als in der Nase. Ausgezeichnet.

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Der 1997er, auf den ich eigentlich große Hoffnungen gesetzt hatte, war leider komplett oxidiert und untrinkbar.

Ohnehin hatte ich zum Vergleich vorgesehen eine Flasche 1997 Savennières Clos du Papillon der Domaine du Closel, den ich 2-3 Stunden vorher dekantiert und Temperatur habe annehmen lassen. Diese Flasche war völlig anders als die letzte, etwas weiter gereift, aber auf seine Art trotzdem wunderschön. Der Clos du Papillon war einer der am kontroversesten diskutierten Weine des Abends. Manche konnten mit dieser superüppigen, leicht oxidativen, vollreifen Art überhaupt nichts anfangen, andere (einschließlich meinerselbst) waren begeistert. Der Wein ist auf jeden Fall ziemlich extrem, fast so extrem wie die Joly Weine.

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Dann kam der 1996er, aus dem gleichen Keller wie der 1995er, einem ausgezeichneten Keller. Hier gab es nichts zu diskutieren. Der Wein ist grandios, das sahen alle am Tisch so. Er hat Zug und Druck, ist enorm gradlinig, sehr komplex und sehr jung. Gerade für rieslingassoziierte Gaumen ist der Wein vermutlich am besten zu verstehen. Ob das nun der Prototyp bzw. das Idealbild für einen Coulée de Serrant ist, darüber könnte man - die nötige Trinkerfahrung, die wir alle am Tisch mit Joly-Weinen nicht hatten, vorausgesetzt - sicher wochenlang streiten. Ein ganz hervorragender, spannender und einnehmender Wein ist dieser 1996er auf jeden Fall.

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1995 war dagegen ganz anders, erinnerte eher an den 1998er mit seiner sehr reifen und weichen Art und den kräftigen Botrytisnoten. Er toppte den 1998er aber ganz leicht.

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1994 war kein Traumjahr an der Loire und das schmeckt man dem 1994er Coulée de Serrant auch an. Die Struktur war prinzipiell große Klasse, die Aromatik schön herausgearbeitet, die Nase wirklich umwerfend. Nur im Mund fiel der Wein leider etwas ab. Es fehlt nicht an Säure, diese ist auch gut eingebunden, auch sticht kein Alkohol hervor. Nur fehlt es dem Wein etwas an Rückgrat und Substanz.

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Zum Schluss hatten wir dann noch den 1990er, der schon beim ersten Probieren einen Abend vorher ziemlich krass wirkte. Das hatte sich mit 24 Stunden Luft nicht geändert. Der Wein ist so was von völlig unfruchtig, es gibt wirklich nichts, was auch nur entfernt an Frucht erinnern würde. Auch über das Alter des Weines konnte man eigentlich nichts sagen, es fiel nur das Wort "alterslos". Dieser Wein mit seiner völlig ungewöhnlichen und krassen Aromatik, Würze und Struktur ist für mich wirklich ein Monument und so individuell, wie ich zuvor keinen anderen Wein getrunken habe. Gut fand ich ihn dazu auch noch, aber das ist wirklich Geschmackssache.

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Im Fazit war es wirklich spannend, die Coulée de Serrants aus 1990 und 1994-1999 hintereinander zu trinken. Gewisse Gemeinsamkeiten wie eine messerscharfe Mineralik (die andere am Tisch als alkoholische Schärfe wahrnahmen) hatten fast alle Weine. Trotzdem war jeder Wein ganz anders als der jeweils vorangegangene. Das wirklich Tolle an diesen Weinen ist, dass man sich bildlich das Jahr ihres Entstehens vorstellen kann. Ob es kühl war oder heiß, wie lang die Trauben am Stock hingen, ob sie mit Botrytis befallen wurden oder nicht. Das macht diese Weine wirklich zum unmittelbaren Erlebnis.

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Beste Grüße, Stephan
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Kle

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Re: Savennières

BeitragDi 31. Dez 2013, 17:50

Hallo Stephan,

was für eine wunderbare Probe. Alte Socken mit himmlischen Aromen. Brackwasser und Sherryfarben, denen Obstgärtendüfte entströmen, um die 20 Jahre alte Weine ohne jede Firne. Ich kann verstehen, dass man ihnen verfallen kann.
Viele der Weine mit rauchiger Nase, einige auch mit kräftigem Alkoholdampf, mitunter Schnapsgeruch. Auch wiederkehrend im Mund die Frische, die (außer in 94) sublime Frucht - feine Fruchtzellen, statt ausladender Aromatik. Milde, sonnenverwöhnte Mandarinen, Melonen, Ananas. Nie wirken sie aufdringlich und durch Süße gepusht, haben aber oft Bitternis im Gefolge.
Wiederkehrendes Moment im Untergrund außerdem Tee. So täuschend echt oft feine Grünteearomen, dass Coulée de Serrant trinken könnte, wer die Blättchen nicht im Haus hat, und umgekehrt.
96 der strahlendste, reinste, apollinische Vertreter. Ein Wein wie ein frühlingshafter Tag im spätsommerlichen Garten. Doch ist es gar nicht so einfach, auf ihn umzuschalten nach dem Genuss seiner exzentrischer gereiften Verwandten mit ihrem Gewebe aus aromatisch Vertrocknetem, in dem sich zarte Früchte finden. Die einen einfacher, die anderen raffinierter. Immer aber mit solider Struktur, über die man sich keine Sorgen macht. Kein Planschbecken für Spielereien diese Weine, keine verspiegelten, verdoppelten Böden und Kunststückchen – alles spielt sich in einem gravitätischen Bau ab, unter einem gotischen Bogen, unter dem die Sonne nicht flirrt, sondern klare, feine, feste Phänomene zum Vorschein bringt. Zwar verändern sich die Weine mit jedem Schluck. Aber es entsteht weniger der Eindruck, dem Fortgang einer Aufführung zu folgen als immer wieder neue Facetten eines Gemäldes zu entdecken.
Der phantastische Clos du Papillon ein Kapitel für sich.
Vielen Dank, Stephan, für dieses eindruckvolle Erlebnis!

Beste Grüße, Carsten
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
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octopussy

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Re: Savennières

BeitragMi 1. Jan 2014, 17:08

Kle hat geschrieben:Kein Planschbecken für Spielereien diese Weine, keine verspiegelten, verdoppelten Böden und Kunststückchen – alles spielt sich in einem gravitätischen Bau ab, unter einem gotischen Bogen, unter dem die Sonne nicht flirrt, sondern klare, feine, feste Phänomene zum Vorschein bringt. Zwar verändern sich die Weine mit jedem Schluck. Aber es entsteht weniger der Eindruck, dem Fortgang einer Aufführung zu folgen als immer wieder neue Facetten eines Gemäldes zu entdecken.

Hallo Carsten,

was für eine wunderbare Beschreibung der Coulée de Serrants. Ich bin grundsätzlich immer etwas skeptisch bei Proben desselben Weins aus unterschiedlichen Jahrgängen. Denn damit es nicht eintönig wird, müssen die Weine abseits der Flaschenreife für mich deutlich unterschiedlich sein, den Jahrgang ihres Entstehens ausdrücken, ohne dass man den Eindruck hat, es wurde nachgeholfen, um eine gewisse gleichbleibende Qualität unabhängig vom Jahrgang sicherzustellen. Das gelingt Nicolas Joly aus meiner Sicht ganz offensichtlich. Und das macht die Weine auch so spannend.
Beste Grüße, Stephan
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Weinbertl

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Re: Savennières

BeitragSa 18. Jan 2014, 10:36

hallo,

mein erster Clos de la Coulee de Serrant, Joly war gestern ein 1996er. Den Wein gab es als Vorprogramm zu einer 96er Bdx-Probe. Der Wein wurde blind serviert, weder Anbaugebiet noch Land waren bekannt, nur dass es ein 96er sein wird, wusste man.
Der Wein hatte eine kräftige goldgelbe Farbe, in der Nase vielschichtig, etwas Holz, aber auch etwas nussig. Am Gaumen Zitrusaromen, knackige frische Säure, leicht herb im langem Finale, sehr komplex. Absolut null Ermüdungserscheinungen, wird noch lange Spaß machen und wird sich bestimmt noch ganz interessant entwickeln. Ich kenne mich mit diesen Weinen nicht aus, aber dass war schon großartiger Stoff und habe mal 17,5-18 P. gezückt, möchte aber daran nicht festgenagelt werden :lol:
Grüße
Robert
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octopussy

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Re: Savennières

BeitragDi 15. Apr 2014, 14:30

Hallo zusammen,

schon lange mal wollte ich einen Savennières der Domaine aux Moines trinken. Obwohl die Domaine in Deutschland ganz gut erhältlich ist, hat es sich nicht so richtig ergeben, gestern im Restaurant dann aber doch. 2010 Savennières "Roches aux Moines" stand zum ausgezeichneten Preis auf der Karte, und den haben wir gleich bestellt. Es hat sich gelohnt. Das ist ein sehr schöner Loire Chenin Blanc vom Schiefer, spiegelt die Eigenschaften, die man in anderen Savennières oft findet (hohe Traubenreife, hoher Alkohol, recht hohe Säure, eher wuchtiger als filigraner Körper), sehr schön wieder.

Von Nicolas Joly habe ich zwar schon den Vieux Clos und den Coulée de Serrant, aber noch nie den Roche aux Moines "Clos de la Bergerie". Mich würde der Vergleich zum Domaine aux Moines Savennières Roche aux Moines schon mal interessieren. Ich werde mal etwas zusammenstellen...

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Beste Grüße, Stephan
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m_arcon

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Re: Savennières

BeitragFr 13. Jun 2014, 23:47

Hatte heute (gestern) Abend, eher zufällig, meine erste Begegnung mit einem Wein von Nicolas Joly. Eine sehr, sehr spezielle Stilistik, der Wein war aber in jedem Fall super spannend.

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Cheers
Marc
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octopussy

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Re: Savennières

BeitragDi 4. Nov 2014, 16:31

Hallo zusammen,

nach der nicht ganz kompletten 90er Vertikale sollte dieses Jahr die 00er Vertikale des Clos de la Coulée de Serrant von Nicolas Joly folgen. Auch diese war nicht vollständig. Die Jahrgänge 2008 bis 2010 hatte ich ausgelassen, da ich persönlich mit jungen Coulée de Serrants nur wenig anfangen kann und "Potenzialtrinken" bei diesen Weinen letztlich wenig Sinn ergibt, außer aus akademischen Gründen.

Die Coulée de Serrants hatte ich alle 24 Stunden vorher geöffnet und nicht dekantiert. Serviert wurden sie zunächst mit den von Nicolas Joly empfohlenen höheren Temperaturen (ca. 14-16° C), nachdem das aber dazu führte, dass die Weine sich im Glas unvorteilhaft entwickeln, gingen wir zu einer Trinktemperatur von ca. 12° C über. Für das Probieren hatte ich leider keinen guten Tag herausgesucht. Es war nach dem Mondkalender ein Tag im Übergang vom Wurzel- zum Blättertag.

Wir waren zu zehnt und begannen erstmal mit zwei Chenin-Blanc-Schaumweinen, nämlich den beiden folgenden:

Nana Vins - 2004 Vin de France "Happy" Petillant Naturel
Clos Naudin - 2007 Vouvray Brut Réserve


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Also ein "Komplettflaschengärer" und ein nach Champagner-Methode erzeugter Schaumwein. Der Pet Nat hatte hier keine Chance, zehn Jahre Flaschenlager klingen imposant, nur fragte man sich beim Trinken, was sie gebracht haben sollen. Der Wein wirkte nur mittelmäßig frisch, relativ "naturel" (im Sinne von apfelmostig) und etwas bäuerlich-rustikal. Ganz anders der Clos Naudin. Von dem hätte ich mir mal mehr Flaschen kaufen sollen. Der Brut Réserve wird nur in ausgewählten Jahrgängen erzeugt (in den 00er Jahren 2002 und 2007) und erhält 4 Jahre Flaschenlager. Für unter 20 Euro bietet er - finde ich - ein beträchtliches Trinkvergnügen. Er hätte vielleicht etwas feiner sein können, aber es war nahezu unmöglich, seiner beschwingten Dynamik zu widerstehen. Wer den mal in die Finger kriegt: unbedingt zuschlagen.

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Dann der erste Coulée de Serrant, nämlich aus 2011. Wir hatten eine Expertin am Tisch, die uns berichtete, dass Virginie Joly, die Tochter von Nicolas, seit kurzem den Botrytis Anteil im Coulée de Serrant zurückfährt und - auch wenn sie das so nicht sagt - etwas mehr auf Ausgewogenheit in den Weinen achtet. Dieser 2011er war jedenfalls deutlich zugänglicher als vor zwei Jahren 2009 und 2010. Der Alkohol war gut eingebunden, da war eine hervorragende Struktur, definitiv trotzdem Botrytis, und jetzt noch eine gewisse jugendliche Üppigkeit, die aber die Anlagen hat, sich mit ausreichend Flaschenreife zu harmonisieren. Vielleicht werde ich mir von dem 2011er nochmal ein paar Flaschen in den Keller legen.

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Dem 2007er Coulée de Serrant hatte ich noch einen Counterpart aus Savennières gegenübergestellt, nämlich einen 2007 Savennières "L'Enclos" von Eric Morgat. Der Flight war letztlich der schwächste des Abends. Der Morgat war recht Loire Chenin typisch und auch wirklich gut in der Nase, im Mund aber eher enttäuschend und ziemlich dünn. Der 2007 Coulée de Serrant war mit seinen 15,5% Vol. Alkohol einfach zu extrem. So viel Alkohol konnte er dann doch nicht verstecken, hinzu kam eine extrem reife bis überreife Frucht, sehr viel Botrytis, kaum Säure und ein eher unharmonischer Druck am Gaumen. Den Jahrgang kann man m.E. getrost auslassen, da wird auch eher nicht mehr viel kommen.

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Als nächstes hatten wir dann die sehr schöne Reihe Coulée de Serrant 2006 bis 2000. In jeweils drei Stichworten zusammengefasst:

2006 - Säure, kompakt, jung
2005 - Harmonie, Ausdruck, komplex
2004 - Vermutlich fehlerhafte Flasche
2003 - Frische, Frucht, Klarheit
2002 - Harmonie, Panta Rhei, Universum
2001 - Botrytis, Trockenfrucht, Opulenz
2000 - Stille, Purheit, Finesse

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Das erste Mal etwas ruhiger in der Runde wurde es beim 2005er, der letztlich allen am Tisch richtig gut gefiel. Da steckt wirklich unglaublich viel drin, in diesem Wein. Das zweite Mal richtig still, aber dann auch wirklich richtig still, wurde es beim 2002er. Da war sofort zu spüren, dass dieser Wein etwas Besonderes ist. Diese geradezu außerweltliche Komplexität und Schönheit trotz aller Verschrobenheit konnte man nicht einfach durch Reden ausdrücken. Letztlich fiel auch niemandem am Tisch richtig ein, wie man den Wein mit Einzelattributen gut beschreiben sollte. Das ist ein Gesamtkunstwerk, da greifen alle Elemente ineinander, der Wein wird am Ende des Jahres sicher in meine Top 5 einfließen.

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Bei der 90er Probe war der Favorit der Runde seinerzeit der 1996 Clos de la Coulée de Serrant, von dem ich noch eine Flasche zum guten Preis gefunden hatte. Dank der Spende meines guten Freunds B. konnten wir auch noch den 1996 Clos de la Bergerie danebenstellen. Schon der Clos de la Bergerie war ein Traum: expressiv, unglaublich frisch, druckvoll, aber nicht wuchtig. Der 1996er Coulée de Serrant konnte seinen Erfolg aus der 90er Probe wiederholen, was angesichts der angeblichen Zickigkeit der Coulée de Serrants und einem Wein dieses Alters besonders erstaunlich war. Diesen 1996er Coulée de Serrant könnte ich dauernd trinken, in seiner frischen Art ist er auch deutlich leichter "verdaubar" als die doch teils sehr üppigen Exemplare aus den 00er Jahren.

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Damit waren wir mit den Coulée de Serrants durch. Nach einigen anfänglichen Zweifeln, dass der Abend sehr anstrengend werden könnte (angesichts des 2007ers), entwickelte sich die Stimmung doch in Richtung Zufriedenheit bis sogar Euphorie. Unseren Gesprächen am Tisch und auch dem Feedback nach der Probe konnte ich entnehmen, dass (so ging es mir auch) die Vertikale ein deutlich besseres Bild über die "Seele" des Coulée de Serrants vermitteln konnte als dies bei den 90er Jahre Weinen der Fall war. Grund dafür könnte aber auch gewesen sein, dass ich die 90er Weine bis auf wenige Ausnahmen hier und da auf Auktionen gekauft hatte und einige Flaschen ziemlich sicher nicht so toll gelagert worden waren. Die Flaschenvarianzen waren also größer.

Was ist sie denn nun die "Seele" des Coulée de Serrants? Diese Frage ist natürlich nicht zu beantworten, außer vom Meister und seiner Tochter selbst. Was jedenfalls auffiel, war, dass sich durch alle Weine des Abends eine gemeinsame Linie zog und dass die Weine sich zwar je nach Jahrgang deutlich unterschiedlich präsentierten (sehr deutlich unterschiedlich), gewisse Kerneigenschaften aber immer da waren: eine ziemlich dunkle Farbe, eine sehr reife bis teilweise überreife Frucht (nicht im Sinne von fruchtigen Aromen, eher im Sinne einer abstrakten, sehr hohen Traubenreife), eine große Ausdruckskraft und ein schönes Zusammenspiel von dunklen (rosinigen) und hellen (grüner Tee, Kamille) Noten. In seiner besten Ausprägung (für mich 2002) ergibt das dann ein wirklich beeindruckend harmonisches Gesamtensemble.

Ich bin an dem Abend zu einem noch größeren Nicolas/Virginie Joly Fan geworden, als ich es sowieso schon war, und werde die Weine trotz ihres stolzen Preises auch weiterhin kaufen. Nicht aus jedem Jahrgang, aber aus den als gut geltenden. Denn erstens ist dieser Wein unersetzbar, allerhöchstens fallen mir Zind-Humbrecht Weine als Substitut ein. Und zweitens gehört er für mich zu den allerbesten trockenen Weißweinen, die ich bislang getrunken habe, wenn auch in einem recht extremen Stil.

Ganz zum Schluss hatten wir dann noch einen Süßwein, nämlich den 1989 Vouvray Moelleux Le Haut Lieu 1ère Trié der Domaine Huet. Der ging nicht unter. Im Gegenteil. Zusammen mit den ein bis zwei besten Coulée de Serrants war er der Wein des Abends mit seiner puren, fast noch jungen, Harmonie, den wunderbaren Aprikosennoten und seiner schönen Balance aus Süße und Säure. Wer davon noch im Keller hat, darf sich glücklich schätzen. Von mir war es die letzte Flasche.

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Beste Grüße, Stephan
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olifant

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Re: Savennières

BeitragDi 4. Nov 2014, 16:57

octopussy hat geschrieben:.... Für das Probieren hatte ich leider keinen guten Tag herausgesucht. Es war nach dem Mondkalender ein Tag im Übergang vom Wurzel- zum Blättertag...


Oh mein Gott :shock: :roll: :lol: sorry!
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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Re: Savennières

BeitragMo 10. Nov 2014, 21:01

Nun hatte ich also schon zum zweiten Mal die Gelegenheit, diese ganz und gar eigenständigen Joly-Weine im Rahmen einer Vertikale zu probieren. Ein sehr großes Dankeschön an Stephan!
Und tatsächlich: Machmal muss man erst mal einen größeren Zusammenhang sehen, um auch die einzelnen Weine besser einordnen zu können.

Hier meine Notizen zu den Weinen der vorletzten Woche, alle Coulée de Serant sind mit CdS abgekürzt:

- Nana Vins - 2004 Vin de France "Happy" Petillant Naturel
Sehr feine, aber nicht besonders stabile Perlage. Kalkige Nase. Im Mund sehr trocken, Grapefruithaut, hinten raus auch ziemlich bitter. Insgesamt recht grob gestrickt und seinem Namen nicht gerecht werdend.

- Clos Naudin - 2007 Vouvray Brut Réserve
Feine Perlage. Nase kreidig-kalkig. Im Mund Zug, Dynamik, fancy Frucht- und Säurespiel. Macht richtig Spaß.

- CdS 2011
Ätherisch-chemische Nase. Im Mund etwas scharf. Der Alkohol sticht zwar nicht heraus, steht aber derzeit etwas neben dem Rest.

- L’Enclos 2007
Die übrigen Probenteilnehmer finden ihn zunächst vor allem üppig, für mich ist eher eher sehr hart und kantig. Hat was von einem jungen Rebholz-Riesling, nur eben in der Chenin-Variante. Wäre auch blind mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort aufgefallen.

- CdS 2007
Sehr dunkle Farbe. Nase schön, deutlich Botrytis-geprägt. Im Mund zunächst ein tolles Feuerwerk, beeindruckend – doch der Alkohol wird zunehmend problematisch. Schon ein ganzes Glas wird hier letztlich zur Arbeit, nicht zum Vergnügen.

- CdS 2006
Bernsteinfarben. In der Nase sowas wie „chemisch präparierte Trockenfrüchte“. Im Mund eine schöne Portion Säure, die dem Wein sehr gut steht.

- CdS 2005
Schöner, gelber Saft im Mund, Rosinen, Klebstoff. Weniger Säure als der 06er. Deutliche Bitternote. Viel Druck und aromatische Fülle.

- CdS 2004
Sehr dunkle Farbe. In der Nase Klebstoff und sowas wie Baumrinde (nein, nicht Kork – eigentlich und zunächst). Im Mund ziemlich scharf, wirkt irgendwie eingesperrt. Deutliche Botrytis. Insgesamt stumpf. Doch ein Korkproblem?

- CdS 2003
Hefige Nase. Viel Säure, kräftig, frisch. Hat noch enormes Potenzial.

- CdS 2002
In der Nase wie eine Sherry-Consommé mit Kräutern. Im Mund rauchig, sehr komplex. Hier sind alle Bestandteile – auch und gerade Alkohol und Säure – wunderbar miteinander verwoben. Das ist Harmonie nahe der Perfektion.

- CdS 2001
Schon in der Nase leichtgewichtiger als 02. Im Mund eben nicht wieder diese tolle Verwobenheit, sondern eine gewisse Separation der alkoholischen und der übrigen Bestandteile. Gute Säure, trotzdem eigentümlich lasch wirkend, wenig Druck. Deutliche Karamellnoten.

- CdS 2000
Leicht rötliche Farbe. Sehr dezente Nase. Im Mund kühl, leicht, guter Trinkfluss.

- Clos de la Bergerie 1996
Farbe Golden Delicious. In der Nase Schweiß und Leder. Nie und nimmer hätte ich auf Loire-Chenin getippt, eher auf einen deutschen Chardonnay oder sehr kräftigen Weißburgunder.

- CdS 1996
Leicht trüb im Glas. In der Nase Rauch. Im Mund frisch und komplex. Wenn ich schon bei den handschriftlichen Notizen wortkarg werde, fällt mir zu einem Wein entweder nichts ein, oder er ist begrifflich kaum zu fassen und reißt einen einfach mit. Hier ist Letzteres der Fall. Großer Wein.


Und hier meine Notizen aus dem Dezember 2013 zu den etwas älteren Exemplaren:

- CdS 1999
Klebstoff in der Nase. Im Mund Alkohol und Körper separiert. Brennt etwas. Im Abgang eher unangenehm; Bitternoten plus X. Verdacht auf leichte Korkschädigung.

- CdS 1998
Nase wie der 99er, aber sauberer. Das setzt sich auch im Mund fort – das ist klar, leicht, schwebend, sehr fein. Allerdings nicht besonders lang. Offenbar wenig Botrytis; in einem interessanten Schwebezustand zwischen Frische und Reife.

- CdS 1997
Deutlich fehlerhaft, hinüber

- CdS 1996
In der Nase Muskat, Fleischfond, Blütennoten. Im Mund Spannung, Spiel, Frische, Länge, eine animierende Bitternote und etwas Nelkenaroma. Toller Wein!

- CdS 1995
Nase ähnlich wie 1998, allerdings etwas schwerer. Im Mund frisch; verführerische, reife Frucht. „nicht-süße Rosinen“, Kumquats. Am Ende ein ganz leichtes, feines Brennen.

- CdS 1994
In der Nase eine tolle Aprikosennote, wirkt sehr reich. Aber im Mund dann leider … gar nichts. Seltsam.

- CdS 1990
Rauchige Nase. Im Mund jodig, salzig, sehr gediegen.


Vermutlich wird schon aus den Einzelnotizen deutlich, dass ich kein echter Addict (geworden) bin. Die große Faszination, die von diesen Weinen, ihrer Herkunft, Geschichte und Machart ausgeht, kann ich aber absolut nachvollziehen. "Trockener Wein aus edelsüßen Trauben", auf diese Formel brachte es eine anwesende Joly-Expertin - das muss man nicht jeden Tag haben, auch nicht jeden Monat. Aber es ist erinnerungswürdig. Doch auch wenn man über eine solche Probe hinweg ja in Summe doch Einiges an Wein konsumiert, bleibt für mich der echte Lackmus-Test dann immer die Frage: Denkt man nach dem ersten Glas: ja, mehr davon; nach dem zweiten Glas: immer noch SO gut und ist dann im Zweifel auch nach dem dritten Glas nicht satt und/oder betrunken? Und da habe ich bei diesen Alkoholgraden und dieser z. T. heftigen Botrytis meine Zweifel.
Ein weiterer Punkt ist die - bei aller erkennbaren Stilistik - gewaltige Schwankungsbreite. Dass man wohl generell rund zehn Jahre warten muss, biss ein CdS trinkreif sein könnte, ist erst mal kein Problem. Aber auch das Reifeverhalten und das jeweilige Jahrgangsniveau sind in einem Maße unterschiedlich, dass sich da bei mir definitiv kein Kaufreflex einstellt. Doch ich bin dankbar dafür, dass andere - in diesem Fall Stephan - das anders sehen und es somit möglich wird, Erlebnisse wie solche mit CdS 2005, 2002 oder 1996 zu teilen.

Viele Grüße
Guido
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