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Burgund 2011

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UlliB

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Re: Burgund 2011

BeitragMo 18. Jan 2021, 11:42

Jérôme Chezeaux ist sicherlich keiner der Top-Winzer an der Côte d’Or, dafür ist er (für burgundische Verhältnisse) preislich noch halbwegs auf dem Boden geblieben. Der Betrieb hat Besitz in einigen Spitzenlagen, z.B. in der hier:

Vosne-Romanée 1er Cru Les Suchots 2011 (Jérôme Chezeaux) 13,5%Vol. Suchots gilt als einer der besten 1er cru überhaupt, zusammen mit Malconsorts und noch zwei oder drei weiteren qualitativ nahe an den grand crus. Ziemlich blasses, minimal trübes Kirschrot. Vielschichtige Nase, Himbeere und Sauerkirsche, die Frucht wirkt nicht übermäßig reif und etwas herb, dann ganz deutlich kalkig-mineralisch, etwas Holz, schönes Spiel zwischen den einzelnen Komponenten, komplex. Im Gaumen etwas lose geknüpft, bestenfalls mittelgewichtig, etwas herb, aber die Aromatik sehr klar, und auch hier wieder das komplexe Spiel zwischen Frucht, Mineralik und Holz, auch etwas Würziges. Hat was. Sauberer, mittellanger Abgang.

Ein wirklich schöner Wein, der vor allem mit seinem komplexen und eleganten Spiel einigen Spaß macht. Allerdings: wenn man sieht, was ein Cathiard aus gleicher Lage erzeugt, fehlt es hier schon ziemlich eklatant an Substanz und Tiefgang. Allerdings zahlt man für einen Suchots von Cathiard im freien Markt mittlerweile mal eben das sechs- bis achtfache (!), wenn man den da überhaupt mal zu Gesicht bekommt. Ob man dass dann dem Wein abtrinkt...

Gruß
Ulli
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Trapattoni

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Re: Burgund 2011

BeitragDo 28. Jan 2021, 14:29

UlliB hat geschrieben:Vosne-Romanée 1er Cru Les Suchots 2011 (Jérôme Chezeaux) 13,5%Vol. Suchots gilt als einer der besten 1er cru überhaupt, zusammen mit Malconsorts und noch zwei oder drei weiteren qualitativ nahe an den grand crus. Ziemlich blasses, minimal trübes Kirschrot. Vielschichtige Nase, Himbeere und Sauerkirsche, die Frucht wirkt nicht übermäßig reif und etwas herb, dann ganz deutlich kalkig-mineralisch, etwas Holz, schönes Spiel zwischen den einzelnen Komponenten, komplex. Im Gaumen etwas lose geknüpft, bestenfalls mittelgewichtig, etwas herb, aber die Aromatik sehr klar, und auch hier wieder das komplexe Spiel zwischen Frucht, Mineralik und Holz, auch etwas Würziges. Hat was. Sauberer, mittellanger Abgang.

Hallo Ulli,
diesen Wein habe ich gestern völlig anders erlebt. Schon die Farbe fand ich für einen Burgunder ziemlich kräftig, fast blickdicht. Die Nase hielt ich eher für eindimensional, zwar viel Süßkirsche, aber extrem dominiert von stark getoastetem (Neu?)-Holz. Insgesamt sehr modern gemacht. Wer die Stilistik mag, wird sicher Freude daran finden. Ich hätte ihn auch relativ hoch bewertet, wenn ich mir zum Vergleich nicht 2001 Latricières-Chambertin von Rossignol-Trapet geöffnet hätte. Der lag dann doch als eher klassischer Burgunder um Längen vorne, was Dichte, Vielschichtigkeit, Verspieltheit, Rafinesse, Subtilität und Länge betraf - obwohl von der Farbe deutlich blasser. ;) Da war der Suchots doch schon eher bourgeois. Der Latricières-Chambertin war aus dieser Flasche allerdings in einem nahezu optimalen Trinkfenster und hat damals etwa halb so viel gekostet wie der Suchots. Vielleicht liegt es aber auch wirklich an der Mondphase. Du hast an einem Blattag, ich an einem Blütentag verkostet. :mrgreen:
Grüße
Dieter
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UlliB

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Re: Burgund 2011

BeitragDo 28. Jan 2021, 14:51

Hallo Dieter,

Holz war zwar da (ich hatte es ja in meiner VKN auch erwähnt), aber wirklich überhaupt nicht dominant - und ich reagiere auf intensives Holz bei Pinot noir eigentlich sehr empfindlich, das hätte ich mit Sicherheit erwähnt. Komisch.

Dass ein grand cru von einem renommierten Winzer wie Rossignol-Trapet besser ist als ein 1er cru von einem Winzer aus der zweiten Reihe, überrascht nun nicht wirklich. Und wenn Du Dir das Preisverhältnis zwischen beiden Weinen bei einem aktuellen Jahrgang ansiehst (und nicht einen 2001er mit einem 2011er vergleichst - in den 10 Jahren ist im Burgund leider preislich viel passiert), stimmt das Verhältnis dann doch wieder.

Gruß
Ulli
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Trapattoni

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Re: Burgund 2011

BeitragDo 28. Jan 2021, 15:12

UlliB hat geschrieben:Komisch.

Ja, wirklich komisch. Vom Suchots habe ich noch ein paar Flaschen, den kann ich noch eine Weile verfolgen. Vom Rossignol-Trapet habe ich leider nur noch die 2005er Dorflage VV. :cry:
Es war allerdings schon sehr beeindruckend, welch Entwicklung der Latricières-Chambertin in den letzten zehn Jahren genommen hat. Das war 2011 ein 90-Punkte-Weinchen, gestern dann groß. ;)
Grüße
Dieter
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Trapattoni

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Re: Burgund 2011

BeitragDo 28. Jan 2021, 15:51

UlliB hat geschrieben: in den 10 Jahren ist im Burgund leider preislich viel passiert

Hallo Ulli,

das stimmt natürlich und erst recht viel passiert ist in den letzten drei Jahren. Den 2001er Latricières-Chambertin habe ich in 2011 noch für 36,50 € die Flasche bekommen. Anfang der 2000er war Rossignol-Trapet noch ein echter Geheimtipp. Da hätte man sich ordentlich eindecken müssen. Aber wie immer waren da doch die großen Namen irgendwie interessanter. ;)

Grüße
Dieter
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amateur des vins

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Re: Burgund 2011

BeitragDo 1. Apr 2021, 20:22

Wie sich im Nachhinein herausstellte, garnicht sooo viel anders als vor knapp 3 Jahren [Link]:

Henri Boillot, Meursault 1er Cru Les Charmes 2011

Goldgelb mit kräftigem grünlichen Schimmer. Etwas eigenartige Farbe...
Mäßig reduziert, aber nicht so zugeschwefelt, daß alles maskiert ist. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Limette, Grapefruit. Etwas Muschelschale. Exzellent eingebundenes Holz.
Am Gaumen zitrischer: wieder Limette, pikante Säure, aromatisch recht linear. Zum Abgang hin etwas mehr Holz, leicht nussig, immernoch Limette. Alles abgesetzt vom Mittelbau und etwas disjunkt.

Kommt langsam besser zusammen; vor allem der Schwefel ist nicht mehr so penetrant. Eine Spur mehr Fett stünde ihm auch gut zu Gesicht, zumal er sonst keine berückende Komplexität zeigt. Ist immernoch nicht fertig, und evtl. sogar in einer etwas schwierigen Phase.

Das ist ein guter bis sehr guter Wein. Aber in dieser Qualität gibt es vieles für deutlich weniger Geld. Ich fühle mich bestätigt, seit den 2016ern nicht mehr zu kaufen. Es sind noch einige Flaschen da, die, so scheint es, jetzt erst so langsam zugänglicher werden. Auch das ein Kriterium, das mich nicht zum Nachkauf animiert. Dennoch freue ich mich, die verbleibenden Flaschen noch ein ganzes Weilchen zu begleiten.
Besten Gruß, Karsten
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amateur des vins

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Re: Burgund 2011

BeitragDi 13. Apr 2021, 17:39

Der Korken war oben schimmelig, und die Spindel ließ sich ominös leicht eindrehen: So hatte ich schon ein paar Bedenken. Die Operation verlief letztlich aber vollkommen unproblematisch, auch wenn der Zapfen bis auf einen ganz schmalen Streifen komplett durchfeuchtet war.

Schnell zwei Probeschlucke abgezweigt, und den Rest karaffiert.

Henri Boillot, Meursault Genevrières 2011

Brilliantes helles Goldgelb mit minimalem grünlichen Schimmer.
In der Nase sehr deutlich Holz, aber auch sehr harmonisch. "Nur" (noch?) mäßig Schwefel/Reduktion. Leicht grünliche Zitrusnoten. Schon nach wenigen Minuten dreht er im Glas enorm auf und zeigt dann grandiose Harmonie und Balance, Intensität und "Mineralität".
Am Gaumen fast schlank bei enormer Intensität. Alles wie in der Nase. Tolle knackige Säure, deutliche Adstringenz. "Unendlich" lang.

Großartig, und womöglich der bisher beste Auftritt aller Henri-Boillot-Weine, die ich je hatte. (@Rolf: Das schließt den Corton-Charlemagne und auch den Mouchère in Ffm ein! Du würdest diesen hier mögen...)

Sieht ganz so aus, als wäre ich bei Boillots 1er und Grand Crus einfach nur (wieder) zu ungeduldig gewesen!? Es zeichnet sich doch deutlich ab, daß sie jetzt (erst) langsam zusammenkommen. Auch dieser hier ist, bei aller Harmonie, sicher immernoch jugendlich und erst am Beginn der Reifephase. Ich muß meine zuletzt sehr kritischen Worte (zu jüngeren Jahrgängen) doch deutlich relativieren, wenngleich das Preisproblem natürlich bleibt.

Ich bin gespannt, wie er sich gleich nach der Belüftung zum Essen präsentieren wird. Die Begeisterung brauchte aber erstmal ein Ventil... :ugeek:
Besten Gruß, Karsten
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amateur des vins

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Re: Burgund 2011

BeitragSa 20. Nov 2021, 23:51

Heuteabend zur Hirschkeule:

Henri Boillot, Pommard 1er Cru Rugiens 2011

Kein Rand, minimal bräunliche Tendenz nur bei stark gekipptem Glas (= dünne Schicht) zu erkennen.
In der Nase saure rote Frucht (Kirsche, Johannisbeere, Cranberry) und Spuren von Leder, Rauch, Graphit.
Am Gaumen für einen 10-jährigen Burgunder erstaunlich präsente Tannine. Die Säure frisch, fast spitz. Die Frucht linear rot und sonst wenig mehr.

Diese Flasche war eine Enttäuschung. Der Wein war unterkomplex, die Substanz nicht ausreichend, Balance nicht gegeben. Aufgrund der Struktur sehe ich auch nicht, was da noch kommen könnte. Ein Fehler hat sich mir nicht aufgedrängt, aber das Gesamtbild würde auch zu einem Korkschleicher passen, wie mir erst jetzt beim Schreiben auffällt.
Zuletzt geändert von amateur des vins am So 21. Nov 2021, 11:14, insgesamt 1-mal geändert.
Besten Gruß, Karsten
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stollinger

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Re: Burgund 2011

BeitragSo 21. Nov 2021, 09:59

Hi Karsten,

könnte aber auch einfach ein Kind des Jahrgangs sein. Schau mal hier, Seite 22 im Jahrgangsbericht des Bureau Interprofessionel des Vins de Bourgogne: [Link]

Agressive Tannine, wenig Fruchtausprägung, auf späten Terroir bzw. bei früher Lese ist das wohl auch nicht vollständig verschwunden. Der Village-Teil von Rugiens hat beginnende nord-ost Ausrichtung, würde m.M. nach ins Bild passen.

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Burgund 2011

BeitragSo 21. Nov 2021, 11:33

Danke für den Link, Josef!

Ja, 2011 war bekanntermaßen schwierig und keineswegs herausragend gut. Wo im Bericht hast Du von aggressiven Tanninen gelesen? Ich habe beim Querlesen mitgenommen, sie seien am Ende doch reif geworden. Man sieht aber schön, daß die Säure eher höher ist. Das Verhältnis zwischen fruchtigen und kräuterigen Aromen geben sie als gut an. Allerdings hatten sie Schädlingsdruck, der die Entscheidung zwischen gesund oder reif schwierig machte. Wie es im Einzelfall aussah, wissen wir nicht.

In diesem Wissen fand ich nichts Auffälliges, das mich an einen Fehler hätte denken lassen. Deshalb kam der Gedanke an diese Möglichkeit erst verspätet. Ich glaube allerdings eher, daß der Wein korrekt und "nur" nicht besonders gut war (gemessen am Potential).

Rugiens (-Bas & -Haut) ist m.W. komplett 1er Cru (hab's oben ergänzt) und wird wohl sogar von manchen als heimlicher Grand Cru an der Grenze zur Promotion angesehen. Da sollte ein Spitzenwinzer wie Boillot trotz schwieriger Saison mehr daraus machen können, möchte man meinen (hoffen).

Mal sehen, eine Flasche habe ich noch, die ich nach dieser Erfahrung nicht mehr sehr lange liegen lassen werde. Ich werde mich dann hoffentlich an diese erinnern, um zu vergleichen.
Besten Gruß, Karsten
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