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Beaujolais

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragDo 11. Mär 2021, 15:23

. . . und jetzt nochmal drei 2005er, und zwar

– Château Thivin: Côte de Brouilly
– Georges Viornery: Côte de Brouilly
– Nicole Chanrion: Côte de Brouilly

Der Thivin tritt an in auffällig klarem, leuchtendem dunklen Kirschrot. Der Nase bietet sich Frucht, Leder, Waldbeeren, Kaffee, allerdings alles zunächst recht verhalten. Am Gaumen dann deutlich frische Säure, die aber schnell in zarte rote Frucht gleitet, die lange verweilt. Der Wein ist saftig und fließt wunderbar. Nur ein Hauch von Reife ist bemerkbar, Pflaume gibt sich zu erkennen. Ein sehr feiner , ja, eleganter Wein mit erstaunlicher Länge. Nach etwa drei Stunden zeigt sich eine deutliche Adstringenz im Ausklang, die anfänglich kaum wahrnehmbar war, und die Säure führt einen leichten Alterston mit sich.

Der Viornery erscheint etwas dunkler als der Vorgänger und nicht so klar. Der Nase bietet sich wenig, vielleicht eine gewisse Erdigkeit, vielleicht auch schüchterne Himbeere. Am Gaumen dann zunächst ordentliche Säure und sofort eine starke Adstringenzattacke. Der Wein erscheint schwer zugänglich. Da ist wieder etwas Erdiges, die Frucht ist diffus, er endet stumpf und – es wird deutlich, daß er nicht mehr der jüngste ist. Nach zwei, drei Stunden allerdings steht er besser da. Er wirkt dichter, frischer, deutlich angenehmer, Frucht wird faßbar, auch ein Hauch von Holz. Nach weiteren drei Stunden, davon mindestens eine im Glas, wirkt alles nur noch dünn.

Chanrion: Farblich wie der ‚Thivin’ – mit vielleicht etwas helleren Rändern. In der Nase komplexe angenehme Noten von Leder, pflaumiger Frucht, einem Hauch von Rauch, evtl. auch Zimt, Kaffee. Am Gaumen wirkt er cremig, samtig, bietet frische Säure, reife Frucht und endet in unaufdringlicher, aber deutlicher Adstringenz. Nach etwa sechs Stunden ist diese gänzlich verschwunden; übrig bleiben wunderbar weiche Waldfrüchte: der Wein bietet jetzt eine Harmonie von Süße, Säure, Würze und hat auch an Länge gewonnen. Er macht auf einmal großen Spaß.

War der ‚Thivin’ mit seiner Feinheit und Eleganz zunächst der Favorit, so war es am Ende der ‚Chanrion’ mit seiner Samtigkeit und runden Frucht. Wem hätte man den Vorzug gegeben, hätte man einen frisch geöffneten ‚Thivin’ mit einem einige Stunden offenem ‚Chanrion’ direkt vergleichen können? Erstaunlich jedenfalls das so unterschiedliche Verhalten der Weine im Kontakt mit der Luft.
Ole
Zuletzt geändert von Ole am Do 11. Mär 2021, 21:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragFr 12. Mär 2021, 11:11

Herzlichen Dank, Ole!
Die Brouilly-Weine wirkten gleich ganz anders als die aus Fleurie oder Morgon...
Sie hatten etwas Erdhaftes und waren schwerer zu durchschauen. Nicht verspielt, sondern eher wie feste, aber etwas verwirrende Waldwege….

Thivin mit kräftiger Waldbeeren- und Pflaumennase. Im Mund füllig-feiner Fruchteindruck, auch etwas mürbe und mit verschiedenen Reifenoten. Geschmeidig und dabei sehr stabil, intensiv und balanciert.
Reife und oxydierte Noten werden im Lauf der Zeit deutlicher. Zum Schluss auch ganz viel Kaffee.

Viornery ein kleines Chamäleon. Geruchlich dringe ich zuerst wenig wenig durch. Dann gefällt er mir besser als Thivin, dann kann ich Oles Urteil „rustikal“ nachvollziehen, dann…. Der Wein ist recht kompakt, wie in ein Korsett gezwängt. Ansonsten eigentlich rund mit Tanningerüst, würziger Säure und obendrauf bei jedem Schluck ein Fruchteindruck, der häufig einen hübschen Vanille-/Holzakzent besaß. Es schien dem Alter geschuldet, dass er etwas verwaschen - die Frucht wie unter Farbverlust - und oft auch dürr wirkte. Ein gut gebauter Wein für seine (vergangene) Zeit, der nicht für Altweintrinker :?: gedacht war? Als wir nach diesem Befund nicht mehr so viel vom Viornery erwarteten, drehte er später noch einmal auf, erfrischt und ein kleines Feuerwerk abfackelnd, bis er wieder ermattete.

Chanrion überzeugt mich durchweg. Intensiver, aber nicht aufdringlicher, "weicher" Ledergeruch.
Im Mund Eleganz, Komplexität, Frische, eine spannungsfördernde Adstringenz und reife (Pflaumen-)-frucht, sehr definiert und wie „ausformuliert“ … Ich hatte das Gefühl, der Wein will das genau so… ist in diesem Moment so bestimmt und „beseelt“ wie eine Pflanze in einer Phase ihres Lebenszyklus. Ein besonderes Vergnügen war, wie er die gereifte Frucht bei jedem Schluck fein zu zeichnen scheint. Bei diesem großen Wein lief mir ein Schauer über den Rücken. Mit mehr Luft wurde er noch frischer und die Frucht fröhlicher, fast wie in Fleurie. Wobei beim Nachprobieren sämtlicher Weine (die reifer schmeckten als die meisten bisher probierten 2005er und schneller geleert wurden) immer wieder verblüffende Veränderungen zu beobachten waren.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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amateur des vins

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Re: Beaujolais

BeitragFr 12. Mär 2021, 11:47

Kle hat geschrieben:Die Brouilly-Weine wirkten gleich ganz anders als die aus Fleurie oder Morgon...
Sie hatten etwas Erdhaftes und waren schwerer zu durchschauen. Nicht verspielt, sondern eher wie feste, aber etwas verwirrende Waldwege…
Naja, es waren ja auch keine Brouilly, sondern Côte de Brouilly. Das ist schon ein Unterschied: An der Côte, also den Hängen des Hügels, sind viel härtere Böden, Granit und Blauschiefer. Die Weine haben auf mich stets erheblich "mineralischer" gewirkt, als ihre Brüder aus der flachen Umgebung, wo viel Schwemmmaterial vorliegt.

Deine Eindrücke spiegeln das gut wider.
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Beaujolais

BeitragFr 12. Mär 2021, 11:54

Beaujolais ist nicht so sehr meine Baustelle, und das meiste, was ich bisher aus dem Gebiet im Glas hatte, fand ich eher so lala. Die Notiz zu den Weinen von Chateau Grange Cochard haben mich aber neugierig gemacht. Und ich habe mir mal etwas davon besorgt. Gestern war der 19er Morgon ‚Les Charmes’ dran. Nachfolgend nochmal die Notiz von Ole zu diesem Wein:
Ole hat geschrieben:Der Wein präsentiert sich in tiefem, transparentem Kirschrot und verströmt – zunächst nur zögerlich – frische rotfruchtige Noten, auch Blütiges und Kräuteriges ist dabei. Der Duft wird zunehmend intensiver, er wirkt sehr animierend. Der erste Eindruck am Gaumen dann: geschmeidig, samtig, seidig, ein rundum angenehmes Mundgefühl; ein guter Körper, nicht mager, nicht fett, wird spürbar, Kirsch- und Brombeernoten im Vordergrund, evtl. Backpflaume und Mandeliges, zarte Säure, ein Hauch von feinen Tanninen, saftig, komplex, harmonisch, sehr lang, gegen Ende leicht adstringierend – und trotz seiner Jugend durchaus schon gut trinkbar, wobei er mit Sicherheit noch zulegen wird, wenn er Zeit bekommt.

Ich kann das meiste davon nachvollziehen. Bei mir war der Wein allerdings sofort voll da, auf der typischen Beaujolais-Frucht, die ich immer etwas bonbonhaft finde (was nicht unbedingt negativ gemeint ist, es gibt auch qualitativ gute Bonbons). Hier kam ein sehr würziges Element hinzu. Eine deutliche Veränderung gab es aber am Gaumen: während der erste Schluck noch relativ leichtgewichtig wirkte, gewann der Wein laufend an Struktur und Dichte und war für meine Begriffe am Ende (für Beaujolais) ein ziemlich dickes Geschoss, aber dank der Säure überhaupt nicht schwerfällig. Wie geschrieben: saftig und harmonisch. Gefällt mir sehr.

Gruß
Ulli
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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragMo 15. Mär 2021, 16:42

UlliB hat geschrieben:An der Côte, also den Hängen des Hügels, sind viel härtere Böden, Granit und Blauschiefer. Die Weine haben auf mich stets erheblich "mineralischer" gewirkt, als ihre Brüder aus der flachen Umgebung, wo viel Schwemmmaterial vorliegt.

Merkwürdig, minerlalisch wirkte eigentlich keiner der drei Weine, obwohl sie sämtlich von der Côte und – von den Platzhirschen stammten. Als mineralisch erinnere ich allerdings den 'Melanie' von Bouland. Der war allerdings nicht dabei.
Ole
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UlliB

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Re: Beaujolais

BeitragMo 15. Mär 2021, 16:47

Ole hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:An der Côte, also den Hängen des Hügels, sind viel härtere Böden, Granit und Blauschiefer. Die Weine haben auf mich stets erheblich "mineralischer" gewirkt, als ihre Brüder aus der flachen Umgebung, wo viel Schwemmmaterial vorliegt.

Merkwürdig, minerlalisch wirkte eigentlich keiner der drei Weine, obwohl sie sämtlich von der Côte und – von den Platzhirschen stammten. Als mineralisch erinnere ich allerdings den 'Melanie' von Bouland. Der war allerdings nicht dabei.
Ole

Hallo Ole,

das Zitat ist nicht von mir, sondern von Karsten (amateur des vins). Da hat Du bei der Zitierfunktion irgendwie danebengelangt ;)

Gruß
Ulli
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Re: Beaujolais

BeitragMo 15. Mär 2021, 18:20

UlliB hat geschrieben:das Zitat ist nicht von mir, sondern von Karsten (amateur des vins)
..., aber der Inhalt dadurch ja nicht per se falsch. :P

Ole, was ist denn für Dich "mineralisch"?
Es ist schon ein bißchen her, aber Côte de Brouilly kam mir - gerade im direkten Vergleich - regelmäßig (von Ausnahmen bestätigt) steiniger, kantiger, manchmal fast einen Hauch "metallischer" vor als Brouilly (und auch andere Beaujolais), die mir tendenziell eher rotfruchtig erschienen. Natürlich alles nur in Nuancen.

That said: Gerade vor kurzem schrieb ich, daß ich den Winzereinfluß für stärker als den der Lage halte. Da ich bei weitem keinen umfassenden Überblick über die Côte de Brouilly habe, könnte es auch schlicht daran liegen...
Besten Gruß, Karsten
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragMo 15. Mär 2021, 18:41

Ole hat geschrieben:Merkwürdig, minerlalisch wirkte eigentlich keiner der drei Weine, obwohl sie sämtlich von der Côte und – von den Platzhirschen stammten.
Ole

Nicht mineralisch in dem diffus-landläufigen Sinn, wie er normalerweise gebraucht wird. (Wobei niemand ihn genau definieren kann und trotzdem jeder auf geheimnisvolle Weise weiß, was gemeint ist.)
Trotzdem hatte es auch nach meinem Verdacht etwas damit und der „Erde“ zu tun. Daher sprach ich zu Deiner verständlichen Irritation zuerst von „schwerblütig“ und revidierte mich auf „erdig“.

Gruß, Carsten
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Tristram Shandy
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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 00:25

amateur des vins hat geschrieben:Gerade vor kurzem schrieb ich, daß ich den Winzereinfluß für stärker als den der Lage halte.

Ja! Das ist auch meine feste Ãœberzeugung! Die Frage ist allerdings: Welche Schwerpunkte setzt der Winzer? Arbeitet er den Boden-/Lagencharakter heraus oder setzt er die Akzente auf Frucht, auf Jahrgang oder ist ihm die Entwicklung eines ganz eigenen Stils das Wichtigste.
Ole
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amateur des vins

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 01:13

Ole hat geschrieben:Die Frage ist allerdings: Welche Schwerpunkte setzt der Winzer? Arbeitet er den Boden-/Lagencharakter heraus oder setzt er die Akzente auf Frucht, auf Jahrgang oder ist ihm die Entwicklung eines ganz eigenen Stils das Wichtigste.
Ich halte es für relativ wahrscheinlich, daß das Wichtigste häufig ist, genug Geld zu verdienen. Romantik kommt dann später. Und wenn der Nachbar oder die regionale Koryphäe Erfolg hat, ist es naheliegend, dem nachzueifern. So hat man einen regional normativen Effekt; Ausnahmen bestätigen die Regel.
Besten Gruß, Karsten
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