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Beaujolais

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragMo 13. Dez 2021, 00:00

Kle hat geschrieben:...was aber nicht bedeutet, auf sie leicht verzichten zu können.

Natürlich nicht! Aber Preis und Qualität stehen jedenfalls von vornherein nicht in einem direkten Zusammenhang, wie man ja vielleicht denken mochte. Für den Preis eines Weins gibt es ganz verschiedene Gründe, u. a. auch historische, siehe den Vergleich Beaujolais/Burgund etc. Die Bereitschaft allerdings, fast jeden Preis für einen bestimmten Wein zu zahlen, gründet sich letztlich im Irrationalen, besser: Individuellen, Subjektiven. Wenn ich, aus einem – von theoretisch unendlich vielen – ganz persönlichen Gründen einen Wein unbedingt haben will, werde ich bereit sein, (fast) jeden Preis zu zahlen, eben auch einen solchen, der mit dem objektiven „Gebrauchswert“ des Weines nichts zu tun hat. Es muß dann nicht heißen: Der Wein ist den Preis wert, sondern er ist mir den Preis wert! Der Handel suggeriert dagegen oft eine direkte Relation von Preis und Qualität.
Ole
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragMo 13. Dez 2021, 18:39

Ole hat geschrieben:Für den Preis eines Weins gibt es ganz verschiedene Gründe, u. a. auch historische, siehe den Vergleich Beaujolais/Burgund etc. Die Bereitschaft allerdings, fast jeden Preis für einen bestimmten Wein zu zahlen, gründet sich letztlich im Irrationalen, besser: Individuellen, Subjektiven.

...wir kennen jenen auf beide B´s spezialisierten Händler, der liebevoll seine Beaujolais-Auswahl pflegt, obwohl die Nachfrage mäßig ist, und dem hochpreisige Neuware aus dem Burgund oft binnen weniger Tage weggekauft wird. Hauptsache, der Preis ist dreistellig, so scheint es oft beim Blick auf die gesuchtesten Weine, die von der Fachpresse oft nicht einmal sensationell bepunktet werden. Erwiesen ist irrationales Verhalten aber nur bei mir.
Denn obwohl ich mich mit Burgund wenig auskenne, lasse ich mich manchmal mitreißen, zwar keinen der extrem teuren, aber doch Wein aus einer Preiskategorie spontan zu kaufen, bei der ich normalerweise sehr vorsichtig wäre. Verschiedene „Trigger“ spielen dafür eine Rolle und entschuldigen kann ich es nur durch teilnehmende Selbstbeobachtung. Ich sehe es als ein kleines Experiment: Bald wird mir klarer sein, ob der Schwarm-Kaufreflex Berechtigung haben und zu herausragenden Genusserlebnissen führen kann. Oder ob die Ermahnung zurückbleibt, sich bitte streng auf sich selbst zu verlassen.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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amateur des vins

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Re: Beaujolais

BeitragMo 13. Dez 2021, 22:01

Meine Beaujolais-Vorräte sind erschreckenderweise auf nahe null abgeschmolzen. :shock: Nach all' den schönen Notizen hier habe ich aber doch noch eine Flasche ausgraben können:

Thillardon, Les Blémonts 2015

Anscheinend nimmt der Winzer es sehr genau, denn auf dem Etikett sind tatsächlich genau 13,9% Alkohol ausgewiesen. 8-)
Die Robe ist ein mitteldichtes (-) Rubinrot mit einem Hauch Purpur und einem schmalen leicht lachsfarbenen Rand.
In der Nase finde ich Blaubeeren, etwas leicht Viszerales und einen Hauch Blut/Eisen. Direkt nach dem Schwenken wirkt er erstaunlicherweise deutlich (rot-)fruchtiger (Himbeere, Herzkirsche), als wenn man das Glas einen Moment stehenläßt.
Am Gaumen reif, kühl und frisch. Ganz leichte superfeine Adstringenz. Hier auch eher rotfruchtig, was mich spekulieren läßt, ob die viszeral-blutigen Assoziationen womöglich auf volatile Säure zurückzuführen sein könnten?
Wundervoll harmonisch und balanciert.

Ein wirklich schöner Wein, der mich daran erinnert, doch den einen oder anderen Beaujolais aufzustocken.
Besten Gruß, Karsten
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EThC

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Re: Beaujolais

BeitragMo 13. Dez 2021, 22:15

amateur des vins hat geschrieben:etwas leicht Viszerales
...nur interessehalber: was genau assoziierst Du damit? Lunge, Nieren, Leber, Kutteln, Matumbo? :?
Viele Grüße
Erich

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amateur des vins

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Re: Beaujolais

BeitragMo 13. Dez 2021, 22:27

EThC hat geschrieben:
amateur des vins hat geschrieben:etwas leicht Viszerales
...nur interessehalber: was genau assoziierst Du damit? Lunge, Nieren, Leber, Kutteln, Matumbo? :?
Wenn ich wüßte, wtf das ist, wäre es bestimmt Matumbo. :P :lol:

Aber dank Deiner Nachfrage merke ich jetzt, daß ich den falschen Begriff verwendet habe. :roll:
Ich meine mich an eine Note dunklen Fleisches (Haar- oder Federwild) mit leichtem Hautgout erinnern zu können.
Besten Gruß, Karsten
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EThC

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Re: Beaujolais

BeitragMo 13. Dez 2021, 22:40

amateur des vins hat geschrieben:Ich meine mich an eine Note dunklen Fleisches (Haar- oder Federwild) mit leichtem Hautgout erinnern zu können.
...ok, das kann ich ungefähr einordnen! :mrgreen:
Btw: Matumbo ist eins der Kenyanischen Nationalgerichte und enthält vor allem alle Rindermagenteile, die's so gibt. Für europäische Geschmäcker höchst gewöhnungsbedürftig... :shock:
Viele Grüße
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragDi 28. Dez 2021, 18:51

Tipp für Bojo-Muffel: Grégoire Hoppenot, Fleurie 2019, Climat „Les Moriers“. Laut Etikett vom 260-340 Meter hohen Granitfels Ost nach Nordost. Für mich ein Musterbeispiel für die zwei Gesichter des Beaujolais: Zuerst stramme Gamay-Frucht, urwüchsiger Beaujolais-Hautgout, so dass ich die Lust verlor. Nach mehr Luft etwas wie feuchter Stein und Kohlenstaub, würzige Säure, schließlich eine frische Frucht, substanzvoll und zart. Ihre Kirsch- und Himbeeraromen lassen ihre Herkunft oft vergessen, finden aber immer wieder ins „Beaujolais-Typische“ zurück. Hmmm, eine faszinierende unfruchtige Note im Wein -etwas zwischen Mineral und Kräuter :D - die dann von der Frucht aufgenommen wird.
Ein saftiger, nuancenreicher Wein, dicht und beschwingt.

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Ralf Gundlach

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Re: Beaujolais

BeitragFr 28. Jan 2022, 20:36

Heute hatte ich mal richtig Lust auf einen Beaujolais und habe mir einem bei einem ortsansässigen Weinhändler in der Innenstadt besorgt. Und der gefällt mir durchaus gut.:

2019 Fleurie Jean-Pierre Large

In der Nase Schattenmorellen. Am Gaumen bilden Schattenmorellen, Kräuter und Holunderbeeren ein harmonisches Trio. Geht Richtung mittelgewichtig. Nicht unbedingt besonders komplex. Aber mit einer feinen und eleganten Seite. Im Abgang zeigen sich dezente Tannine.Das ist ein schöner Fleurie mit gerade mal 12,5 % Alkohol. Geht vollkommen unbeschwert die Kehle runter. Verursacht keinen Knoten im Kopf oder im Portemonnaie.

88 Punkte. Hat 12,50 Euro gekostet.

Gruß

Ralf
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Re: Beaujolais

BeitragDo 24. Mär 2022, 13:57

...wenn Gamay nicht nach Gamay schmeckt, dann schmeckt's mir auch:

Bild
Viele Grüße
Erich

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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragDo 21. Apr 2022, 14:14

Nach der Prüfung diverser 2005er Beaujolais (s.o.), die sich ausnahmslos in guter Form zeigten, ging es nun an vier Flaschen aus den Jahrgängen 2007 und 2008. Die Erwartungen waren nicht allzu hoch, werden die ja eher als schwächere Jahre gesehen. Parker bewertet 2007 mit 85, 2008 mit 86. Zum Vergleich: 2005 erhielt von ihm 95 und 2009 gar 96! Wir staunten dann aber nicht schlecht:
2007 Piron-Lameloise: Chenas ‚Aroma’
Am Rand Mahagoni, im Kern dunkles Rot; der Nase bieten sich verführerische Fruchtnoten; am Gaumen dann entfaltet sich eine wunderschöne reife, seidige Säure, umspielt von Noten sommerpraller Pflaumen, gepaart mit einem Hauch von Himbeeren und Erdbeeren; Kaffeenoten stellen sich ein. Der Wein wirkt süffig, vollmundig und vermittelt ein großartiges Mundgefühl; immer neue Fruchtakzente werden spürbar, ein wahres Aromenspiel entfaltet sich; ein interessanter Wein, der Überraschungen bietet, changiert und kaum festzulegen ist. Der macht Spaß und – ist voll da: sein Alter von 15 Jahren merkt man ihm jedoch nicht an.
2007 Clos de MEZ: Morgon ‚Chateau Gaillard’
Der ist etwas heller und röter als der Vorgänger; in der Nase Brombeeren, Pflaumen, auch Blüten und vor allem zarte, aber deutliche Vanille; am Gaumen dann dominieren dunkle Töne: Brombeere, Unterholz, da ist Tiefe; Adstringenz stellt sich ein, am Ende rauer werdend; ein vollmundiger ernster Wein.
2008 Daniel Bouland: Morgon Vieilles Vignes
Dunkles Rot ohne jeglichen Braunton; in der Nase dunkle Früchte, Blaubeeren, schwarze Johannisbeeren, dazu ätherische Noten; am Gaumen große Frische und kompakte Frucht; der Wein ist schwer zu durchdringen, erscheint monolithisch, körperreich, er tänzelt nicht, wirkt ernst, gewichtig. Und dabei recht jung.
2008 L. C. Desvignes: Morgon ‚Javernières’
Im Glas etwas heller, ein Hauch Mahagoni; in der Nase dem Bouland ähnlich, allerdings mit einem Pflaumenakzent und insgesamt wärmer wirkend; am Gaumen dann große Feinheit, fast Leichtigkeit, differenziertes Aromenspiel, seidige Säure, ein durchaus eleganter Wein!
Das waren vier seriöse Weine, die alles andere als mittelmäßig daher kamen. Als sie durchprobiert waren, sahen wir uns nicht in der Lage, spontan einen Favoriten zu benennen; nach intensivem Gegeneinanderprobieren und direktem Vergleichen einigten wir uns auf den Desvignes als Wein des Abends.
Ole
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