Bordeaux - wohin geht die Reise?

Sonderlich zimperlich war man in Bordeaux in den letzten 25 Jahren nie, wenn es um den Einsatz von Hightec zur (vermeintlichen) Verbesserung der Weinqualität ging. Nachdem man seit dem Ende der 80er in schwächeren Jahren technische Verfahren zur Erhöhung der Mostkonzentration eingesetzt hat, wird man in besseren Jahren jetzt halt welche zur Erniedrigung einsetzen (die desucrage wurde als eine Option bereits im zitierten Artikel von Herrn Scheuermann erwähnt; eine Alternative ist eine Teilentalkoholisierung des fertigen Weines, die in Kalifornien schon seit einigen Jahren praktiziert wird).

Ggf. könnte man natürlich auch einfach Wasser in den Most kippen, um einen ähnlichen Effekt zu erreichen, aber das man würde doch nie nicht

Wie ein 15-Prozenter schmeckt - und vor allem, wie er sich langfristig entwickelt - wenn man ihn mittels Technologie um ein paar Prozente Alkohol erleichtert, ist natürlich die Frage. Die Zeit wird's zeigen, wie es die Zeit auch bei ein paar Mostkonzentrationsweinen gezeigt hat. Aber bevor man im Bordelais großflächig auf andere Rebsorten umstockt, wird man mit Sicherheit erst einmal die Technikkarte ziehen. Und wer als erster dabei ist, darf man mal raten.

Gruß
Ulli

Anstatt Wasser in den Most zu kippen, könnte man die Einstellung des gewünschten Alkoholgrades ja auch dem Konsumenten überlassen:
Troplong Mondot 2010 Cask Strength (wer braucht schon Lagavulin?)...

Anstatt Wasser in den Most zu kippen, könnte man die Einstellung des gewünschten Alkoholgrades ja auch dem Konsumenten überlassen:
Troplong Mondot 2010 Cask Strength (wer braucht schon Lagavulin?)...

Alternativ wäre es auch möglich, Eis oder Schnee dem überalkoholischen Wein beizumischen, dann eignet er sich auch als Getränk für den heißen Sommernachmittag....

Hallo,

angeregt von der Einschätzung von Matthias Hilse Von Speeren und Weinbewertungen und seiner These, dass die vielen Wunderjahrgänge Parker und anderen Kritikern die Bewertungsskala zu explodieren droht und eine Kalibrierung des Punkteschema notwendig wird, wollte ich diese Aussage einmal empirisch überprüfen.

Ich habe dazu:

1) die Jahrgangsbewertungen 2009-1978 für Paulliac von Parker genommen (Ausnahme 1984, da hier ein Wert bei RP fehlt)
2) Die Punktewerte von 90plus (Mittelwert aus Parker, Janice R., WS, IWC etc.).
3) das ganze mit zwei Premier Cru und einem Vergleichswein aus Paulliac gekreuzt:

Voila


Das Foto scheint auf meinem Bildschirm rechts etwas abgeschnitten zu sein. Daher hier die Legende:

die schwarze Linie ist die durchschnittliche Jahrgangswertung
Rot= Lafite
Blau= GPL
Grün= Mouton
Die unterbrochenen Linien sind Trendlinien, um folgende Entwicklungen erkennbar zu machen:

- Die Jahrgangskurve zeigt linear nach oben
- Die Premier Cru sind seit den 80er Jahren in schlechten Jahrgängen immer besser als die Jahrgangskurve
- Der kleine Wein ist in schlechten Jahrgängen sogar noch schlechter als die Jahrgangskurve
- Im Fall von Mouton gelingt es Mitte der 80er, die Jahrgangskurve zu schneiden, nachdem die Weine in den 70ern unterirdisch waren
- Normale GC Weine verkürzen langsam den Abstand zur Jahrgangskurve
- Die Premier Cru steigen in den Punkten stärker als die Jahrgangswertung an.

Bestätigt meines Erachtens die Richtigkeit der Aussage von Herrn Hilse, aber schließlich habe ich auch die Kurve "gefälscht".

Wenn die Jahrgänge immer besser werden, fällt eine Differenzierung zusehends schwerer und das bisherige Punkteschema droht zu inflationieren. Deshalb muss die Kurve relativ gesehen abgesenkt werden. Diese Aussage muss man auch im Hinblick auf die Jahrgangswertung treffen. Wenn Parker nun schreibt 2010, 2009 (99 Punkte) und 2005 (95*) seien die besten Jahrgänge seiner Karriere, dann hat er wohl die Wertung für 1996 (96*) und 1990 (98*) "vergessen"

Grüße,

wolf

[weinfex]

quod erat demonstrandum

Immer wieder wird der Klimawandel als einer der Hauptgründe für die hohen Alkoholgradationen der Bdx-Weine der vergangenen Jahre genannt. Heute sind mir beim Aufräumen des Weinkellers - was soll man an einem so verregneten Sonntag sonst schon machen (bitte jetzt keine Vorschläge ) - einige 2003er in die Hände gefallen. Es waren folgende Alkoholgradationen angegeben:

Cantemerle 12,5%
Lafite 12,5%
Giscours 13%
Talbot 13%
Beychevelle 13%
Sociando 13%

Da stellt sich mir die Frage, wieso in einem der heissesten Jahrgänge noch Weine mit 12,5 und 13% Alc. produziert werden konnten, während inden beiden letzten Jahrgängen Konzentrationen von 14% und mehr (angeblich?) unvermeidbar waren. Vielleicht hat ja jemand die Antwort.

Beste Grüsse

dylan

Da stellt sich mir die Frage, wieso in einem der heissesten Jahrgänge noch Weine mit 12,5 und 13% Alc. produziert werden konnten, während inden beiden letzten Jahrgängen Konzentrationen von 14% und mehr (angeblich?) unvermeidbar waren. Vielleicht hat ja jemand die Antwort.

Hallo dylan,

leider habe ich keine Antwort.

Folgendes wundert mich aber: es gibt - so meine ich - für jeden Bordeaux Jahrgang genaue Daten über die Durchschnittstemperatur während des Jahres und während der einzelnen Monate und über die Zeitpunkte des Austriebs, der Blüte, des Reifebeginns und der Lese, und zwar für den Cabernet Sauvignon und den Merlot, vielleicht auch für den Cabernet Franc. Es müsste eigentlich möglich sein, diese Daten in den einzelnen Jahren mit dem Alkoholgehalt der Weine in Relation zu setzen. Mir ist aber keine Studie oder kein Artikel bekannt, der diese Relation für Bordeaux herstellt.

Hier hatten wir bereits über eine Studie diskutiert, die zu dem Ergebnis kommt, dass die klimatischen Veränderungen nur zum Teil für den höhreren Alkoholgehalt vieler Weine verantwortlich sind (diese Studie ist ganz gut bei Herrn Dr. Supp hier zusammengefasst). Die Studie hatte sich aber nicht auf Bordeaux konzentriert, sondern weltweite Daten ausgewertet.

Im gleichen Thread zu finden ist der Alkoholgehalt von Château Clinet, der sich über einen Zeitraum von 23 Jahren von 12,5 Volumenprozent hin zu 14 Volumenprozent entwickelt hat, wobei er über den Zeitraum von 1987 bis 1999 und über den Zeitraum von 2000 bis 2008 stabil geblieben war (trotz wahrscheinlich erheblich unterschiedlicher klimatischer Bedingungen je nach Jahrgang, die - so würde man meinen - auch zu unterschiedlichen Alkoholgradationen führen müssten). Es kann übrigens für Ch. Clinet der Jahrgang 2010 mit 14,5 Volumenprozent ergänzt werden.

Es wundert mich sehr, und ich habe noch keine plausible Erklärung dafür gefunden/gelesen, warum gerade in den Jahren 2008 bis 2010 der Alkoholgehalt bei vielen Gütern so hoch ausgefallen ist. Ich denke, das wäre eigentlich mal ein interessantes Thema für die Weinjournalisten. Man könnte sich einer Bewertung der Ergebnisse enthalten - hoher Alkohol muss ja nicht zwingend schlecht sein. Es wundert mich etwas, warum dieses Thema so wenig Beachtung findet, wo doch alle möglichen anderen Aspekte von Bordeaux bis ins Detail untersucht werden.

Setzt wahrscheinlich Wissen und gründliche Recherche voraus