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Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussagen?

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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ledexter

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Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussagen?

BeitragSa 4. Mär 2023, 11:55

Beim herumstöbern und auch aus eigener Erfahrung, ist mir eine interessante Begebenheit aufgefallen. Und zwar, dass die historische Bewerung mancher Weine, ein paar Jahrzehnte später doch weit mit der aktuellen Bewertung auseinanderklafft.

Besonders krass ist mir das gerade bei Château Montrose 1983 aufgefallen. Wo die Bewertung auf Winesearcher bei 85 PT und bei GWS 84 PT liegt, Robert Parker hat ihn gar mit nur 83 PT verrissen, was ja annähernd ungenießbar bedeuten würde.

Hingegen überschlagen sich die positiven Bewerungen auf Cellartracker, da hat es in den letzten paar Jahren häufig 95, 96 oder 97 PT gegeben und der Durchschnitt aus 75 tastings ist 91.5 PT. Denkt ihr die Entwicklung eines Weines lässt sich überhaupt anhand des jungen Geschmacksbildes voraussagen? Oder sind generelle Erfahrungswerte vielleicht seriöser wie „Montrose ist ein Langläufer, der wird in 40 Jahren gut sein, alles vorher ist Kaffesatzleserei“?
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EThC

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSa 4. Mär 2023, 12:10

ledexter hat geschrieben:Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussagen?
...nö :!: :mrgreen: :twisted:
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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ledexter

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSa 4. Mär 2023, 12:13

Das würde ja bedeuten der Weinkritiker ist ein nutzloser Scharlatan :mrgreen: Über was wird hier dann bitte Seitenweise diskutiert?
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ledexter

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSa 4. Mär 2023, 12:52

Es gab sogar noch schlimmere Ratings, wobei das von Neal Martin von 2016 ist :?: Entweder die Cellartracker Gemeinde schmeckt hier komplett an den Kritikern vorbei, oder es gab eine Wunderentwicklung.

Another so-so St.-Estephe from the 1983 vintage, Montrose produced a wine that remains youthful and tannic, but there is little underlying fat, fruit, or charm. It may be built to last another 10-20 years, but it will undoubtedly drop what little fruit it has and become increasingly astringent. I would drink it up before it becomes more attenuated. Last tasted, 2/93. Wine Advocate.August, 1993

Robert Parker
Score: 81/100


Tasted at the chateau, the 1983 Montrose, picked between 27 September and 13 October, was quite deep at the core but showing some bricking on the rim. The nose feels fatigued and leathery, an ephemeral bouquet that could blow away in the lightest wind. The palate is light-bodied, angular and hollow, a large hole where the fruit ought to be and then it tapers to a severe, raw and slightly vegetal finish. Robert Parker lambasted the 1983, which given the reputation of the property and the fact that it was not a terrible growing season like the following year, should have been much much better. This is outshone by the 1984—enough said. Tasted September 2016. Mar 2017, www.robertparker.com

Neal Martin
Score: 78/100


Quelle: https://www.frw.co.uk/wine/montrose-1983/131999

ROCKNROLLER WROTE:
September 8, 2022 - Guy's Night: Open Your Last Bottle (Jason P's, St. Paul, MN): Dark red color with an 8mm transition to clear. PNP, drank a couple glasses over 3 hours. Wow, once again, this is simply glorious. This is the reason I love Bordeaux. Just a stunning nose rife with leather, funk, crushed violets, bright red fruits of raspberry, and notably, strawberry, really bright forest floor notes, truffle, with hint of blue fruits on the highly perfumed nose. The palate is harmonious and elegant, red fruits, cherry and cassis, pencil, leather, violets, earthy, medium bodied with a gorgeous satiny texture and fine tannins. Very long and sublime.
97 points

I'D RATHER BE DRINKING WINE LIKES THIS WINE:
When I tasted this, I thought to myself, "This is what Bordeaux is all about!" This wine was harmonious in every aspect! Perfectly balanced between fruit and tertiary flavors, with fine tannins and enough acidity to keep the fruit lively. What more can you expect out of Bordeaux! Nose showed cherry and blackberry notes, with cedar, herbs and some leather and earth. Palate followed suit with additional notes of mushroom, seaweed, and hints of dark chocolate. No heat and very smooth with a medium finish that beaconed you to take another sip....pleasure in a glass! Easily 96+ and a pleasure to drink! A great wine from a good vintage, and I cannot imagine it drinking any better!
96 Points

DJHAMMOND LIKES THIS WINE:
October 2, 2022 - Third time of tasting this, and once again it delivered. It knocks the socks off the 1982 and is incredible value for money due to some bizarre professional ratings. It is fully mature and only needs minutes in the decanter. I would not be confident of this staying at this level for more than another couple of years
95 points

Quelle: https://www.cellartracker.com/m/wines/35190
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UlliB

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSa 4. Mär 2023, 13:07

Es kommt darauf an, wie genau die Frage gemeint ist bzw. wie man sie versteht. Setzt man die Betonung so: "Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussagen?" und meint damit, dass eine Vorhersage eines Profis für jeden einzelnen Wein richtig ist (bzw. "seriös", was damit wohl gemeint sein soll), ist die Antwort ganz klar nein. Es hat immer Weine gegeben, die sich anders als vorhergesagt entwickelt haben, und das wird auch weiterhin so sein.

Geht man die Frage aber von der statistischen Seite an, ist es ja schon ganz gut, wenn ein Profi zu 80% seiner Einschätzungen richtig liegt - eine Quote, die Parker für Bordeaux aus meiner Sicht zu seiner besten Zeit durchaus erreicht hat. Darauf lässt sich schon eine frühzeitige Kaufentscheidung aufbauen, sofern man nicht den Fehler macht, "alle seine Eier in einen einzigen Korb zu packen".

Gruß
Ulli
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ledexter

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSa 4. Mär 2023, 13:19

Geht man die Frage aber von der statistischen Seite an, ist es ja schon ganz gut, wenn ein Profi zu 80% seiner Einschätzungen richtig liegt - eine Quote, die Parker für Bordeaux aus meiner Sicht zu seiner besten Zeit durchaus erreicht hat. Darauf lässt sich schon eine frühzeitige Kaufentscheidung aufbauen, sofern man nicht den Fehler macht, "alle seine Eier in einen einzigen Korb zu packen".




Danke Ulli für deine Einschätzung mit längerfristiger Erfahrung. Ich denke die Varianzen kommen ggf von Weinen mit sehr adstringenten Tanninen, da fällt mir zB Sociando Mallet ein, bei dem zumindest frühere Jahrgänge jung oft fürchterlich schmeckten, aber sich die Weine oft doch toll entwickelten, wenn die Tannine abgeschmolzen waren. Das könnte ich mir hier auch bei Montrose vorstellen, wo der Stil ja auch klassisch und ruppig ist. Und auf der anderen Seite vermeintlich zu extrahiert und hübsch gemachte Weine, wie zB Pavie (hatte ich selbst noch nicht), wo man ja oftmals ließt, die Entwicklung hält der hohen Wertung in der Jugend nicht stand.
Zuletzt geändert von ledexter am So 5. Mär 2023, 18:33, insgesamt 2-mal geändert.
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EThC

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSa 4. Mär 2023, 13:23

ledexter hat geschrieben:Das würde ja bedeuten der Weinkritiker ist ein nutzloser Scharlatan :mrgreen:
...für so manchen könnte diese Einstufung tatsächlich zutreffen, wobei sich das "nutzlos" dann eher auf den Endverbraucher bezieht, für Erzeuger und Handel sind die Weinauguren natürlich schon überwiegend von Nutzen. Tatsächlich beziehe ich mich mit meinem klaren "nö" auch in erster Linie auf das Wort "seriös". Dieses Wort würde ich nur verwenden, wenn eine gemachte Aussage einerseits allgemein verläßlich ist (was aufgrund der Subjektivität des persönlichen Geschmacks schon ausgeschlossen ist) und der Augur für absolut gemachte Aussagen auch haftbar wäre.
Zumindest die nerdigeren Weinvernichter wissen in der Regel, wie man solche Aussagen gewichten kann bzw. muß, aber schwierig wird's gegenüber dem weniger wissenden Weinkunden, der wohl in vielen Fällen nicht das erhoffte Kauferlebnis erfährt.
Man könnte jetzt fordern, daß unter jeder professionellen Weinbewertung ein entsprechender Hinweis auf die Subjektivität des Verfassers und die Unschärfen hinsichtlich der prognostizierten Entwicklung zu stehen habe, was aber wohl weltfremd wäre. So bleibe ich persönlich einfach bei meinem "nö"... :mrgreen:
Viele Grüße
Erich

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ledexter

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSo 5. Mär 2023, 18:33

Ich denke die Varianzen kommen ggf von Weinen mit sehr adstringenten Tanninen, da fällt mir zB Sociando Mallet ein, bei dem zumindest frühere Jahrgänge jung oft fürchterlich schmeckten, aber sich die Weine oft doch toll entwickelten, wenn die Tannine abgeschmolzen waren. Das könnte ich mir hier auch bei Montrose vorstellen, wo der Stil ja auch klassisch und ruppig ist. Und auf der anderen Seite vermeintlich zu extrahiert und hübsch gemachte Weine, wie zB Pavie (hatte ich selbst noch nicht), wo man ja oftmals ließt, die Entwicklung hält der hohen Wertung in der Jugend nicht stand.


Übrigens habe ich zufällig dazu einige interessante Aussagen in einem Interview von Fürst und Wittmann aufgeschnappt:

"Wenn ein Wein jung ist, schmeckt man die Handschrift des Winzers, wenn ein Wein gereift ist, schmeckt man das Terroir"

"Gereift kann man einen Wein aus einer guten Lage kaufen, wo man vom Winzer nicht so viel hält, weil im idealfall die Lage sich durchsetzt"


https://youtu.be/xBJ5giB2Cqg?t=3795
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amateur des vins

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSo 5. Mär 2023, 18:53

ledexter hat geschrieben:"Wenn ein Wein jung ist, schmeckt man die Handschrift des Winzers, wenn ein Wein gereift ist, schmeckt man das Terroir"

"Gereift kann man einen Wein aus einer guten Lage kaufen, wo man vom Winzer nicht so viel hält, weil im idealfall die Lage sich durchsetzt"
Wittmann ist ein großartiger Könner, und ich liebe seine Weine sehr. Aber seit er in einer anderen Folge dieser Reihe sinngemäß behauptete, unter'm Schrauber wäre immer reduktiver als unter Naturkork (sprich: entweder nicht wußte oder ignorierte, daß die Permeabilität der Dichtung eingestellt werden kann), zweifele ich an solchen Aussagen noch mehr als ohnehin schon.
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Lässt sich die Entwicklung eines Weines seriös voraussag

BeitragSo 5. Mär 2023, 19:12

ledexter hat geschrieben:"Gereift kann man einen Wein aus einer guten Lage kaufen, wo man vom Winzer nicht so viel hält, weil im idealfall die Lage sich durchsetzt"

Wenn der Winzer nichts taugt, kann die Lage so gut sein wie nur möglich, der Wein wird trotzdem nichts taugen. Egal ob jung oder gereift.

Die Aussage führt in die Irre.

Gruß
Ulli
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