willinger1 hat geschrieben:Hallo Herr Hilse,
Auch von mir herzlichen Dank für die aufschlussreichen Erläuterungen.
Eine Frage zu Leoville Barton 22.
Dieser Wein ist heuer sehr schnell vergriffen, ich sehe dafür keine mir zugängliche Begründung.
Er ist sicherlich sehr gelungen, aber nicht außergewöhnlich, es gibt gute Alternativen wie z.B Langoa Barton, viele Wettbewerber sind mit den Preisen noch nicht raus, auch kein Sonderetikett,...
Auch bei Ihnen ist er schon vergriffen.
Was habe ich da nicht verstanden?Viele Grüße
Fritz S.
Ich bin ja schon froh, wenn es mir gelingt, etwas hier zu schreiben, das dann nicht als "Gesülz" wahrgenommen wird
; wenn es dann überdies noch hilfreich ist, kann ich nur sagen: sehr gerne.
Es ist für einen Einzelnen schwer, die Motivationen hinter der Summe von vielen einzelnen Kundenentscheidungen sinnvoll zu interpretieren. Andererseits folgt die Subskription bereits seit einigen Jahren einem sich immer stärker polarisierenden Verhalten, nach dem relativ wenige Weine sehr nachgefragt sind und relative viele relativ wenig.
Wie kaum ein anderer Wein jenseits des beharrlichen Klassikers Batailley und dem von mir gerne so bezeichneten und von manchen Kritikern aktuell garnicht so wohl gelittenen Protopauillac, ist auch der Leoville Barton immer ein Publikumsmagnet. In großen Subskriptionsjahren pflegt er regelmäßig irgendwann ausverkauft zu sein. Die zunehmende Neigung der Negociants, die "no-brainer" wie den Leo B mit Beifang "anzureichern" (hier sehr gerne in doppelter Kombination mit Langoa Barton, der aber einfach kein "Subs-Performer" ist), hat bei mir dazu geführt, nur etwa 90% der früheren Menge einzukaufen.
In diesem Jahr gibt es so viele Vorreservierungen für die wahrscheinlich am meisten gesuchten Weine, wie niemals zuvor (und unsere Subskriptionshistorie reicht in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück). Das bedeutet, die Kunden, die sich für solche Weine wie den Leoville Barton interessieren, wissen, dass das eigene Abwägen in diesem Jahr durchaus ein Rennen gegen die Uhr der anderen ist.
Der nach meinem Empfinden wichtigste Punkt ist aber der: der Subskriptionsmarkt in Deutschland ist ein Gepräge von nachlassender Prägnanz (sieht man das nicht auch hier im Forum an der Anzahl der "Schreiber"?); das dürfte überwiegend daran liegen, dass die Subskribenden meist in einem eher fortgeschrittenen Alter sind und bei allen die Keller randvoll sind. Gerade in den letzten 3 Jahren sind nicht wenige relevante Kunden (bei uns) "ausgestiegen".
Kommt nun aber so ein Jahrgang, von dem man glaubhaft annehmen kann, etwas zu verpassen, dann wird eben wider jegliche Einkaufsvernunft noch einmal "zugeschlagen". Das bedeutet konkret: es sind Kunden mit viel Erfahrung zurück, die genau wissen, was sie wollen - und dass sie ggf. schnell sein müssen in ihrer Entscheidung.
Paradoxerweise gab es bei uns nicht so viele "Vorbestellungen" für den Leoville Barton.
Beziehe ich die Erfahrung mit ihm auf die anderen "Wunschweine", dann kann ich in diesem Jahr nur jedem raten, der bestimmte Weine im Auge hat, nicht mit der Langsamkeit der anderen zu rechnen.
Ein letzter Punkt dürfte überdies noch eine gewisse Relevanz haben: die Eigentümer der Weingüter in Bordeaux analysieren zunehmend die Kongruenz ihrer Verkäufe in die einzelnen Länder mit dem finalen Verbleib. So hat bspw. Lafite festgestellt, dass ein Gutteil sowohl des Premier Cru als auch von den Carruaden, die nach Deutschland verkauft werden, von dort aber weiterexportiert werden. In der Konsequenz führt das dazu, dass die Mengen, die für die wichtigsten Weine nach Deutschland gelangen, eher kleiner werden.
Wenn man dieses Forum über die Jahre verfolgt, hat es immer wieder das Thema absurder Preise gegeben, zuletzt ja auch hier im thread (Carruades). Was wir hier stellenweise als Mondpreise empfinden, wird in anderen Teilen der Welt, in denen es ein viel dynamischere "Reichtumswachstum" gibt, ganz anders gesehen.
Was ist also in den letzten Jahren passiert: Bordeaux wurde in einem Umfang nach Deutschland verkauft, der die hiesige Nachfrage stellenweise sehr deutlich übertraf.
Das Arbitragegeschäft aus diesem Segment trocknen die Erzeuger aus (oder versuchen es zumindest gerade), indem sie die Allokationen in die einzelnen Länder neu verteilen.
Nun bin ich selber erschrocken über die Länge der Ausführung und bitte dafür um Nachsicht.
Herzliche Grüße,
Matthias Hilse