Aktuelle Zeit: Sa 27. Apr 2024, 20:51


Bordeaux 2020

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
  • Autor
  • Nachricht
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4309
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 22:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 18:33

Aber hast Du nicht selber proklamiert, das Konfidenzintervall wäre ±3, mindestens?
Da fallen doch alle drunter?
(Ok, Calon nicht, aber bei dem ist die 2019er Bewertung ja auch zweifelhaft, oder zumindest Ausreißer.)
Besten Gruß, Karsten
Offline

pessac-léognan

  • Beiträge: 842
  • Registriert: Fr 11. Jan 2019, 11:57

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 18:35

Danke, Ollie, für deinen Jahrgangsvergleich!
Dein Fazit kann ich gut nachvollziehen.
Aufgefallen ist mir, dass Kelley Brane Cantenac nicht gar so hoch bewertet wie bspw. Adrian vV oder Jeff L. (sonst häufig nicht kongruent), die beide nach der Arrivage 98 Punkte vergeben, auf derselben Stufe wie RS.
Aber das zeigt halt wohl auch, dass Flaschenmuster nicht nur en primeur, sondern auch abgefüllt ziemlich stark differieren können, ganz abgesehen vom persönlichen Geschmack...
Gruß
Jean
Offline

Ollie

  • Beiträge: 1931
  • Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 19:07

amateur des vins hat geschrieben:Aber hast Du nicht selber proklamiert, das Konfidenzintervall wäre ±3, mindestens?
Da fallen doch alle drunter?
(Ok, Calon nicht, aber bei dem ist die 2019er Bewertung ja auch zweifelhaft, oder zumindest Ausreißer.)


Ja, bei Einzelvergleichen schon, aber nicht beim Fehler des Mittelwerts, wo die Anzahl der Punkte eingeht mit 1/sqrt(N). Deswegen mein Ansatz mit dem Ensemble (der "Benchmark-Gruppe") - wobei ich implizit davon ausgehe, Kelley sei imstande, Wertungen punktgenau zu reproduzieren. Was er natürlich nicht tut, denn es ist bestimmt auch so, daß

pessac-léognan hat geschrieben:Flaschenmuster nicht nur en primeur, sondern auch abgefüllt ziemlich stark differieren können, ganz abgesehen vom persönlichen Geschmack...


Mein eigentliches Ziel ist es genau, etwas über William Kelley (und seinen Geschmack) zu lernen. Also versuche ich momentan nur, eine gefühlte Tendenz zu finden, woran ich ja auch glorreich scheitere. Falls 2020 also schlechter ist (und nicht nur anders), geht es aus diesen Wertungen nicht hervor. Und aus den unsystematischen Abweichungen erkenne ich auch noch keine Vorlieben; das werden mir hoffentlich die Verkostungsnotizen sagen.

pessac-léognan hat geschrieben:Aufgefallen ist mir, dass Kelley Brane Cantenac nicht gar so hoch bewertet wie bspw. Adrian vV oder Jeff L. (sonst häufig nicht kongruent), die beide nach der Arrivage 98 Punkte vergeben, auf derselben Stufe wie RS.


Ja, eine Menge anderer Kritiker sehen den 2020er B-C besser, vielleicht sogar besser als der 2019er. Nun hat mir der 2019er ja wirklich extrem gut gefallen, aber weder scheint Margaux 2020 systematisch besser abgeschnitten zu haben als die anderen Dörfer, noch schlägt der 2020er Durfort seinen 2019er Gegenpart, falls der als Proxy taugt. Im Gegenteil.

Sehr viel Jahrgangsvergleich ist also nicht drin bei mir, ich denke, das habt ihr beide (Adrian und du) eher im Griff.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4309
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 22:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 20:29

Ollie hat geschrieben:
amateur des vins hat geschrieben:Aber hast Du nicht selber proklamiert, das Konfidenzintervall wäre ±3, mindestens?
Ja, bei Einzelvergleichen schon, aber nicht beim Fehler des Mittelwerts, wo die Anzahl der Punkte eingeht mit 1/sqrt(N).
...bei unabhängigen Ereignissen und hinreichender Stichprobengröße. Sicher, daß diese Annahme zulässig ist? Ich habe da doch erhebliche Zweifel.
Besten Gruß, Karsten
Offline

Ollie

  • Beiträge: 1931
  • Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 20:47

amateur des vins hat geschrieben:..bei unabhängigen Ereignissen und hinreichender Stichprobengröße. Sicher, daß diese Annahme zulässig ist? Ich habe da doch erhebliche Zweifel.


Hm. Zur fehlenden Unabhängigkeit (der Datenpunkte voneinander): Meinst du, ein Verkoster kommt nach der ersten Handvoll probierter 2020er zum unbewussten Schluss, daß 2019 besser ist, und verkostet dann bei allen weiteren Weinen seinem eigenen Vorurteil solange hinterher, bis es für ihn auch tatsächlich so ist (confirmation bias)?

Ich mag's wirklich nicht ausschließen, aber falls dem so wäre, wäre meine Quadratwurzel das geringste Problem, oder? :mrgreen:

Stichprobengröße: Ich denke, stark 50 Weine sind ein recht guter Anfang, mehr als 200 bekomme ich eh nicht zusammen, und da wäre der Fehler auch nur zwi mal kleiner. (Sowieso: Wenn's für 50 nicht stimmt, stimmt's für 200 auch nicht. Von daher: egal.)

Cheers,
Ollie
Zuletzt geändert von Ollie am So 9. Apr 2023, 14:16, insgesamt 1-mal geändert.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4539
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 21:05

Man kann sich da natürlich mit der statistischen Analyse von Punktebewertungen aufhalten. Aber wenn man mag, kann man auch ganz einfach mal das lesen, was der Verkoster selber zum Vergleich der drei Jahrgänge meint:
The so-called trilogy of dry, sunny vintages that 2020 concludes may be summarized very simply: in 2018, the rain never came; in 2019, it arrived late, after the Merlot harvest; and in 2020, it arrived earlier, in mid-August. The 2018s are rich, muscular and often jammy; the 2019s are more vibrant, refined and differentiated by style and site while remaining fleshy and sensual; and the 2020s, at their best, are the most classic of the trio, with even purer terroir expression and lower alcohols, even if they are not as uniformly charming and accessible as the 2019s.

Und ein Seitenhieb auf die Konkurrenz fehlt da auch nicht:
The style of the vintage also exposes how greatly tolerance for over-ripeness, over-extraction and clumsy cooperage choices varies between professional critics. Whether this reflects genuine indifference, or if it derives merely from a desire to avoid unpleasant interviews with petulant proprietors, I cannot say.

Gruß
Ulli
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4309
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 22:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 21:17

Ollie hat geschrieben:Hm. Zur fehlenden Unabhängigkeit (der Datenpunkte voneinander): Meinst du, ein Verkoster kommt nach der ersten Handvoll probierter 2020er zum unbewussten Schluss, daß 2019 besser ist, und verkostet dann bei allen weiteren Weinen seinem eigenen Vorurteil solange hinterher, bis es für ihn auch tatsächlich so ist (confirmation bias)?
Ich hatte da einen viel simpleren Gedanken:
Afaik wird in der Bordeaux-Kampagne alles nichtblind verkostet. Und das reicht schon!

Die machen das Jahr für Jahr und haben, bewußt oder unterbewußt, ein Bild nicht nur davon, wie die Bewertungen typischerweise relativ zwischen Weinen "auszufallen haben", sondern ziemlich sicher auch davon, wie sich das je Weingut jahrgngsabhängig "zu verschieben hat".
Besten Gruß, Karsten
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4309
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 22:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Bordeaux 2020

BeitragSa 8. Apr 2023, 21:24

UlliB hat geschrieben:
and the 2020s, at their best, are the most classic of the trio, with even purer terroir expression and lower alcohols, even if they are not as uniformly charming and accessible as the 2019s.
Ziemlich eindeutig, oder?

at their best = das meiste ist bestenfalls mäßig
classic = Tendenz zu Unreife und Kargheit (außer eben in der Spitze)
even purer terroir expression = die Winzer haben gerettet, was ging
lower alcohols = weniger reif
not as uniformly charming and accessible = vielfach harsch und schroff im Vergleich

:twisted:
Besten Gruß, Karsten
Offline
Benutzeravatar

ledexter

  • Beiträge: 496
  • Registriert: Mo 14. Mär 2016, 12:54

Re: Bordeaux 2020

BeitragSo 9. Apr 2023, 08:33

amateur des vins hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:
and the 2020s, at their best, are the most classic of the trio, with even purer terroir expression and lower alcohols, even if they are not as uniformly charming and accessible as the 2019s.
Ziemlich eindeutig, oder?

at their best = das meiste ist bestenfalls mäßig
classic = Tendenz zu Unreife und Kargheit (außer eben in der Spitze)
even purer terroir expression = die Winzer haben gerettet, was ging
lower alcohols = weniger reif
not as uniformly charming and accessible = vielfach harsch und schroff im Vergleich

:twisted:


Wenn Jancis Robinson 2019 ja schon als best ever sieht, die wirklich aus der Finesse und Frische Fraktion kommt, dann bezweifle ich auch, dass 2019 ein überreifer Jahrgang sein soll. Will hier mancher seine 2020 Käufe rechtfertigen? :mrgreen:
Offline

Ollie

  • Beiträge: 1931
  • Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Bordeaux 2020

BeitragSo 9. Apr 2023, 15:01

amateur des vins hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:
and the 2020s, at their best, are the most classic of the trio, with even purer terroir expression and lower alcohols, even if they are not as uniformly charming and accessible as the 2019s.
Ziemlich eindeutig, oder?

at their best = das meiste ist bestenfalls mäßig
classic = Tendenz zu Unreife und Kargheit (außer eben in der Spitze)
even purer terroir expression = die Winzer haben gerettet, was ging
lower alcohols = weniger reif
not as uniformly charming and accessible = vielfach harsch und schroff im Vergleich

:twisted:


Ja, und genau das habe ich bislang auch so geschmeckt. Speziell die relative Kargheit und die relative "Sturkturbetonheit" - also dein "harsch und schroff im Vergleich" -, sind mir aufgefallen, und beide machen die 2020er sehr, uhm, most classic. :lol: Wobei ich witzig finde, daß man jahrelang jammert, Bordeaux würde unweigerlich zu marmeladigem Napa Valley mutieren, nur um dann beim ersten Anzeichen von Klassik "Wolf!" zu schreien. 8-)

Ulli, ich sagte ja bereits, daß der statistische Ansatz nicht sonderlich gut funktioniert. Was ich aber immer noch bemerkenswert finde, ist, wie wenig sich die Jahrgangsdifferenzen in Punktedifferenzen niederzuschlagen scheinen. Na ja, nicht ganz: In den beiden tanninbetontesten (Cabernet-haltigsten?) Appellationen, Pauillac und St-Julien, sind die Unterschiede entsprechend (und zu Ungunsten 2020) am größten. Was wiederum passern würde. Dafür ist es in St-Estèphe gerade andersherum.

Re: clumsy cooperage: Ich fand folgende Bemerkung vom Blogger vinolent zur 2019er Southwold-Verkostung interessant: "All the barrel salesmen that used to do so well in St Emilion now ply their trade, successfully it would seem, in Margaux. They like a bit of barrel gloss in Margaux and some of them are better at it than others."

Ganz neu ist die Holz-Problematik also offenbar nicht, nur konnte wohl nicht jeder sie 2020 so gut verstecken wie noch 2019...

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
VorherigeNächste

Zurück zu Bordeaux und Umgebung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: SemrushBot, weingollum33 und 31 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen