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Bordeaux 2020

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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Kle

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDi 26. Dez 2023, 21:19

2020 Moulis ist der dritte Wein, den ich von Closeries des Moussis (Arsac im südlichen Medoc) trinke. Die Winzerinnen zeigen über Jahrgänge und Rebsortenzusammensetzung hinweg eine ziemlich deutliche Handschrift. Bei diesem Merlot-geprägten Wein wirkt sie besonders präzise. Die intensiven, eher herben als süßen roten Beerenaromen sind nichts anderes als diese Beeren ;) - und müsste es nicht genau so schmecken, wenn an zarten Zweiglein und Fruchtstilen gekaut wird? Die Beeren brauchen die vielseitig gerbstoffigen Aromen als Kontrapunkt, das macht die Spannung aus. Am zweiten Tag ist alles mehr vermischt und geglätteter, aber immer noch sehr dicht und reflexiv, wenn auch ohne Netz in die Tiefe. In dieser Preisklasse im Vergleich zu vielen Cru Bourgeois aufwärts eigentlich ein Knüller. Aber die Zeit muss es zeigen. Die Winzerinnen wollen Befreiung aus dem üblichen BDX-Gerüst, bzw. einen „neuen alten Stil“. Tatsächlich schmecken die Weine weder überzüchtet noch verschlossen. Es sind starke Persönlichkeiten und Normierungen kommen nicht in den Sinn. Sie sind auch entgegen meiner ersten Befürchtung keine Wald-und Wiesen-BDX, die alles Bekannte nivellieren. Die Verbindung zur Region ist voll da, wenn auch anders als gewohnt. Gespannt bin ich, ob das umwerfend Mehrdeutige des klassischen BDX - zickig und plötzlich großartig, mal öde in sich ruhend und dann unvermutet sich aufschwingend - ,das selbst kleine Weine oft so faszinierend macht, auch hier weitergetragen wird. Zu seriös-qualitätsvoll will ja niemand, BDX ohne irrsinnige Ekstatik und Sadomasochismus wäre schade. Sowas erbringt dieser Bordeaux in dieser frühen Phase wie die meisten anderen noch nicht, ansonsten viel mehr als viele.
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
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Sauternes

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDi 26. Dez 2023, 23:32

harti hat geschrieben:Jetzt muss ich mal in die Runde fragen: Wer hat LCHB neuerer Bauart schon mal probiert? Ich kenne bisher nur den 16er, der war ziemlich gut ;) . (Aber auch nicht besser als der SHL).

Da ich gerade etwas im 2020 Thema nachgelesen habe, bin ich auf deine Frage gestoßen, meine Antwort dazu ist eine Seite zurück, kurz, ich sehe derzeit LCHB klar vor SHL, ist aber nur meine persönliche Meinung.

Gruß Heiko
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UlliB

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Re: Bordeaux 2020

BeitragMi 10. Jan 2024, 12:51

Am Wochenende gab es vier 2020er. Die Weine kamen pop & pour ins Glas und wurden über knapp drei Stunden verfolgt. In den Flaschen verbliebene Reste - etwa ein Drittel - wurden kühl gestellt und am übernächsten Abend nachverkostet.


Ferrière 2020 (Margaux 3e GCC) 13,5%Vol. In den letzten Jahren hat Ferrière eigentlich immer gut geliefert. Leider war das bei dieser Flasche nicht der Fall. Zwar sehr konzentriert, aber die Frucht ist diffus, alles wirkt etwas eingekocht, likörig. Das Tannin recht grob und ruppig. Macht keinen Spaß.

[+ 48 h] Deutlich verbessert, ohne wirklich gut zu werden. Die Frucht ist jetzt klarer definiert, jetzt auch klar als Bordeaux zu erkennen, der Wein bleibt aber geballt und wenig transparent. Immerhin macht die Verbesserung etwas Hoffnung, dass es sich um ein vorübergehendes Problem handelt und der Wein sich irgendwann besser zeigen wird.


Calon Ségur 2020 (St. Estèphe 3e GCC) 13,5%Vol. Der war en primeur rund dreimal teurer als der Ferrière, ist im Moment aber dafür auch gefühlt dreimal besser... farblich etwas heller und transparenter, und die Transparenz setzt sich auch in Nase und Gaumen fort. Geprägt vom Cabernet Sauvignon, ganz klassische Nase eines Weins aus dem Médoc, dabei große Feinheit und Eleganz. Der warme Jahrgang ist nicht zu spüren, der Wein wirkt sogar eher kühl und beinahe schlank. Sehr, sehr schön.

[+ 48 h] Jetzt ist noch eine intensive florale Note hinzugekommen, am ehesten Engelstrompete. Ansonsten fast unverändert, große Finesse. Das hat mit dem etwas vierschrötigen Calon Ségur vor dem Besitzerwechsel nichts mehr zu tun.


Cos d'Estournel 2020 (St. Estèphe 2e GCC) 13,5%Vol. So wie Cos eigentlich immer daherkommt: konzentriert und dicht, opulent (aber nicht fett), exotisch - etwas Lebkuchengewürz. Auch hier keine Hitze, sehr klar strukturiert. Große Länge. Nicht sehr typisch, blind vielleicht nicht nach Bordeaux zu verorten, aber wem Herkunft nicht so wichtig ist, bekommt einen zweifellos herausragenden "Weltwein" ins Glas.

[+ 48 h] Stabil, wenig verändert.


Montrose 2020 (St. Estèphe 2e GCC) 13,5%Vol. Das ist gewissermaßen die Turboversion vom Calon Ségur, von allem mehr, ohne dabei auch nur ansatzweise schwerfällig zu werden, enormer Tiefgang bei gleichzeitig höchster Eleganz und Finesse. Ohne jeden Zweifel groß. Wie groß, wird die Zeit zeigen, vielleicht hat Kelley vom WA mit seinen 100 Punkten recht.

[+ 48 h] Hat sich zurückgezogen und beginnt sich zu verschließen.


Mit Ausnahme vom Ferrière war das Niveau sehr hoch, die drei aus St. Estèphe bestätigen, dass dort wie zuletzt häufiger ein sehr guter Jahrgang gelungen ist.

Gruß
Ulli
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Sauternes

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Re: Bordeaux 2020

BeitragMi 10. Jan 2024, 14:52

Danke @Ulli für deine interessanten Eindrücke.
Calon Segur steht ja bei mir auch schon eine Weile in der demnächst trinken Reihe, 2018 war ja ein ziemlicher Brummer mit 15 Umdrehungen, aber trotzdem gut, da bin ich jetzt auf den 2020 gespannt.
Bei Montrose scheint die Qualitätspyramide steil nach oben zu gehen, ist aber auch ein Mega Wein, 2020 habe ich nicht probiert, hat nur zu 2 Flaschen gereicht, die bleiben liegen.
Ferriere 2020 habe ich auch, da die Meinungen dazu aber schon vor einiger Zeit zwiespältig waren, hatte ich den erstmal beiseite gelegt, da braucht es anscheinend noch Zeit.

Gruß Heiko
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Olaf Nikolai

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Re: Bordeaux 2020

BeitragMi 10. Jan 2024, 16:00

" Das hat mit dem etwas vierschrötigen Calon Ségur vor dem Besitzerwechsel nichts mehr zu tun."

Eigentlich schade, dass über Weine und ältere Jahrgänge geschrieben wird, die offensichtlich nicht hinreichend bekannt sind, vielmehr nur Phrasen gedroschen werden...oder schlichtweg nachgeplappert werden.

Die Calonjahrgänge Mitte der 90er und Weitere widerlegen o.g. Aussage nachdrücklich.
Die Weine benötigten früher schlichtweg länger zur Genussreife.
Wer regionaltypische Weine schätzt, war mit Calon früher recht gut bedient.
Wer die Kernigkeit der St Estephe Weine nicht mag....
soll doch welche aus Margaux kaufen.
Die Tendenz zur Uniformität ist leider auch hoch im Norden unübersehbar geworden. Leider.
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2020

BeitragMi 10. Jan 2024, 19:04

Olaf Nikolai hat geschrieben:Wer regionaltypische Weine schätzt, war mit Calon früher recht gut bedient.
Wer die Kernigkeit der St Estephe Weine nicht mag....
soll doch welche aus Margaux kaufen.

@Calon: Ich bin jetzt nicht ein ausgewiesener Calon-Kenner. Aber der 99er war nun nicht ein "kerniger Saint-Estèphe", sondern einfach nur flach, eines 3eme Cru unwürdig. Da gefällt mir sogar der moderne Marquis de Calon (meist) besser, falls der Alkohol halbwegs gezähmt ist...
@Margaux: Heißt das, dass für dich (heute, oder schon früher?) alle Margaux "Weltweine" sind und mit Margaux nichts (mehr) zu tun haben? Was ich nicht unterschreiben würde: RS 2020 (en primeur und Arrivage) etwa oder Giscours 2019 und 2020 sind m.E. sehr Margaux!
Bei Ferrière 2020 allerdings bin ich bei Ulli, wenn auch mehr aufgrund seiner Holzigkeit, die nur noch von Malescot 2019 "getoppt" wird.
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Olaf Nikolai

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Re: Bordeaux 2020

BeitragMi 10. Jan 2024, 22:15

Soweit ich mich daran erinnern kann, war ich in der Schule in Mathematik recht schlecht.
Dennoch bilde ich mir ein, dass 99 nicht zur Mitte der 90er gehört.
Ernsthaft: In 99 gab es meiner Meinung nach keinen ordentlichen Saint Estephe, im Grunde eigentlich sogar kaum einen vernünftigen Wein aus dem nördlichen Medoc.
Ausnahme, soweit ich das beurteilen kann, Latour und Lafite.
Auch die Pichons waren schlecht.
Erwähnenswert gute Medocweine waren Margaux und Palmer.
Bessere Qualität gabs im Süden und rechtsufrig, trotzdem all in all aus heutiger qualitativer Sicht ein year to pass.
Von daher kann ich den Kommentar @ Calon auch nicht sinnhaft einordnen.
Ich habe m.E. nach nicht geschrieben Margauxwein sei etwa beliebig oder nicht typisch/ International. Ganz im Gegenteil, Margaux steht für mich im besten Fall synomym für Eleganz und Finesse (wird von daher heutsotage auch nicht leichter da fündig zu werden...) und grenzt sich von daher aufgrund des Terroir doch deutlich von dem ab, was ich als typisch für Saint Estephe empfinde.
Ehrlich gesagt, haben m. E. nach diverse Besitzer-/Stilwechsel bei den 3 großen Chateau im Saint Estephe nicht unbedingt dazu geführt, die DNA Saint Estephes weiterhin zu exprimieren. Die Weine sind ja per se nicht schlecht, ja tatsächlich durchaus gut, in jedem Fall ganz sicher relativ gesehen deutlich teurer geworden.
Einen klassischen Saint Estephe "moderner Prägung" zu finden wird tatsächlich immer schwieriger, im Grunde bringt es aktuell eigentlich nur noch hin und wieder, jahrgangsabhängig, ein Chateau auf den Punkt.
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Sauternes

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDo 11. Jan 2024, 00:08

Olaf Nikolai hat geschrieben:
Einen klassischen Saint Estephe "moderner Prägung" zu finden wird tatsächlich immer schwieriger, im Grunde bringt es aktuell eigentlich nur noch hin und wieder, jahrgangsabhängig, ein Chateau auf den Punkt.

Cos ?
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Olaf Nikolai

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDo 11. Jan 2024, 09:38

Meyney 2014
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Sauternes

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Re: Bordeaux 2020

BeitragDo 11. Jan 2024, 11:02

Ahh, OK, den hatte ich jetzt nicht erwartet, habe ich auch nicht probiert, erst ab 2016 ist davon etwas vorrätig.
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