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Bordeaux 2019

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSo 7. Nov 2021, 14:17

Danke, Steffen, für die schönen Notizen!
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Winedom

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 8. Nov 2021, 00:43

Ja, super. Danke!
Viele Grüße
Rainer
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stollinger

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 8. Nov 2021, 16:54

Zuletzt über ein paar Tage getrunken:

Château Haut-Marbuzet - St. Estephe - 2019:

Bild

Auf mich wirkte der Wein im Vergleich zu anderen jüngeren Jahrgängen überraschend sanft extrahiert. Die Gerbstoffe assoziiere ich mehr mit Traubenhaut als mit Kernen; mehr fein-mehlig-trocknend (nicht austrocknend) als croquant-knackig-griffig. Die haben eine sehr gute Qualität. Der Wein hat eine angenehm natürliche Erscheinung, es ist kein besonders technischer Wein, das Holz ist dezent. Die Frucht ist toll, strahlend-klar.

Alkoholisch ist der Wein nicht, aber der Alkohol ist am ersten Abend nicht optimal eingebunden und auch in Form einer leicht medizinisch-bitteren Geschmacksnote wahrzunehmen. Am zweiten Abend war das deutlich besser. Ich habe mich länger gefragt, wie es sich wohl bei der Alterung auswirken wird; ich kann mir vorstellen, dass es Phasen geben wird, in denen die Substanz und der Alkohol optimal eingebunden sind und Phasen, in denen der Wein etwas unbalanciert ist. In der Nase reif und zugleich frisch, nichts Überreifes. Das setzt sich im Mund fort, eine recht fruchtig-frische Säure.

Ich hatte den Eindruck eines niedrigen Milchsäureanteils, die Säure war frisch und reif ohne einen sanften, leicht cremigen Eindruck. Weil es mich interessierte, habe ich das Weingut angemailt, ein paar höfliche Zeilen über meine Wahrnehmung des Weins geschrieben und gefragt, wie hoch denn der Anteil der Milchsäuregärung war. Als ich schon gar nicht mehr damit gerechnet habe, habe ich Rückmeldung in Form eines Scans einer handschriftlichen Antwort von Henri Duboscq erhalten. Er schreibt, dass die Erderwärmung bei allen großen Bordeaux-Weinen (Unterstreichung von Duboscq) zu einem Anstieg der Alkoholwerte führt. Er versucht dieser alkoholischen Reichhaltigkeit zu entgegnen, indem er dafür sorgt, dass sein Wein ausgewogen ist.

Obwohl das eine doch recht triviale Antwort ist, habe ich mich darüber gefreut. Ich hatte den Alkohol in einem Nebensatz meiner Frage erwähnt, auf die eigentliche Frage, den Anteil der Milchsäuregärung, ist er hingegen nicht eingegangen. Man findet ja auch nirgendwo eine offizielle Angabe der Assemblage, ich habe fast das Gefühl, Henri Duboscq will sich hier nicht gerne in die Karten schauen lassen.

2020 kommt mit 14% Alkohol, 2021 hat er mir ans Herz gelegt, dem hätte der Juli und August einen Alkoholgehalt von 12-13% beschert. Mal sehen... :lol: Weiß jemand wie sehr St. Estephe vom Spätfrost betroffen war?

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 8. Nov 2021, 17:08

stollinger hat geschrieben:der Alkohol ist am ersten Abend nicht optimal eingebunden und auch in Form einer leicht medizinisch-bitteren Geschmacksnote wahrzunehmen.
Hmm, eine "medizinisch-bittere Geschmacksnote" habe ich noch nie auf den Alkohol zurückgeführt, sondern eher auf bestimmte Phenole. Wikipedia bringt diese in Zusammenhang mit Brettanomyces.

Hast Du dazu womöglich recherchiert und könntest die Zusammenhänge darstellen?
Besten Gruß, Karsten
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stollinger

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 8. Nov 2021, 18:45

Hi Karsten,

ich habe diese Umschreibung gewählt, weil es sich m.M. nach gerade nicht um Phenole handelt sondern um den bitteren Geschmack von Alkohol.

Meiner Erfahrung nach schmeckt Alkohol leicht bitter, wie in Vodka oder Korn z.B. und auch den bitteren Geschmack von Hustensaft oder Homöopatischen Lösungen mit viel Alkohol führe ich darauf zurück.

Gelesen habe ich mal, auch in irgend einer wissenschaftlichen Publikation, dass Alkohol (besonders höhere Alkoholgradation) in Wein den bitteren Geschmackseindruck von z.B. Phenolen verstärkt. Das war aber meiner Erinnerung nach nicht Quantitativ untersucht und ich müsste sehr lange suchen, bis ich die Referenz finde. Sorry, damit kann ich jetzt nicht dienen.

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 8. Nov 2021, 18:54

Ja, bitter schon; das habe ich auch manchmal bei Alk. Aber "medizinisch" eher nicht (für mich), und Du hattest beide Begriffe als Quasikompositum verwendet, das machte mich stutzen.

Kein Problem mit den Papern; man ist es bloß schon von Dir gewöhnt... :lol:
Besten Gruß, Karsten
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 9. Nov 2021, 08:23

amateur des vins hat geschrieben:Ja, bitter schon; das habe ich auch manchmal bei Alk. Aber "medizinisch" eher nicht (für mich), und Du hattest beide Begriffe als Quasikompositum verwendet, das machte mich stutzen.

Kein Problem mit den Papern; man ist es bloß schon von Dir gewöhnt... :lol:

Hallo Karsten und Josef
Genau diese Medizinalnote hatte ich bei meiner letzten Begegnung mit Pontet-Canet 2003 (Hitzejahr!) trotz nur 13%Alkohol wahrgenommen, und zwar extrem. Bei den vorigen Flaschen war das nicht der Fall gewesen. Ich muss da wohl wieder mal ran.
Gruß
Jean
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stollinger

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 9. Nov 2021, 12:12

amateur des vins hat geschrieben:
stollinger hat geschrieben:der Alkohol ist am ersten Abend nicht optimal eingebunden und auch in Form einer leicht medizinisch-bitteren Geschmacksnote wahrzunehmen.
Hmm, eine "medizinisch-bittere Geschmacksnote" habe ich noch nie auf den Alkohol zurückgeführt, sondern eher auf bestimmte Phenole. Wikipedia bringt diese in Zusammenhang mit Brettanomyces.

Hast Du dazu womöglich recherchiert und könntest die Zusammenhänge darstellen?

Hi Karsten,

die Umschreibung mit medizinisch-bitter wahr wohl nicht so glücklich gewählt, ich wollte den Begriff alkoholisch vermeiden, obwohl es dieser wohl am besten trifft.

Ich habe die Referenzen jetzt doch noch erstaunlich aufwandsfrei in meinem Chaos gefunden. Steigender Alkoholgehalt im Wein erhöht die wahrgenommene Bitterkeit von Phenolen, die wahrgenommene Adstringenz wird erniedrigt. Ich denke, diesen Effekt kennen auch viele aus eigener Verkostungserfahrung, zumindest, dass alkoholstarke Weine sanfter wirken, aber auch schnell bitter. Besonders bei Weißweinen fällt die Bitterkeit auf, finde ich.

The Effect of Ethanol, Catechin Concentration, and pH on Sourness and Bitterness of Wine. [Link]

Effect of pH, ethanol and acidity on astringency and bitterness of grape seed tannin oligomers in model wine solution. [Link]

pessac-léognan hat geschrieben:Hallo Karsten und Josef
Genau diese Medizinalnote hatte ich bei meiner letzten Begegnung mit Pontet-Canet 2003 (Hitzejahr!) trotz nur 13%Alkohol wahrgenommen, und zwar extrem. Bei den vorigen Flaschen war das nicht der Fall gewesen. Ich muss da wohl wieder mal ran.
Gruß
Jean

Alkohol (also im speziellen auch Ethanol, aber auch andere Alkohole) alleine führt auch schon zu einem bitteren Geschmack. Du kannst auch bei 13vol% einen beitrag von alkoholischen Gärungsnebenprodukten haben (außer Ethanol).

In der Referenz A review on astringency and bitterness perception of tannins in wine [Link] ist auch etwas zum Mechanismus der Bitterwahrnehmung von Gerbstoffen beschrieben:

Bitterness perception is a taste recognition mediated by taste buds presenting in the taste papillae on the tongue. Each taste bud consists of approximately 50-100 taste receptor cells (TRC) and is innervated by multiple taste fibers that transmit nervous signals to brain. The bitter taste receptor cells are mainly located at the back of the tongue near the throat. In humans, each bitter receptor cell contains approximately 25 bitter G protein-coupled receptors (GPCR) encoded by a TAS2Rs gene family. Recently, it was evidenced by Soares et al. (2013) that different phenolic compounds activate distinguished combination of TAS2Rs: (-)-Epicatechin stimulated three receptors (TAS2R4, TAS2R5, and TAS2R39) while Pentagalloylglucose activated two receptors (TAS2R5 and TAS2R39). Only one receptor was responded to malvidin-3-glucoside and procyanidin trimer.

Alkohol wechselwirkt wohl mit einem anderen TAS2R Rezeptor (TAS2R39). Polymorphisms in TRPV1 and TAS2Rs Associate with Sensations from Sampled Ethanol. [Link]

Bei diesen ganzen genetischen und Protein kodierungs Gedöns bewege ich mich auf ganz dünnem Eis, mir fehlt da der wissenschaftliche Hintergrund um das vernünftig zu verstehen, seht es mir nach, wenn ich Zusammenhänge nicht richtig wiedergegeben habe.

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 9. Nov 2021, 12:32

Vielen Dank, Josef, und ich hoffe, Dir jetzt durch mein Nachbohren keine schlaflose Nacht bereitet zu haben. Ich werde mir Deine Links sicher ansehen, wenn ich die Zeit finde (kann ein bißchen dauern).
Besten Gruß, Karsten
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 9. Nov 2021, 15:51

Vielen Dank, lieber Josef, für deine genauen Ausführungen! Auch wenn ich vieles davon nicht verstehe, beruhigt es natürlich in gewissem Sinne, zu hören, dass den subjektiven Geruchs- und Geschmacksempfindungen wissenschaftlich begründbare Tatsachen zugrunde liegen.
Eine kleine Einschränkung habe ich jedoch noch: Mit 'Medizinal' (meine Notiz zum PC 2003 im März 2020) meinte ich eigentlich nicht 'bitter'. Also nicht dieses so häufige Bitterl, meist gegen den Abgang hin, manchmal sogar diesen selbst bestimmend.
Das extrem Medizinale des Pontet-Canet 2003 im März 2020 war wirklich vergleichbar mit dem Geruchsempfinden in einem Krankenhauskorridor früherer Zeiten, vielleicht müsste man besser sagen: Lazarett, bis hin zum alles durchdringenden Aether. Nur dass es im Spital nicht auch noch den Geschmack bestimmt, sondern beim Geruch stehen bleibt (wobei ich allerdings gestehen muss, dass ich glücklicherweise keine Spitalerfahrungen als Patient habe, ausser einer Kindheitserinnerung an eine Mandel-OP, der sich aber, alles übertönend, der - wahrscheinlich künstliche - Geschmack von Erdbeereis aufoktroyierte, das damals nach Mandel-OPs verabreicht wurde und das bei mir in den Folgejahren zu einer Erdbeerallergie mit Scharlachschüben führte...
Gruß
Jean
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