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Bordeaux 2019

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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Ollie

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDo 22. Dez 2022, 16:44

Ich möchte aber gerne widersprechen, und zwar vollumfänglich. :mrgreen:

Fasano hat geschrieben:Vielleicht sehe ich es auch zu altmodisch, aber Bordeaux erschließt sich für mich erst bei optimaler Reife wenn das auch schwer zu treffen ist. Es stimmt das die jüngeren Jahrgänge früher trinkreif sind und anders winifiziert worden sind, alleine schon durch die höheren Temperaturen. Ein Wandel der mir nicht gefällt, aber nicht zu ändern ist. Eigentlich werden die Weineinsteiger von heute um eine entscheidende Erfahrung gebracht, den das was Bordeaux ausmacht geht schleichend verloren.


Zwar ist das, was Bordeaux "ausmacht", erst mit Flaschenreife zu bekommen, aber halt mit der nötigen Flaschenreife. Die war bei den 1986ern vieleicht eine andere als bei den 2009ern, aber das macht die 2009er nicht weniger "Bordeaux". Die 2019er Frucht z.B. finde ich persönlich schon arg speziell, aber der Bordeaux-Charakter ist für mich deutlich ausgeprägter als bei vielen 2009ern im gleichen Alter, und wahrscheinlich werden die 2019er besser reifen, länger halten und mehr Spaß machen, weil(!) nicht nur die Kellerwirtschaft, sondern auch der Weinbau verbessert wurden. (Vom Post-Parker-Stilwandel mal ganz abgesehen.) - Okay, das ist jetzt eine Behauptung, die aber momentan genauso unwiderlegbar ist wie ihr Gegenteil, also was soll's, rummeinen können wir alle.

Weineinsteiger von heute haben im Gegensatz zu "uns" die Möglichkeit, beim Händler ausgereiften Bordeaux kaufen zu können, der sogar gut ist. !983er, 89er, 90er, 96er - alles da. "Wir" mussten uns mit 58er, 63er, 65er und 72er die Hörner abstoßen - und nicht selten sind lange Zähne nachgewachsen, wen wundert's. Der Unterschied ist bestenfalls im finanziellen Aufwand zu sehen, denn 47er Cheval Blanc gabs vor 30 Jahren noch an jeder Ecke für lau.

Und dann: Blutjunger Bordeaux kann wirklich etwas Spektakuläres sein. Das Jungweinerlebnis aber auch zwingend notwendig, um Erfahrungen aufbauen zu können. Denn daß Bordaux sich erst bei optimaler Reife erschließt, und was das überhaupt ist, diese legendäre optimale Reife, und wie der Wein sich dann darstellt im Vergleich zu früher - das muss man selbst erfahren. (Und wem das Zeug dann jung immer noch besser schmeckt, ist ja deshalb kein Banause.)

Weinkulturpessimismus ist IMO also völlig unangebracht. Im Gegenteil.

(Die 2019er machen offenbar sehr viel schneller zu als die 2009er, was sehr schade ist, denn die Weine, die jetzt reinkommen, bleiben bei mir zu.)

Cheers,
Ollie
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDo 22. Dez 2022, 17:56

pessac-léognan hat geschrieben:Le Marquis de Calon Ségur 2019 15% alc
54% CS / 44% M / 2% CF
P&P bei zunächst 16°
Farbe: Sehr dunkles, fast schwarzes Purpur-Granat
Nase: Cassis, réglisse, etwas Montecristo
Gaumen: Der Wein kleidet den Gaumen aus mit schwarzbeerig-kirschigen Aromen, dann auch etwas zweijähriger Wacholder, weißer Pfeffer, Montecristo auch hier, Zeder, etwas zerstoßener Anis, durchaus noch rauhe, aber hochklassige Tannine, ab 18° im Nachhall leichtes Bitterl, das aber übergeht in einen Hauch von Mandarinenzesten und dergestelt weniger störend als vielmehr leicht exotisch wirkt, am Schluss wieder etwas weißer Pfeffer, leicht steinig, im Abgang.
Fazit: ein massiver, kein filigraner Wein, aber durchaus mit einer sich andeutenden Komplexität. Dieser junge Zweitwein übertrifft die Qualität des Erstweins aus manchen nicht ganz erstklassigen Jahren des letzten Jahrhunderts, wo er nicht selten harsch, grün und unreif daherkam, und in der Saint-Estèphe-Typizität ganz klar etwa den vor einigen Monaten verkosteten Lilian-Ladouys mit dessen Weltweinhaftigkeit. Für 25€ auf jeden Fall einen Kauf wert, trotz des hohen, momentan nicht dominierenden Alkoholgehalts. 92 P.


Zum Thema "Jungwein" - dieser Wein ist auch im 2. Versuch ein halbes Jahr später einfach nur 'saugut' (es scheint hier große Flaschen- oder Kistenvarianzen zu geben), sogar noch einen Hauch besser als die erste Flasche, deutlich besser als DdC 19 jüngst oder etwa Dauzac 19 oder Ferrière 19. Ich gebe ihm nun wie dem Capbern 93 Punkte. Schade nur, dass beide mit 15% alc. daher kommen, das merkt man, sobald die Temperatur 17° übersteigt. Aber P&P bei 15/16° grandios! Möglich, dass man dieses kleine Zeug einfach jung trinken muss. Da lasse ich den 16er Erstwein gerne noch ein paar Jahre zu wie auch vieles Höherpreisige aus 2019, solange dieses Zeug so viel Spaß macht. Und wenn man das Komplexere mag, findet sich ja noch Älteres und Altes im Keller...
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duhart09

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDo 22. Dez 2022, 18:41

Jochen R. hat geschrieben:Ach schön, was gerade über Montrose zu lesen ist, v. a. bei den
Weinen des Jahres über den 1990ziger - das ist auch für mich einer
der ganz wenigen glatten reproduzierbaren 100er in meiner Trinker-
Karriere.
Habe mich mit Anfang fufzig nicht mehr getraut, den 2019er zu
kaufen :mrgreen: , hoffe aber, dass 2023 die Montrose Probe in Frankfurt
mit dem 90ziger zustande kommt, evtl. wäre der 2019er im line-up
zu überlegen ...

Viele Grüße,
Jochen


Jochen, das kriegen wir hin! Zum 19er müssten wir vorher nochmal diverse Wasserstandsmeldungen überprüfen, komplett verschwenden will man so einen edlen Wein ja auch nicht. Was zum Vorfreuen auf das Neue Jahr!

Liebe Grüße
Uli
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duhart09

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDo 22. Dez 2022, 18:46

Fasano hat geschrieben:Ich tröste mich auf Grund meines Alters mit älteren Jahrgängen. Der 89er wird/ ist dem 90er gleichwertig. 2000, 2003, 2009, 2010.....


Kuzz zum Kontext: hier ging's um Chateau Montrose. Unbedingt hinzufügen würde ich den 96er, mehrfach mit höchstem Genuss verkostet!

Gruß
Uli
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amateur des vins

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDo 22. Dez 2022, 19:23

Ollie hat geschrieben:Und dann: Blutjunger Bordeaux kann wirklich etwas Spektakuläres sein. Das Jungweinerlebnis aber auch zwingend notwendig, um Erfahrungen aufbauen zu können. Denn daß Bordaux sich erst bei optimaler Reife erschließt, und was das überhaupt ist, diese legendäre optimale Reife, und wie der Wein sich dann darstellt im Vergleich zu früher - das muss man selbst erfahren. (Und wem das Zeug dann jung immer noch besser schmeckt, ist ja deshalb kein Banause.)
Geschriebenes gilt für Wein generell (vielleicht mit Ausnahme von Beaujolais Nouveau, den ich aus Prinzip und Geschmack nicht trinke), aber auch Bordeaux.

Man muß aber auch konzedieren, daß es Leute gibt, die sich mit einmal Gefundenem zufriedengeben, wenn es gefällt. Die nicht nach dem Vergleich suchen - weder, um das Urteil abzusichern, noch, um es umzustoßen. Und dann gibt es jene, die Liebgewonnenes wiederfinden möchten, und jene, die Neues suchen. Und das Schöne ist: Es gibt dabei kein grundsätzliches Besser oder Schlechter, und Wein hält für jeden etwas bereit. Darauf (k)ein Bit!
Besten Gruß, Karsten
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSa 24. Dez 2022, 14:35

pessac-léognan hat geschrieben:
pessac-léognan hat geschrieben:Le Marquis de Calon Ségur 2019 15% alc
54% CS / 44% M / 2% CF
P&P bei zunächst 16°
Farbe: Sehr dunkles, fast schwarzes Purpur-Granat
Nase: Cassis, réglisse, etwas Montecristo
Gaumen: Der Wein kleidet den Gaumen aus mit schwarzbeerig-kirschigen Aromen, dann auch etwas zweijähriger Wacholder, weißer Pfeffer, Montecristo auch hier, Zeder, etwas zerstoßener Anis, durchaus noch rauhe, aber hochklassige Tannine, ab 18° im Nachhall leichtes Bitterl, das aber übergeht in einen Hauch von Mandarinenzesten und dergestelt weniger störend als vielmehr leicht exotisch wirkt, am Schluss wieder etwas weißer Pfeffer, leicht steinig, im Abgang.
Fazit: ein massiver, kein filigraner Wein, aber durchaus mit einer sich andeutenden Komplexität. Dieser junge Zweitwein übertrifft die Qualität des Erstweins aus manchen nicht ganz erstklassigen Jahren des letzten Jahrhunderts, wo er nicht selten harsch, grün und unreif daherkam, und in der Saint-Estèphe-Typizität ganz klar etwa den vor einigen Monaten verkosteten Lilian-Ladouys mit dessen Weltweinhaftigkeit. Für 25€ auf jeden Fall einen Kauf wert, trotz des hohen, momentan nicht dominierenden Alkoholgehalts. 92 P.


Zum Thema "Jungwein" - dieser Wein ist auch im 2. Versuch ein halbes Jahr später einfach nur 'saugut' (es scheint hier große Flaschen- oder Kistenvarianzen zu geben), sogar noch einen Hauch besser als die erste Flasche, deutlich besser als DdC 19 jüngst oder etwa Dauzac 19 oder Ferrière 19. Ich gebe ihm nun wie dem Capbern 93 Punkte. Schade nur, dass beide mit 15% alc. daher kommen, das merkt man, sobald die Temperatur 17° übersteigt. Aber P&P bei 15/16° grandios! Möglich, dass man dieses kleine Zeug einfach jung trinken muss. Da lasse ich den 16er Erstwein gerne noch ein paar Jahre zu wie auch vieles Höherpreisige aus 2019, solange dieses Zeug so viel Spaß macht. Und wenn man das Komplexere mag, findet sich ja noch Älteres und Altes im Keller...


Selbst nach zwei Tagen in der geöffneten Flasche hat der Wein, ganz im Gegensatz zu einigen anderen unlängst getrunkenen 19ern, sogar noch weiter zugelegt, sich am Gaumen abgerundet, ohne am bezaubernden Duft zu verlieren. Einfach genial!
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Marvin77

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSa 24. Dez 2022, 16:03

Hallo pessac,

das deckt sich mit meine Erfahrungen mit dem MdC 2019. Ein toller Wein mit einem außergewöhnlichem Preis-Genuss-Verhältnis. Den 2018er vor einigen Wochen fand ich sogar noch ein wenig besser, aber das ist vllt. auch abhängig von der Tagesform.

Was meinst Du bzw. ihr? Wird sich der Wein sogar positiv entwickeln?

Bis dann
Alex
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSa 24. Dez 2022, 16:28

Marvin77 hat geschrieben:Hallo pessac,

das deckt sich mit meine Erfahrungen mit dem MdC 2019. Ein toller Wein mit einem außergewöhnlichem Preis-Genuss-Verhältnis. Den 2018er vor einigen Wochen fand ich sogar noch ein wenig besser, aber das ist vllt. auch abhängig von der Tagesform.

Was meinst Du bzw. ihr? Wird sich der Wein sogar positiv entwickeln?

Bis dann
Alex


Hallo Alex
Beim Entwicklungspotenzial würde ich mich nicht zu sehr auf die Äste hinaus wagen...
Da ich 2 Kisten davon habe, werde ich persönlich es so halten: Solange der Wein jung so viel Spaß macht, werde ich immer mal wieder eine Flasche entkorken, bis die erste Kiste leer ist oder bis ich Verschlussanzeichen feststelle. Die zweite lasse ich 5 - 7Jahre zu und sehe dann weiter.
Bei einem Wein für (nach wie vor) nur 25/26 CHF/€ kann man da durchaus etwas experimentieren. QPR ist m.E. wirklich fast nicht zu toppen.
Schöne Weihnachten!
Jean
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSa 24. Dez 2022, 18:12

Château Haut-Bages Libéral Pauillac GCC 2019 14.5% alc
80% CS / 20% M
P&P bei zunächst 14°
Farbe: dunkles, nicht ganz blickdichtes Purpurgranat
Nase: Sofort nach dem Entkorken (sehr hochwertiger Langkork) ein traumhafter Duft von Cassis, Schwarzkirsche, wenig réglisse, Tabak (mehr Partagas als Montecristo, auch ein Hauch Brasiltabak), Zedernholz, nasses Leder
Gaumen: hier mehr auf Schwarzkirsche als auf Cassis, schwarzer, aber durchaus feiner Pfeffer, auch hier wieder Partagas, im Abgang sich verstärkend und mindestens eine Minute nachhallend, etwas Lehm, Leder, Stein. Dann auch ganz fein und die Minute Abgang vom Tabak überdauernd Graphit.
Knackige, aber kaum aufrauhende, sehr vielversprechende Tannine, allerdings mit überraschend wenig Säure gepaart.
Fazit: ein für den nach der Arrivage bezahlten Preis von deutlich unterhalb 40€ unglaublich starker Pauillac, auch nach der Umstellung auf Bio durchaus Pauillac-typisch (I.U. zu Pontet-Canet), qualitativ um Welten verbessert gegenüber dem 2001er, einem guten, aber doch etwas rustikalen Pauillac aus den Anfangszeiten von Claire Villars-Lurton.
Von den drei bisher getesteten Weinen des Ehepaars Lurton nur wenig hinter dem (moderneren) Durfort-Vivens, bezüglich Terroir-Typizität diesem deutlich überlegen (halt Pauillac, kein blumiger Margaux !) und Claire Villars Ferrière als Jungwein weit übertreffend.
Ich bin nun auch gespannt auf den 2009er, der jung wenig Freude bereitete, und auf den 16er, dessen Jungweinphase ich verpasst habe. 94 Punkte.
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alfredmeinrad

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 26. Dez 2022, 11:13

Ueber die letzten drei Tage verkostet, kopiere ich hier mal plagiatshalber die Notiz von Adrian van Velsen (vvwine.ch) rein, welche ich vollumfänglich unterschreiben kann:

2019, Château Beau-Séjour Bécot, Saint-Emilion Grand Cru AOC (80% Merlot, 15% Cabernet Franc, 5% Cabernet Sauvignon). Die Nase ist schon ein Gedicht, noch verschlossen zwar, jedoch mit viel Tiefgang, ungemein nobel mit Noten von Brombeeren, Kirschen und Pflaumen, dazu subtile Floralität. Im Gaumen mit Kraft und Konzentration, dabei aber top frisch, wunderbar balanciert, mit feinsten Gerbstoffen, einer perfekt integrierten Säure und einem sehr langen Abgang, endet auf einen Mix aus roten und dunklen Früchten sowie «Pain d’épice». Ein grandioser Beau-Séjour Bécot, definitiv eine Sünde wert. 2026-2045. 95-97 vvPunkte (Verkostet im Rahmen der Crus et Domaines de France Probe am 26. Juni in Bern)

Ich denke die 2019 sind sich langsam am verschliessen, aber in dieser Form sind sie für mich noch definitiv ein Genuss. Der Wein präsentierte sich am dritten Tag am besten. Nach dieser positiven Erfahrung werde ich im ersten Semester 2023 nun noch Feytit Clinet, Pavie Maquin, Montrose und Pichon Baron antesten. Prost!
Gruss Fredi

Isch gad all wede schöö, e Fläschli ufztue!!
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