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Bordeaux 2019

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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ledexter

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 28. Sep 2021, 09:08

Lobenberg - Subskription Bordeaux 2020 hat geschrieben:
»Die Super 8« – Den Jahrgang einordnen

Seit dem ersten »ganz großen« Jahr der jüngeren Geschichte, 2005, und dann in den Jahren 2009 und 2010, über 2015 und 2016 zu 2018, 2019 und nun 2020, kann die Bezeichnung »best ever« durchaus öfters bemüht werden, auch wenn diese hier genannten, traumhaften »Super-8« Jahrgänge allesamt und jedes für sich grandios sind. Nur die Vielzahl der zu Recht immer höheren Bewertungen steigt kontinuierlich. Immer mehr Châteaux und Domaines können als überragend bezeichnet werden, fast inflationär war das im mediterranen Sensationsjahr 2018, also im ersten Jahr der vielleicht besten Trilogie der Bordelaiser Geschichte. Das wirklich Schöne an dieser Aufzählung der 8 magischen Superjahre ist, dass sie alle eine sehr unterschiedliche Jahrgangstypizität hervorgebracht haben, wobei es natürlich auch die ein oder andere Verwandtschaft zu erkennen gibt.

2005 passt zu 2019, wobei 2019 neben ähnlicher Frische alles an opulenter Reife, Feinheit, Schliff und Grandezza hat, was 2005 noch fehlte – 2019 ist ein echtes Knaller-Jahr! 2009 bildet für mich mit 2015 und dem grandiosesten, hedonistischsten Opulenz-Jahr 2018 die Gruppe der üppig eleganten Charmeure. Nur 2010 und 2016 kann man wirklich als klassisch bezeichnen. Durchaus gerbstoffreich, hohe Extrakte und eine extreme Mineralität mit überraschend guter Frische und Finesse. Die gnadenlos hohe Eleganz im Gerbstoff steigerte sich dabei von 2010 zu 2016 nochmal deutlich. 

2020 ist da (vielleicht noch) nicht ganz einzuordnen. Zumindest im Medoc liegt es für mich stilistisch nahe an 2010 und 2016. Am rechten Ufer ist es wiederum ganz anders, da gibt es oft auch die extreme Reife von 2019, manchmal sogar auch die gleiche Frische. Zum Teil aber ist 2020 dort eine reifere Version der schon superreifen und supersoften Tannin-Bomben von 2018. Früh zugänglich, immens dicht und fast etwas süß, ewig haltbar. Das bedeutet, 2020 zeigt sich im Medoc eher klassisch, am rechten Ufer eher üppig reif, erotisch und atemberaubend sexy.

Wenn ich innerhalb dieser 8 besten Jahrgänge der Bordelaiser Geschichte einen Favoriten benennen müsste, so bleibt für mich – trotz eines genialen 2020 – der Jahrgang 2019 mit seiner enormen Pikanz, Frische und Mineralität bei vollkommender Fruchtreife das absolute Highlight, mein persönliches »Best Ever!«. Wer Klassik vorzieht, nimmt 2020 aus dem Medoc oder 2016 (2010 und 2005 sind total vergriffen), und wer frühreife, seidige, sexy Opulenz vorzieht, der greife zum rechten Ufer aus 2020 oder zu 2018 (2015 und 2009 finden sich kaum noch).

https://www.gute-weine.de/eine-entdeckung-wert/subskription/bordeaux-2020/




Ganz interessant auch, die Jahrgangsbeschreibung zu 2020 von Lobenberg. Man hätte ja erwarten können, dass er 2020 in den Himmel lobt und versucht die Subskription anzukurbeln, stattdessen beschreibt er 2020 relativ nüchtern und emotionslos, und hält 2019 für den besten Jahrgang Ever.
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSa 2. Okt 2021, 18:25

Château de la Rivière Fronsac 2019 14.5% alc
P&P bei 17°
Dunkles Purpurgranat
Feine Nase auf Lebkuchenwürze und kaum gezuckertes Zwetschgenkompott
Am Gaumen zunächst gnadenlos dominierend abweisend rauhes Tannin, sonst gar nichts. Nachdem die Flasche mehrere Stunden offen stehen gelassen und anschließend wieder auf 16° heruntergekühlt wurde, beginnt sich der Wein zu öffnen, aber weniger auf der fruchtigen, dafür stark auf der würzigen Seite: Nelke, feiner weißer Pfeffer, gepaart mit Zeder und mildem hellem Tabak. Tannin immer noch spürbar, aber von verheißungsvoller Qualität.
Gewaltig der Unterschied zum letztes Jahr etwa zur selben Zeit verkosteten 18er, der hedonistisch und extrem süffig daher kam. Wenn dieser erste abgefüllte 19er, den ich im Glas habe, bereits ein Signal für den Jahrgang setzt, dann: viel mehr Klassizität, viel weniger jugendlicher Hedonismus. Warten könnte angesagt sein, während die 18er, die ich hatte, allesamt 2 Jahre nach der Ernte fast beängstigend trinkig, fast sirupig (nicht zuckrig, aber fruchtig) daher kamen, dafür bereits im Verlauf des Winters sich zurück zu ziehen begannen (früher, dafür kurzer [?], Verschluss?), könnte hier von Anfang an Geduld gefragt sein. Letztes Jahr habe ich mir bisweilen die Frage gestellt, ob man diese 18er nicht besser direkt nach der Abfüllung wegsaufen sollte (Zukunft ungewiss), würde ich diesem Rivière mindestes ein Jahr Flaschenreife gönnen, bevor man seine frühe (Frucht-)Phase genießt. In 10 oder 20 Jahren? Möglich, dass der 19er dann viel Freude bereitet, während der 18er längst hinüber ist.
Bewertung: schwierig, im Moment nach Stunden der Belüftung etwa 88(+) Punkte.
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TOM

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Re: Bordeaux 2019

BeitragFr 8. Okt 2021, 09:24

2019 Philippe Nunes - Château Laurence Bordeaux Superieur
100 % Merlot - 15%
Kirschduft, etwas Rauch. Im Mund cremig, saftig, Herzkirsche, etwas Cassis, leichte Gerbstoffe am Schluss. Mittellanger bis langer Nachhall, der mit roter Paprika startet und danach wieder viel Kirsche und etwas Cassis bietet.
Ein wirklich schöner und sehr saftiger Wein!

Ich hatte den Wein subskribiert, da er von einigen Händlern "hochgelobt" wurde. Dachte für knapp 12 Eur kann man nicht viel verkehrt machen und muss sagen, dass es sich echt gelohnt hat. Philippe Nunes ist laut Beschreibung Direktor auf La Fleur de Boüard und macht hier auf 6 ha nebenbei sein eigenes Ding.

Will anmerken, dass der Wein wirklich sehr fruchtig ist! Sowas möchte ich nicht jeden Tag trinken. Aber ab und an macht mir das richtig Spaß (meiner Frau sowieso). Trotzdem! Der Wein ist ganz und garnicht profan. Herr Hilse trifft es auf den Punkt, wenn er sagt: "... von hedonistischer Kirschfrucht unterlegte, überaus fein balancierte und geradezu betörend komplexe Struktur... "

Ob und wie lange man den Wein lagern kann, weiß ich nicht. Ich denke, das ist ein Wein, den man in der Fruchtphase genießen sollte.
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
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Charmail

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSo 10. Okt 2021, 10:44

Hallo zusammen,

ich hatte in den letzten 10 Tagen einige 19er über mehrere Tage nebeneinander probiert. Angefangen mit 3 Weinen aus dem Haut-Medoc (d'Agassac, Belgrave & Sociando-Mallet)

Château d'Agassac

duftet nach roten und schwarzen Früchten, mit einer kleinen gegrillten Nuss. Am Gaumen hat er echten Charme und zeigt überzeugende Aromen von Schwarzkirsche, Pflaume und schwarzer Johannisbeere. Alles wirkt sehr frisch und rein, mit großzügiger Fruchtfülle und guter Komplexität. Das Holz ist kaum wahrnehmbar, der Wein wirkt sehr locker und natürlich, bei nur 13Vol. % Alkohol absolut klassisch. Das ist ein wirklich schöner Wein, nicht so sehr wegen seiner Kraft, sondern wegen seiner großen Eleganz und Frische, die Tanninstruktur ist von großer Finesse, was zu einem seidigen Wein, mit viel Weichheit führt. Er hielt das Niveau 3 Tage lang, 91-92+

Chateau Belgrave

beginnt recht charmant, mit blauer und schwarzer Beerenfrucht, leicht rauchig, mit Nuancen von schwarzer Olive und Veilchencreme. Dieser duftende Charakter zieht sich durch den Gaumen, auch hier viel Frische bei einer eher breiten und mittelkräftigen Konzentration. Allerdings fleischiger mit noch ordentlich Babyspeck auf den Rippen. Das ganze wirkt im Moment zumindest etwas zu brav, bei weitem nicht so spannungsgeladen wie der d'Agassac. Frisch auf gefiel er uns am ersten Tag am besten, hat sich leider zusehends verschlossen. Der Wein wird etwas mehr Zeit benötigen. 90+

Chateau Sociando-Mallet

hat die parfümierteste Nase, ein wahrer Schnüffelwein, mit viel Schwarzkirsche, eingelegten Pflaumen, schwarzen und roten Joahnnisbeeren, Pfirsich, etwas Rosenblütenduft und einem frischen Tabakblatt-Charakter. Am Gaumen mit echter Energie zu den dunklen und roten Früchten und es gibt viel Substanz und Charakter, mit einem festen Kern, die Tannine sind reif, aber aktuell präsent. Strukturell, mit körnigem Charakter, mit frischer Säure, strahlend, im Abgang kommt dann leider doch etwas Hitze durch, wenn auch nur geringfügig, bei 14,5Vol.% Alkohol. Das wäre für mich jetzt aber auch der einzige Kritikpunkt, ansonsten ist der Wein sehr gut gemacht, wobei das im Moment schon deutlich fordernder wirkt, hier bedarf es einer etwas längeren Flaschenreife. 91+

Alle Wein p&p ins Glas, ich fand alle sehr gelungen, mein Favorit sicherlich der d'Agassac, schon alleine in Bezug auf den Preis (knapp 16€). Den Belgrave kann man aktuell nicht wirklich gut einschätzen, ich denke aber dennoch, dass die Aussichten sehr gut sind. Bei dem Sociando bin ich etwas hin-und hergerissen, einerseits so betörend und einnehmend, andererseits echt fordernd und ungestüm. Wenn er nicht diese leichte Schärfe im Abgang hätte, wäre er wahrscheinlich mein Favorit gewesen.

Schönen Sonntag allerseits ,

viele Grüße Steffen!
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Jochen R.

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSo 10. Okt 2021, 12:30

Hallo Steffen,
super, danke (natürlich auch an die anderen) für die ersten
Eindrücke! Die Weine stammen vermutlich aus dem franz.
Supermarkt, oder?

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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stollinger

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Re: Bordeaux 2019

BeitragSo 10. Okt 2021, 14:47

Auch von mir Danke, Steffen, das liest sich sehr interessant; nach dem d'Agassac werde ich wohl mal die Augen offen halten.

Ich kann auch eine Verkostungsnotiz von einem einfacheren, jüngst getrunkenen 2019er beisteuern. Chateau Ferran liegt in der Gemeide Martillac, in der Nähe von Chateau Latour Martillac und Clos Marsalette. Mit ca. 75% Merlot und einem hohen Anteil an Petit Verdot (in 2019: 77% Merlot, 13% Petit Verdot, 10% Cabernet Sauvignon) eine eher eigenständige Assemblage.

Château Ferran rouge - Pessac-Léognan - 2019:

Bild

Direkt nach dem Öffnen war noch Hefegeruch präsent, der ist aber schnell verflogen. Der Wein ist für meinen Eindruck deutlich durch den hohen Anteil an Petit Verdot geprägt. Kirschen und Veilchen in der Nase und im Mund, ich kann mir auch gut vorstellen, dass der Petit Verdot zu dem hohen Maß an Frische beiträgt. Trotz dem schönen Frischeeindruck sind auch reife Beerenaromen vorhanden, wohl wirklich eine Eigenart des Jahrgangs. Die Gerbstoffe reif und schön, nicht ganz so geschliffen wie beim Dauzac. Die Nase ist durchaus vielseitig, im Mund war der Wein aromatisch noch nicht sehr offen. Auch nicht super klar oder distinguiert im Ausdruck, aber angenehm und wohlgefallend. Preislich spielt sich das ja in der Cru Bourgoise-Liga ab, den Anspruch erfüllt der Wein für mich auf jeden Fall.

Anfang des Jahres hatte ich den 2016er [Link] und den 2018er [Link] getrunken. Ich muss sagen, dieser hier gefällt mir davon am besten.

Falsch macht man m.M. nach mit dem Wein nichts, unbedingt getrunken haben muss man ihn aber auch nicht. Für mich wichtig, dass weiter mein Eindruck von reifen und schönen Gerbstoffen und einem qualitativ wertigem Extrakt bestätigt wird. Ich bin sehr zuversichlich und mit Vorfreude auf die weiteren 2019er. Wärme oder einen alkoholischen Eindruck habe ich nicht wahrgenommen.

Grüße, Josef
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Charmail

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMo 11. Okt 2021, 05:59

Jochen R. hat geschrieben:Hallo Steffen,
super, danke (natürlich auch an die anderen) für die ersten
Eindrücke! Die Weine stammen vermutlich aus dem franz.
Supermarkt, oder?

Viele Grüße,
Jochen


Hallo Jochen,

wie vermutet kommen die Weine aus dem französischen und belgischen Supermarkt. Hatte zwischenzeitlich auch 3 Weine aus Saint-Estephe (Lilian-Ladouys, Le Boscq & Meyney) und 5 Weine aus Margaux (La Gurgue, Labegorce, du Tertre, Kirwan & Dauzac). In der Summe sind die Weine alle sehr ordentlich bis richtig gut, deutlich balancierter und ausgewogener als die 18er, ein Jahrgang, den ich zumindest weitestgehend ausgelassen habe, werde da aber die Tage nochmal detaillierter darüber berichten.

Beste Grüße,
Steffen
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miromo

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 12. Okt 2021, 13:28

Liebe Weinfreunde,

Ende September hab ich mich nach fast 10-jähriger Abstinenz in Frankreich mal wieder die Foire aux Vins der 3 großen Hypermarchés gestürzt. Fazit: das Angebot ist mit dem was noch so zwischen 2000 und 2010 angeboten wurde nicht mehr vergleichbar. Leider waren die meisten Weine aus 2018, auch sind die großen Namen überwiegend nicht mehr dabei. Von dem von mir ausgeguckten 2019er Jahrgang war auchnur bei Leclerc eine nennenswerte Auswahl. Früher war auch hier das Angebot 2 Jahre nach dem jeweiligen Jahrgang bedeutend größer. Verkostet habe ich die unten stehenden Weine vor Ort aus nicht optimalen Gläsern (meine Schwiegerfamilie ist da nicht so gut bestückt). Gekauft habe ich neben den u.g. Weinen noch Giscours und Pape Clement 2019 mit 45 Euro bzw. 70 Euro günstig, aber keine ausgesprochenen Schnäppchen, die ich dann aber nicht mehr verkostet habe.

Lilian Ladouys 2019
N: erster Eindruck Kirsch-Cola mit pflanzlich-erdigen Obertönen, Holzwürze, mit Luft kommt eine recht reintönige Johannisbeere zum Vorschein, am Gaumen cremig-wässrig eher leichtgewichtig , grüne bourgeoise Tannine, holzige Bittertöne, eine deutliche Extraktsüße, die sich aber nicht mit den strukturellen Komponenten vermählen will, wirkt trotz der "nur" 13,5 % leicht brandig, auch zum Essen. Am 2. Tag harmonischer, bleibt grundsätzlich in einer erdigen Würzigkeit haften, die mir nicht so zusagt. Extraktsüße ist mir nach wie vor zu aufdringlich, fast schon klebrig-süß. Kategorie: insgesamt nichts was mich auch für diesen vermeintlich günstigen Preis (14,50 €) reizen würde.

La Lagune 2019
Wesentlich höhere Farbdichte als der Lilian, Nasenbild stimmig, klassisch, Margaux-Affinität, rot- und blaubeerig, Maulbeere, feinwürziges Süßholz und Pumpernickel, Schwarztee, entwickelt nach mehreren Stunden deutliche Obertöne (Zedernorangeat) mit leichtem Drift ins balsamische. Ein Hauch Zimt, insgesamt dezenter und harmonischer Holzeinsatz, am Gaumen auch sehr stimmig. Cremig-stoffig-straffe Textur, dicht, viel Extraktsüße, feine reife Tannine, schöne Länge, sehr harmonisch in der Anlage. Die 14,5% Alkohol sind zwar ziemlich gut integriert, zeigen sich aber gleichwohl im Zusammenspiel mit Essen, was schade ist, da der La Lagune von der Machart ein klassischer Esswein ist. Trotzdem Kategorie: Sollte man haben (zumal bei dem Preis von 35 €). Ich sehe den Wein bei 93 Punkten, wird seiner Klassifizierung vollauf gerecht.
Am 2. Tag in Nase und Gaumen etwas verhaltener

Gloria 2019
Nase „dunkler“ als der Lagune. Fruchtmelange aus Cassis und Preiselbeere, fleischige Würze mit Süßholz durchsetzt, Gaumen mit satter Frucht, Tannin-Säure-Struktur spürbar bourgeoiser als der La Lagune, offenporiger, auch ist der Wein wärmer (alkoholischer) in der Ausstrahlung trotz „nur“ 14%, GGC-Niveau im unteren Bereich, Holzeinfluss auch hier eher dezent, solider St. Julien so 90-91 Punkte, am 2. Tag weniger hedonistisch
Kategorie: kann man haben, muss aber nicht sein (habe mir aber trotzdem eine 6er-Kiste geschnappt).

Chateau Laroque 2019 St. Emilion
N: anfangs verhalten, eher klassisch, Schwarzkirsche, Nougat, wird mit Luft obertonreich, Palisander, mineralisch-kräuterwürzig aber auch leicht alkoholisch, G: engmaschig gewebt, die Frucht und Extraktsüße werden von den feinen aber noch ziemlich astringierenden Tanninen dominiert, warmes Tannin-dominiertes recht langes Finish, das fast ein bisschen harsch und mit leichten Bitternoten endet, wirkt vergleichsweise schlank.

Die angebrochene Flasche 2 Tage später in Deutschland aus dem großen Riedel-Bordeauxglas verkostet:
sous bois, Edelhölzer und Bitterschokolade dicht und fein, auch am Gaumen dicht und fein, schöne Extraktsüße, mürbe Frucht, Länge etwas verhaltener aber nicht mehr so harsch im Finish, hat absolut keine Probleme mit dem großen Riedelglas. Seriöse Vinifikation, nicht auf vordergründigen frühen Genuß getrimmt.

Das kann man im Moment noch nicht hemmungslos trinken. Der Wein hat aber sehr gute Anlagen zur weiteren Entwicklung, mir gefällt auch der wohldosierte Holzeinsatz. Die 95-97 Punkte des Wineadvocate oder 95 Punkte wie bei Jeff Leve sehe ich jedoch nicht. Ich finde ihn aber interessanter als den Gloria. Hätte es im Zuge der Hawesko-Aktion für 20,75 € die Flasche gegeben. Leider war der Wein sehr rasch ausverkauft. Kategorie: für den Preis (Mitte 20 €) ein klares Kaufvotum.

Konklusion: auf Basis von 3 getesteten Weinen (den Lilian zähle ich mal nicht mit) ein ausgezeichneter Jahrgang. Sehr harmonisch, Säure/Tannine/Frucht/Extraktsüße in bester Balance. Die sagenhafte Tanninqualität des 2016er Jahrgangs haben die Weine aber eher nicht. Auch würde ich die Weine nicht als bedingungslos offen charakterisieren wollen. Ein kleiner Wermutstropfen ist für mich der hohe Alkoholgehalt. Die meisten 2019er, die ich im Angebot gesehen habe, hatten 14,5% (oftmals mehr als was gegenwärtig bei Händlern in der Sub angegeben wird) darunter war eher die Ausnahme.

Vinophile Grüße
Stefan
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2019

BeitragDi 12. Okt 2021, 17:29

Bezüglich Lilian Ladouys 2019 teile ich, lieber Stefan, weitgehend deine Einschätzung. Als "brandig" habe ich ihn zwar nicht empfunden, ansonsten aber halte ich den (farblich eher hell granatroten, nicht blickdichten) Wein für einen gefälligen gehobenen Tischwein, der auch nicht Bdx-Affinen gut als Speisenbegleiter serviert werden kann. Der Wein hat aber m.E. wenig Saint-Estephe-, nicht mal Bdx-Typisches, könnte von irgendwoher kommen. Merlot als Hauptrebsorte (59%) ist erkennbar an der Frucht. Das könnte aber auch ein gehobenerer Tessiner oder norditalienischer Merlot sein. Fazit: ein beliebiger, gut trinkbarer Allerweltswein um die 87/88 Punkte, so gut wie ohne Tiefe und erkennbare Struktur, daher auch nicht der langen Lagerung wert.
GWS platziert ihn unmittelbar hinter Marquis de Calon, deutlich vor Weinen wie Le Boscq, Capbern oder Clauzet, was die ansonsten durchaus interessanten Zahlenspielereien von Kollege Ledexter zum Fetischismus hin relativiert...
Den Marquis de Calon, aber auch den von dir, Stefan, gelobten Laroque werde ich in den nächsten Wochen degustieren. Auf letzteren bin ich besonders gespannt, habe ich davon doch reichlich subskribiert, obschon mir der 15 er bis heute nicht so recht gefallen mag.
Gruß
Jean
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Charmail

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Re: Bordeaux 2019

BeitragMi 20. Okt 2021, 13:11

Wie bereits angekündigt, hier eine kleine Zusammenfassung meiner Verkostung der 3 Weine aus Saint-Estephe:

Chateau Lilian-Ladouys 2019

In der Nase schon recht aromatisch, mit Düften von Kirsche, Kakaobohne und Rosenblättern. Am Gaumen rein, frisch und recht geschliffen, sehr linear, mit roten Johannisbeeren, roten und schwarzen Kirschen, Hagebutte und etwas roten Pfeffer. Vom Charakter her hell und rotfruchtig, würzig, mit präsenter Säure und einem eher mittleren Abgang. Der Alkohol ist gut eingebunden, die Säure sorgt für die entsprechende Frische, alles in allem ein ordentlicher Wein, der aber eine gewisse Zeit brauchen wird. Blind verkostet wäre ich auch nicht auf Saint-Estephhe gekommen. Dafür ist er dann doch etwas zu brav und beliebig. Für einen Cru Bourgeois Exceptionnel etwas zu simpel und nicht sonderlich komplex. Die hohen Bewertungen kann ich nicht so ganz nachvollziehen, dafür fehlt mir hier einfach eine Dimension, von daher sind es für mich gut gemeinte 89 Punkte. Kein Nachkaufreflex.

Chateau Le Boscq 2019

Le Boscq, schon in der Farbe deutlich dunkler als der Lilian, fast schon ins schwarzgehende. In der Nase auch eher dunkelfruchtig, gegrillte Früchte, Kokos, Kaffeebohne, schwarze Johannisbeere, Schwarzkirsche vermischen sich mit Toast und Tabak. Der Gaumen ist reich und konzentriert, mit Schichten von dunklen Früchten, Veilchen und Süßholz. Der Wein besitzt Energie, einen dichten Körper mit Volumen und einer schönen Würze, das Ganze ist sehr harmonisch und elegant mit Tiefe und Klasse. Keinerlei Wärme oder Alkoholdominanz wahrnehmbar, hier sitzt alles am rechten Fleck. Auch das braucht seine Zeit, weiß aber jetzt schon zu gefallen, der kommt auf jeden Fall auf die Einkaufsliste. Ich sehe ihn bei 91-92+.

Chateau Meyney 2019

Mit einem opaken, schwarzen Farbton und einem intensiven Charakter. Die Nase ist einfach wunderschön, dunkel, funky und rauchig, mit konzentrierten Früchten, Brombeeren, Schwarzkirsche, Johannisbeere, Graphit und Zeder. Es folgt ein köstlicher Gaumen, mit viel Energie und einer fleischigen Textur. Die Aromen vereinen Süße und rauchige Elemente, mit schwarzen Johannisbeeren, duftenden Kirschen und einer mineralischen Komponente. Das schmeckt köstlich reif, ist aber im Moment auch noch ordentlich straff und fordernd, mit einer griffigen Länge und einer reichen, anhaltenden Tanninpräsenz. Gefällt mir sehr gut. Etwas wilder als der Le Boscq und mit seinem hohen Petit-Verdot Anteil natürlich auch sehr eigenständig. Kann nicht sagen, dass er mir besser als der Le Boscq gefällt, ist vielleicht eine Stilfrage, mir gefallen sie beide auf ihre Art und Weise. Den hatte ich bereits gesubst. Ich sehe ihn bei 92-93.


Viele Grüße,
Steffen
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