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out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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innauen

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out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

BeitragSa 13. Sep 2014, 22:45

Hallo,

heute auf der Weinverkostung eines mittelgroßen Händlers. Man schlendert an den Ständen vorbei und sieht viel Weisswein, viel Deutschland, einiges aus Italien, weniger aus Spanien als noch vor Jahresfrist, noch weniger Frankreich aber davon ist nichts aus Bordeaux. Die Weine aus dem Bordelaise hat der Händler durchaus im Angebot. Er hat einige bekannte Namen in seinen Regalen stehen, sogar einige Geheimtipps, die es wert wären verkostet zu werden und preislich halten sich diese Flaschen im Rahmen des Gesamtsortiments. Nur werden diese Weine nicht oft verlangt oder besser, immer seltener. Auf der Verkostung taugen sie für ihn nicht mal als Prestigeweine. Den einkommensstärkeren Teilen seines Publikums serviert er lieber einen Pommard.

Berlin, in der Woche zuvor. Eine Verkostung für Geschäftskunden. Das Motto "Bordeaux für junge Leute". Präsentiert werden vorzusweise junge Weine, frucht- und säurebetont ausgebaut. Holzfassbau gleich "pfui". "Barrique" ist genauso trendy wie die FDP. Doch die auf jugendlich getrimmten Weine wollen nicht sonderlich gefallen. Die Tannine nicht gebändigt oder hohl. Grüntöne drängen sich ob der jungen Jahrgänge in den Vordergrund. Es fehlt die Harmonie, es fehlt die Faust im Samthandschuh, es fehlt die Tiefe, es fehlen gereifte Weine.

Aber wer trinkt und wer hat - abgesehen von einer beständig schrumpfenden Zahl von Weinfreaks - überhaupt noch gereifte Bordeaux? Papa hat früher gerne mal Bordeaux getrunken. Als die noch günstig waren, hat er fast jeden Jahrgang subskribiert. Aus der Kiste mit dem Lafite hat sich dann ein paar Flaschen für den Eigenbedarf rausgenommen, den Rest verkauft und davon seine Subs im Nachhinein bezahlt. Doch in den letzten Jahren hat er seinen Weinkeller sukzessive von Bordeaux gereinigt. Das Zeugs wurde ihm zu teuer, die Holzphase hat er eine Weile mitgemacht, aber die Ergebnisse haben ihn ehrlich gesagt nicht überzeugt, obwohl er das vor seinen Freunden nie zugeben würde. Die letzten drei Jahrgänge bei der Subs hat er ausgelassen. Die waren wohl nicht so gut, günstig waren die Sachen auch nicht. Und dann hat er immer von den Chinesen gelesen, die ihm den Lafite wegkaufen. Und das zu Preisen pro Flasche, die er früher für eine Kiste gezahlt hat. Aber so ist das Leben. Wird eine Tür zugeschlagen, tun sich viele neue auf. Es gibt etliches zu entdecken. Burgund ist auch teuer, aber irgendwie exklusiver. Und in Deutschland - der Klimawandel ist ja nicht nur schlecht - wird mittlerweile anständiger Rotwein erzeugt. Der ist nicht mal so teuer. Außerdem kann man den gleich trinken und man muss ihn nicht lagern. Was auch ganz gut ist, denn nachdem Papa nach der Scheidung ausziehen musste, hat seine neue 2 Zimmer Wohnung keinen gescheiten Keller mehr. Da wäre es mit dem Lagern ohnehin schwierig geworden. Das mit er sonst weniger Platz hat, ist nicht weiter schlimm, denn Sohnemann und Töchterlein sind bereits ausgezogen.

Jetzt wo die Kinder in der großen weiten Welt studieren, machen die ihre eigenen Erfahrungen. Leider nicht mehr mit Bordeaux, denn Papa kann ihnen keinen mehr mit auf den Weg geben und sonst begegnet den zweien diese Art von Weinen weder im Restaurant, noch im Freundeskreis. Wenn sie Wein brauchen, dann nehmen sie sich gerne eine Flasche beim Friseur mit, denn der verkauft neben Schampoo und Spülung noch das Zeugs, das irgenwelche Freunde von ihm auf deren Bioweingut in Spanien/Slowenien/Südtirol oder wahlweise in der Südpfalz selbst herstellen. Und wenn die Story nicht stimmt, ist sie jedenfalls gut ausgedacht. Der Wein schmeckt jedenfalls. Der ist klar, knallt mit junger Frucht und Säure, hat ein echt colles Etikett, das zum iphone 5 passt und heißt im Zweifel "Kawumms" oder "Fräulein Sommer". So wie Papa ihnen das erzählt hat, das man sich früher durch Dutzende Weine trinken musste, um die paar wirklich überzeugenden herauszufiltern, den Aufwand müssen die Kids heute nicht mehr betreiben. Richtig schlechte Erfahrungen mit der Qualität von Weinen macht zwar hin und wider. Aber es schmeckt ja auch nicht jedes Bier.

Neulich hatte einer mal so einen old school Bordeaux zum Essen mitgebracht. Geschenk das seine Eltern damals gekauft haben, als er geborden wurde. Echt altes Zeugs. 25 oder 30 Jahre. Wusste man gar nicht, dass Wein so alt werden kann. Der hat gar nicht mal so übel geschmeckt. Irgendwie anders, hat aber nicht jedem geschmeckt. Das ist so ungewohnt. Aus Interesse hat man dann jedenfalls mal gegoogelt, was ein aktueller Jahrgang davon kostet. Vielleicht kann man sich den ja mal merken. Aber als den Wein schließlich gefunden hatte, hat auch man schnell wieder von der Idee Abstand genommen, so etwas zu kaufen. Also Hallo: Der Wein war schon echt gut, aber gleich zehn mal so gut, wie das was man sonst trinkt?

Grüße,

wolf
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UlliB

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 09:27

Hallo Wolf,

absolut zutreffende Diagnose, und nett geschrieben.

Wobei sich Bordeaux auch schon in der Vergangenheit permanent zwischen boom und bust bewegt hat. Hier ist jetzt eben eine 25jährige Boomphase zu Ende gegangen. Ich bin überzeugt: Bordeaux wird wiederkommen; irgendwann.

Dass es sich hier übrigens um ein reines Wahrnehmungsphänomen handelt, sei nur am Rande erwähnt. Wenn man den Blick auch nur einen Moment von der absoluten Topliga abwendet, findet man aus dem Bordelais eine Menge guter Weine zu absolut konkurrenzfähigen Preisen. Nur sieht's keiner, weil es im Moment keiner sehen will. Wie heißt es doch so schön: perception is reality.

Gruß
Ulli
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Weinbertl

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 09:39

was die breite Masse der Konumenten betrifft, kann ich dieser Einschätzung durchaus beipflichten, es gibt aber scheinbar immer noch genügend Liebhaber, die für Bordeaux ordentlich Geld lassen. Anders kann ich mir die in letzter Zeit wieder gestiegenen Auktionspreise für Bordeaux nicht erklären. Und ich rede hier nicht nur von den 1ern.
Grüße
Robert
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UlliB

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 10:07

Weinbertl hat geschrieben: es gibt aber scheinbar immer noch genügend Liebhaber, die für Bordeaux ordentlich Geld lassen.

Klar, es gibt Leute, die können von Bordeaux nicht lassen; ich gehöre dazu 8-)

Was allerdings Auktionen als Benchmark für das allgemeine Marktgeschehen betrifft, bin ich skeptisch, denn das dort umgesetzte Volumen ist im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Marktes nur minimal. Interessanter ist schon, was einem Händler erzählen - und bei denen liegen Bordeaux aller Gewichts- und Preisklassen tatsächlich wie Blei.

Ich könnte mir allerdings durchaus vorstellen, dass in den Auktionen ein paar antizyklisch handelnde Investoren unterwegs sind. Geld ist ja mehr als genug da, und renditetragende Anlagealternativen sind kaum noch vorhanden. Da werden Sachwerte mit Wertsteigerungspotential durchaus interessant; dazu gehören hoch bewertete Bordeaux nach wie vor.

Gruß
Ulli
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dylan

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 10:37

Hallo Wolf,

mit großem Vergnügen habe ich deinenen Beitrag gelesen und mich in so mancher Zeile auch wiedegefunden. Nur das mit der Scheidung und dem Verkauf der Bordeauxsammlung (Lafite einmal ausgenommen) habe ich fein bleiben lassen. Da mir Modeströmungen inzwischen ziemlich "Rille" sind, wird sich das in Zukunft auch kaum ändern. Im Gegenteil: Ich kaufe auch heute noch selektiv ältere Bordeaux auf.
Und ja, Tochter und Sohn trinken gerne mit (wenn sie denn mal zu Besuch kommen). Jetzt werde ich mal in den Keller gehen und eine Flasche für den Abend raussuchen (vielleicht einen Sociando 90, Eine Palmer 88, einen Talbot 86?). Das (altmodische) Leben kann doch so schön sein. :lol:

Beste Grüße

dylan
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Tackleberry

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 10:46

Hallo Wolf,

herzlichen Dank für den amüsanten Artikel. :)

innauen hat geschrieben:Aber wer trinkt und wer hat - abgesehen von einer beständig schrumpfenden Zahl von Weinfreaks - überhaupt noch gereifte Bordeaux?


Auch die mir bekannten jüngeren "Weinfreaks" haben kaum bis gar keine Bordeaux-Weine im Keller. Marktgeschehen, Reputation, individuelle Sensorik, Verfügbarkeit, etc. sorgen wohl dafür. Deshalb greifen jene Weinliebhaber zu anderen Weinen anderer Anbaugebiete...

Gruß Alex
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Bernd Schulz

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 11:14

Hallo Ulli,

Wenn man den Blick auch nur einen Moment von der absoluten Topliga abwendet, findet man aus dem Bordelais eine Menge guter Weine zu absolut konkurrenzfähigen Preisen.


kommt darauf an, was man unter "konkurrenzfähig" versteht. Da dürften die Vorstellungen ziemlich auseinandergehen.

Ich als Gelegenheitsrotweintrinker bewege mich bevorzugt im Preissegment zwischen 6 und 15 Euro (mehr als 20 Euro mag ich nur sehr selten für eine Flasche Wein ausgeben). Und da finde ich weitaus mehr mich wirklich überzeugende Weine von der Rhone oder aus dem Midi als Bordelaiser Gewächse. Neulich habe ich mir bei PdP mal wieder eine Flasche preisgünstigen BDX mitbestellt (diesen hier: http://www.pinard-de-picard.de/katalog/ ... 06500.html ). Der Wein war ordentlich, aber die im gleichen 12er-Karton enthaltenen Konkurrenten aus anderen französischen Anbaugebieten boten/bieten mir zu ähnlichen oder geringfühig höheren Preisen erheblich mehr Genuss.

Für mich als jemand, der mittlerweile im puncto Preisniveau immer mehr zurückzurudern versucht, ist Bordeaux tendenziell immer noch zu teuer.

Viele Grüße

Bernd
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UlliB

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 12:18

Bernd Schulz hat geschrieben:kommt darauf an, was man unter "konkurrenzfähig" versteht. Da dürften die Vorstellungen ziemlich auseinandergehen.

Ich als Gelegenheitsrotweintrinker bewege mich bevorzugt im Preissegment zwischen 6 und 15 Euro

Hallo Bernd,

nein, stimmt schon, in dem Preisbereich wird's mit Bordeaux doch einigermaßen schwierig.

Ich hatte hier tatsächlich in einer anderen Preislage gedacht, so von knapp 20 Euro aufwärts. Und da muss sich Bordeaux im Kontext wirklich nicht verstecken.

Gruß
Ulli
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innauen

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 12:33

Hallo und Danke für das freundliche Feedback,

@UlliB danke für die zeitgeschichtliche Einordnung. Ich trinke eben erst seit 2005 wirklich Bordeaux. Der Blick auf frühere Jahre fehlt mir einfach und was Du schreibst gibt Mut, dass es auch mal wieder anders wird.

Zumal ich auch eher antizyklisch trinke, will sagen: zwei Jahre lang war mir Bordeaux ziemlich schnuppe, aber im Moment habe ich ganz viel Spaß an den 2008ern, die sich langsam öffnen, den 2005ern, die so langsam antrinkbar sind, den 2007ern, von denen man einige reuelos trinken kann, weil sie gerade so schön reif sind etc. etc.

Grüße,

wolf
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Ollie

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragSo 14. Sep 2014, 14:56

Hallo zusammen,

interessante Diskussion, deren Grundlage ich allerdings nicht ganz verstehe. Worauf basiert denn die hier offenbar allgemein geteilte Einschaetzung, die Boom-Phase des Bordelais sei um, mithin stuende der Absturz in die Krise unmittelbar bevor? Ich versuche im Folgenden einmal, ein paar Thesen, von denen ich glaube, dass sie aufgestellt wurden, von einer anderen Seite zu beleuchten.


1. "Junge Menschen trinken kein Bordeaux mehr."

Junge Menschen haben noch nie Bordeaux getrunken. innauen, ich will deiner Jugendlichkeit nicht zu nahe treten, aber du bist doch das lebende Beispiel dafuer, dass man relativ spaet zu zu BDX (oder gar zu Wein ganz allgemein) kommen und zum absoluten Fan werden kann. Als Gegenentwurf nehme ich mal jemanden, der mit BDX aufgewachsen ist: mich. Meine Auflehnung gegen die ewig gleichschmeckenden Ploerren aus dem vaeterlichen Keller brachte mich erst zur Rhone, spaeter dann zum Burgunder, dann hinaus in die globale Weinwelt. Jetzt bin ich wieder bei Bordeaux. Und weder bin ich etwas besonderes, noch ist es ausgeschlossen, ueber billige Spanier irgendwann mal zu Claret zu kommen.


2. "Junge Menschen interessieren sich eher fuer Burgund als fuer BDX."

Klar, mit einem Pommard kann man auf vinophilen(!) U30-Parties viel mehr Eindruck schinden als mit, moment, warte: ungefaehr jedem anderen Wein. Burgund ist hip. Sogar hier im Forum ist ein Burgund-Hype zu spueren, getrieben von Leuten, die, wenn ich das richtig verstehe, nicht seit ihrer Jugend Wein trinken. Nicht nur haben die Qualitaeten in den letzten Jahre dramatsch zugenommen, sondern es ist auch der Supertriade 09/10/11 geschuldet, dass Burgund jetzt seine Hausfrauenhausse erlebt wie weiland Piemont (1996/97/98) oder, hehe, Bordeaux (1982ff.)? Aber, siehe oben, ueber kurz oder lang werden die bald nicht mehr so jungen Menschen den Kanal vollhaben von ueberteuerten, notorisch schwer aufzutreibenden Pinots (und Spaetburgundern...), die nach 15 Jahren zusammenklappen, und ihr Lehrgeld lieber in risikoaermere Weine investieren. Burgund ist eine schoene Liebe, aber Bordeaux ist Vernunft. (Und sage keiner, die Hipster seien keine Spiesser.)
Diejenigen, die die Spuelung von ihrem Friseur trinken und den Unterschied zu einem guten Shampoo nicht bemerken, waren nie fuer irgendwelchen Weine der Top-Premium-Klasse geeignet - und werden es nie sein. Da faellt also auch anteilig nix weg vom Kuchen. Mehr Leute trinken heute mehr guten Wein als frueher, und der ist auch besser als frueher, aber diese Art der Demokratisierung spielt sich am unteren Preisende ab. So wie z.B. beim Fleisch...


3. "Bordeaux ist zu teuer."

Keine Ahnung, ob und wann Bordeaux jemals ein vernueftiges PLV hatte. Seit ich denken kann, schimpfen die Konsumenten auf die Preise - um dann doch zu kaufen. Wieder du, innauen, als bestes Beispiel: Du hast allen Ernstes 2007er? Na, dann kann's ja so schlimm nicht sein mit den Preisen. Und ueberhaupt: Was waere die preiswertere Alternative? Burgund? Auf die Frage, wieso er sich nie Burgunder in den Keller gelegt haette, antwortete mein Vater: "Weil ich es mir nie leisten konnte." 25 Jahre spaeter ist das PLV in Bordeaux immer noch deutlich besser als im Burgund, und noch immer mag niemand stattdessen Coonawarra, Chile oder Suedafrika kaufen. Wieso sollte sich das in den naechsten paar Jahren aendern?


4. "Ja, aber der Preisanstieg in den letzten Jahren war unverschaemt."

Nix fuer ungut, aber wer zwei Kisten subst, um mit dem Verkauf der einen die andere zu finanzieren, ist nicht nur ein Teil des Problems, sondern ziemlich vollstaendig das Problem. Irgendjemandem naemlich war der Wein auch nach der saftigen Preissteigerung das Geld noch wert. Das heisst: Das Geld war immer schon da und wurde willig hingeblaettert; die Erzeuger haben ueber die Jahre lediglich die Preisschere zwischen primaerem und sekundaerem Markt geschlossen. Das wiederum heisst: Das Geld ist immer noch weg, es hat nur jemand anderes.
Natuerlich, und daran kann kein Zweifel bestehen, gab eine Preissteigerung, die die dramatisch(!) gestigenenen Qualitaeten der Weine abbildet. Wieso der ganze BDX-Boom ueberhaupt moeglich war? Weil, Reagonomics hin oder her, so gut wie kein Jahrgang davor auch nur annaehernd so trinkbar war wie die Jahrgaenge danach, von einigen wenigen Totalausfaellen abgesehen. Die Alten, die die Zeit davor noch am eigenen Leib erfahren haben, winken heutzutage nur noch ab, wenn ich mit Jahrgangsbewertungen komme, und sagen "Heute ist jeder Wein gut." Muss BDX frueher uebel gewesen sein... 1972er, anyone?


"5. Bordeaux steht am Rande einer Krise."
Fuer die meisten Weingueter ist preislich das Ende der Fahnenstange erreicht, oder zumindest sind die Preise schon sehr nah am Limit dran. Erst wenn die 2009er und 10er in ihre Trinkreife kommen, und falls sie am Sekundaermarkt heftig nachgefragt werden (so ab 2030/35), wird die Schere sich wieder oeffnen und die Primaermarktpreise sich nach oben entwickeln koennen. Das heisst also, BDX hat jetzt 20 Jahre Zeit, das Preisniveau zu halten und durch gelegentlich auftretende Superjahrgaenge und/oder Verknappung (Zweitweine, etc.) nachhaltig zu konsolidieren. Weniger gute Jahrgaenge wie die letzten drei fuehren dazu, dass sich die Spreu vom Weizen trennt, sich die Marke stabilisiert und die Preise der guten Jahrgaenge am Sekundaermarkt steigen. Das Nachsehen haben die Erzeuger, denen das Geld fehlt, Qualitaet zu erhoehen, aber die werden schoen kapitalistisch vom Markt verschwinden oder aufgekauft werden. Dann kann in der Unterklasse (bis 20 Euro) die Qualitaet so aufgebaut werden, dass man sich neue Kunden heranzieht.
Falls keiner Dummheiten macht und in den naechsten Jahren kein osteuropaeisches Land verglast wird, die Chinese brav weiterboomen und sich ebenfalls dazu durchringen, kein anderes Land zu verglasen, sollte alles ganz gut weitergehen. Wieso denn auch nicht? (Falls das optimistische Szenario nicht eintrifft, werden die BDX-Preise sowieso das geringste unserer Probleme sein.)

Unterm Strich sehe ich keinen Grund, Bordeaux abzuschreiben.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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