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Chateau Gloria

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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innauen

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Chateau Gloria

BeitragDi 29. Nov 2011, 13:20

Hallo,

Chateau Gloria liegt bekanntermaßen in St. Julien, der harmonischsten und ausgeglichensten Appelation des linken Ufers, aber bekanntlich auch jene, die keinen Premier Cru in ihren Reihen findet. Gloria kann das egal sein, hat man doch nicht einmal den Cru Classé Status inne. Der kommt aber dem Schwestergut Saint Pierre zu, das ebenfalls von Henri Martin bzw. heute genauso wie Gloria von seinem Schwiegersohn betreut wird. Gloria liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Saint-Pierre, Beychevelle, Léoville-Poyferré, Gruaud-Larose, Léoville-Barton, Ducru-Beaucaillou und Lagrange. Dennoch sagte Henri Martin einmal sinngemäß, er habe eine Generation gebraucht, um den Weg bis Saint-Pierre zurückzulegen. Eine Anspielung darauf, dass das Gut nicht nur in seinen Augen mittlerweile Grand Cru Qualitäten aufzeigt. Parker-Nachfolger Neil Martin hat einiges dazugetan, die Preise endgültig zu verderben, hat er doch unlängst z.B. dem 2003er Gloria 95 Punkte zugestanden.

Einige Forumsmitglieder (Charlie, kristof, Dionysos, albrechtstraßenbewohner) und Bekannte und Freunde haben einen Abend lang eine Vertikale gezogen. Sie umfaßte die Jahrgänge 1983, 1986, 1989, 1990, 1991, 1994, 1998, 1999, 2004, 2008 und dazu ein Pirat (Leoville Barton 2004). Dazu noch einige interessante Reperaturweine.

Das sind meine ersten Ergebnisse. Fotos werden bei Gelegenheit nachgereicht. Es war ein schwelgerischer Abend. Keine einzige Flasche hat gekorkt. Keine Flasche war hinüber. Das Niveau war natürlich trotzdem unterschiedlich und natürlich hat auch jeder Teilnehmer dazu eine unterschiedliche Meinung.

Grüße,

wolf

Flight 1
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1994
Heuer eher herb staubig und nicht mehr viel von der Frucht, die diesen Wein in diesem kantigen Jahr bislang immer ausgezeichnet hat. 85 Punkte

Fight 2
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Flight 3
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tbc
Zuletzt geändert von innauen am Mi 30. Nov 2011, 22:40, insgesamt 1-mal geändert.
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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Charlie

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Re: Chateau Gloria

BeitragDi 29. Nov 2011, 14:27

Hallo Wolf,

vielen Dank, das war in jeder Hinsicht wunderbar: Leute, Weine, Essen, Stimmung, Erkenntnisgewinn.
Die Glorias waren nicht nur von Niveau her sehr unterschiedlich, sondern auch von der Art her. Kein Wunder, dass die Bordeauxtrinker so genau auf die Jahrgänge schauen. Erschreckend und interessant zugleich wie schnell und stark sich die Weine im Glas verändern, und zwar fast alle. Geschätzte 0,33 Punkte pro Minute.

Grüße, Charlie
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kristof

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Re: Chateau Gloria

BeitragDi 29. Nov 2011, 17:16

Lieber Wolf,

auch von mir aus an dieser Stelle nochmals Danke für den sehr schönen Abend, an dem alles stimmte, einschließlich der tollen Korkquote (obwohl uns der 91er zunächst etwas narrte).

Die Wandlungen der Weine innerhalb einiger Minuten im Glas habe ich auch selten so deutlich festgestellt wie bei der Gloria-Victoria-Probe.
Viele Grüße,

Christoph
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kristof

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Re: Chateau Gloria

BeitragDi 29. Nov 2011, 17:18

Übrigens: Das war gestern auch ein angemessenes Datum für die Probe: Exakt ein Jahr zuvor habe ich mich hier beim Weinforum angemeldet.

Auf viele schöne weitere Proben und Treffen mit den Forumianern also!
Viele Grüße,

Christoph
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Dionisos

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Re: Chateau Gloria

BeitragDi 29. Nov 2011, 20:15

Hallo,

ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Toller Abend mit interessanten Weinen, die in ihrer sensorischen Varietät und Variablität wirklich bemerkenswert waren.

Hier meine VKN:

1991
Ein petit malheur gab es beim Aufziehen der Flasche: Ein zerbrochener Korken führte zu einem Korkbad, so daß eine Rettungsaktion mittels Dekanter erforderlich wurde. Offenbar ist das die Ursache für den Korkgeschmack, der von einigen Mitstreitern unmittelbar nach dem Einschenken wahrgenommen wurde, sich aber dann wohl schnell verflüchtigte. Für mich selbst war dann auch kein Kork mehr wahrnehmbar, in der Nase vielmehr prägnante Sauerkirschnoten. Am Gaumen deutlich säurebetont mit Sauerkirscharomen, schon leicht oxydative Säure, die deutlich machte, daß der Wein schon seit längerem übern Berg ist. Herber Abgang. Kein sonderlich guter Solist, allerdings kann ich ihn mir als Speisenbegleiter zu Roastbeef oder Sauerbraten recht gut vorstellen.
79-80 DP

1994
Ebenfalls recht säurebetonter Geselle (jedoch noch keine oxydative Säure) mit Aromen von Schattenmorellen und adstringierenden Tanninen.
83 DP

1998
In der Nase kaum wahrnehmbar mit einem Hauch von gemähtem Gras und grünem Paprika. Am Gaumen recht verschlossen wirkend, mit ausgeprägter unreifer Frische und Mineralik. Man hat das Gefühl, als wenn die Trauben unreif gelesen wurden. Schwer vorstellbar, daß dieser Wein nochmal eine schöne Reife erreicht.
82-83 DP

1999
Sehr schöne edle Mokkaaromen in der Nase, die jedoch nach einigen Minuten verflogen waren. Am Gaumen sehr schöne harmonisch-elegante Balance, prägnante Kaffee- und Karamelnoten. Edel und weich wie Schokoladenschmelz im nachhaltigen Abgang. Optimale Genußreife!
90 DP

1989
Sehr edles, rundes und komplexes Bouquet. Auch am Gaumen eine edle, runde harmonische Sache mit ausgeprägter Mineralik.
90 DP

1990
Nase geprägt durch Vanille-Noten. Gefällig gemachter, sehr solider „Plain-Vanilla“-Wein.
88 DP

2004
Sehr schönes, prägnantes, edles Bouquet von Waldbeeren - Brombeeren und Cassis im Vordergrund.
Am Gaumen Waldbeeren und Vanillearomen. Noch etwas kantige Tannine. Bedarf noch ca. 5 Jahre der Reifung.
89-90 DP

Pirat: Leoville Barton 2004
Prägnantes Bouquet von Cassis. Am Gaumen beerige und gefällige Frucht, dabei Cassisaromen im Vordergrund. Adstringierende Tanninstruktur. Solider, gefällig gemachter Wein. Ebenfalls noch ca. 5 Jahre von seiner optimalen Trinkreife entfernt.
88-89 DP

Fazit: Unsere Gloria Victoria braucht den Vergleich mit dem Adel der zweiten Reihe nicht zu scheuen und siegt sogar knapp in diesem Jahrgangs-Duell.

1983
Sehr interessante Nase, dabei Stallnoten, die einen geistig in ländliche Gefilde versetzen. Am Gaumen vollreife, feine Frucht und mürbe Tannine, recht komplex - Anklänge von frischem Rumtopf.
89 DP

1986
Maskulin geprägter, moschusartiger Wein mit erstaunlich kräftiger Tanninstruktur. Frucht: Fehlanzeige! Ob da noch was kommt??? Ansonsten Tabak im Vordergrund. Staubtrocken im Abgang. Was für die Raucher! ;-)
80 DP

2008
Sicher werden einige den Kopf schütteln über diesen Baby-Mord. Trotzdem ein Wein, der mir sehr viel Spaß gemacht hat und für mich der Sieger des Abends ist.
In der Nase sehr schönes, kräftiges komplexes Bouquet von schwarzen Beeren, kräutern und Wacholdernoten. Am Gaumen sehr maskuline, konzentrierte Power mit einer erwarteterweise natürlich recht kräftigen Tanninstruktur, die aber für eingefleischte Medoc-Trinker durchaus angenehm wirkt. Sehr nachhaltiger Abgang von Frucht und Würze.
90+ DP
Das Leben ist zu kurz um schlechten Wein zu trinken.
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innauen

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Re: Chateau Gloria

BeitragMi 30. Nov 2011, 09:22

Hallo,

habe jetzt ein paar Beweisbilder hinzugefügt.

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Grüße,

wolf
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Ostbelgier

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Re: Chateau Gloria

BeitragMi 30. Nov 2011, 20:19

Hallo zusammen,

vielen Dank für die interessanten Ausführungen, ich bin ein bekennender Fan von älteren Gloria-Jahrgängen. Schade, dass Berlin so weit weg ist...
Sehr erstaunt war ich über den Bericht, was den 94er angeht, und den habe ich jetzt nach 90 Minuten im Dekanter im Glas, aus einer perfekten Flasche. Extrem dunkler Kern, der Wein wirkt auf den ersten Blick sehr jung. Sofort nach dem Dekantieren hatte ich einen Probeschluck genommen. Himmlisch, feinster St. Julien Duft und elegant am Gaumen. Nun, nach 90 Minuten wirkt er total verschlossen, spitz und tatsächlich staubig. Nun bin ich sicher kein Bordeaux-Spezialist, und mir drängt sich die Frage auf, ob es sein kann, dass ein 17jähriger Wein in eine erneute Verschlussphase eintritt ? Denn ich habe eher nicht den Eindruck, dass er altersbedingt austrocknet. Was meint ihr ?

Viele Grüße

Markus
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Ostbelgier

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Re: Chateau Gloria

BeitragMi 30. Nov 2011, 20:22

PS Noch eine Anmerkung zum 83er und den ländlichen Gefilden: Alle von mir getrunkenen Gloria's vor dem 86er hatten eine sehr ausgeprägte bäuerliche Note mit teils heftigen Stallaromen. Das war bei 83, 81, 76 (vor 4 Jahren phantastisch) und 70 so. Bald muss der 66er endlich dran glauben *freu*
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Moulis

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Re: Chateau Gloria

BeitragMi 30. Nov 2011, 20:40

Den 70er habe ich als englische Händlerabfüllung.
Leider von Stallaromen keine Rede mehr. eher Stallmist :(
Der 75er war ab und zu mal überraschend gut, leider auch mal total langweilig und ausgezehrt.
Auch den 88er kann ich nicht empfehlen.
Gloria gehört sicher nicht zu meinen Favoriten, vielleicht hatte ich auch nur die falschen Jahrgänge.
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innauen

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Re: Chateau Gloria

BeitragMi 30. Nov 2011, 22:48

Fortsetzung:

eigentlich hätte man jetzt mit den älteren Exemplaren weitermachen müssen. Allein verlangte uns allen nach etwas frischem. Also habe ich einen 2004er Flight eingeschoben:

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und als Pirat

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Das war nun alles andere als der tanninstarre antike Barton. Da fand sich ein sehr fokussierter, fast schon konzentrierter und sehr feiner Wein im Glas. Zeigte Ähnlichkeiten mit dem Leoville Poyferre aus dem gleichen Jahr.

Danach war die Antikensammlung dran:

Bild

vs

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Am Schluss dann noch ganz jung, aber auch sehr gut:

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Fazit: Gloria ist in bestimmten Jahren auf Cru Classé Niveau. Wer eine Kiste des 89er oder 90er, des 83er oder auch durchaus des 99er zu Hause hat, freut sich, weil er für wenig Geld viel Wein bekommen hat. Der 2004er ist eher untypisch geraten und beim 2008er fällt mir die Feinheit auf, aber es fehlt hier ein wenig der Druck, den ich bei einem Wein erwarte, der für oberhalb von 20 Euro subskribiert werden will.

Es war eine tolle Probe, auch mit tollen Reperaturweinen. Heute gab es das letzte Glas. Ein Rest vom 1994er, der sich ziemlich gut entwickelt und wieder etwas Fett angesetzt hat. Wirklich: Die Weine haben sich ständig immer wieder verändert. Vielleicht gibt es dann ja doch noch Hoffnung für den 1998er :D

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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