Aktuelle Zeit: Fr 29. Mär 2024, 00:06


Médoc 2022

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 250
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 10:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Médoc 2022

BeitragDo 8. Sep 2022, 15:02

Hallo Hans-Rudolf,
Eine Ginsterkatze halte ich für unwahrscheinlich. Eher Wildkatze, die auch sehr groß werden können. Im Straßengraben nicht weit von hier habe ich mal eine tot gefahrene gesehen, die war überraschend groß.
Hier noch ein nettes Bild von den Greifvögeln.
Greifvögel.JPG
Greifvögel

Die mögen diese Stelle, weil die Hinterlassenschaften des Dachs wiederum ihre Beute anziehen.

Die letzten Tage hatten wir etwas Regen. Insgesamt vielleicht 8 mm (8 Liter pro m²). Das ist bei weitem nicht genug um die Trockenheit zu mildern. Da hätte ich gerne noch 20 mm mehr und danach natürlich bestes Lesewetter. - Das sind so die Wünsche eines Winzers.
Samstag ist Vollmond. Da kann es durchaus zu einem Wetterwechsel kommen – das sieht bisher jedoch nicht danach aus.
In Pauillac und St. Estephe wurde schon mit der Lese angefangen. Das ist sehr früh. Hier sind die Trauben noch nicht reif. Die Traubenhaut ist noch fest und ledrig. Die Kerne stellenweise noch grün. Zucker wäre genug da, aber das reicht nicht um guten Wein zu machen.
Wir sind nun in den Lese-Vorbereitungen. Draußen wird jede Parzelle geprüft. Unsere Lesemaschine könnte morgen fertig werden. Im Chai fange ich morgen oder Samstag an. Dann wären wir Anfang nächster Woche fertig mit den Vorbereitungen. Es wird Geduld und Nerven brauchen bis zur optimalen Reife still zu halten.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 250
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 10:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Médoc 2022

BeitragMi 14. Sep 2022, 08:01

Es gab keine nennenswerten Niederschläge. Im Süden des Médoc wüten wieder verheerende Waldbrände, vorgestern kamen hier Ascheflocken runter. Das ist schon sehr unwirklich. Was ist schon ein normales Jahr. Dieses Jahr 2022 ist extrem.
Die ersten Messungen zeigen:
- Hohe Zuckergehalte
- Niedrige Säuregehalte
Die ‚technische‘ Reife ist längst da. Einige Kollegen haben mit der Lese angefangen.
Die Traubenhaut ist noch sehr fest. Die Saftgehalte sind gering. Es wird eine kleine Ernte, was bei dieser Trockenheit keine wirkliche Überraschung ist.
Die Extraktion wird ‚tricky‘ und voller Überraschungen. Gelingt es, kann 2022 richtig groß werden.
Nächste Woche werden wir die ersten Trauben reinholen.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

innauen

  • Beiträge: 3503
  • Bilder: 8
  • Registriert: Mi 3. Nov 2010, 11:33
  • Wohnort: Berlin

Re: Médoc 2022

BeitragSa 17. Sep 2022, 13:08

Hallo,

Asche kann zum Problem werden. In Kalifornien gibt in weiten Teilen keinen 2020er Jahrgang. Grund: Monatelange Waldbrände mit Rauch und Asche haben sich geschmacklich auf die Trauben ausgewirkt. Solche Phänomene könnten wir mit weiter steigenden Temperaturen und längerer Dürre auch bald in Europa sehen.

Besorgte Grüße,

wolf

PS Ich habe nochmal den Le Reysse 2016 nachgekauft.
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 250
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 10:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Médoc 2022

BeitragSo 18. Sep 2022, 07:59

Die Ascheflocken waren nicht so zahlreich, dass es kein Problem damit geben könnte. Bei der Versammlung des ODG-Médoc (AOC-Verband) wurde das Thema auch besprochen. Im Süden des Dépatements Gironde , wo die Entfernung zu den großen und anhaltenden Waldbränden sehr gering war und die Lese längst begonnen hat, wurde kein Einfluss der Rauch und Aschebelastung auf die Trauben festgestellt.
Die Situation jedoch, ist sehr unwirklich. Die Waldbrände in dieser Häufigkeit und Heftigkeit sind ein neues Phänomen. Die Mehrzahl dieser Brände sind kriminellen Ursprungs. Den Brandstiftern drohen 15 Jahre Haft. Die Feuerwehrleute riskieren ihr Leben. Bewohner müssen evakuiert werden und haben nur 10 Minuten um sich zu organisieren. Einige verlieren ihr Haus. Die Bäume und Wälder müssen nicht nur der extremen Trockenheit standhalten, sondern auch noch der ‚Beklopptheit‘ einiger gestörter Krimineller. Was sind das nur für Entwicklungen?
2022 ist ein Jahr der Extreme, da durchzuschippern ist alles andere als Routine. Die durch die Trockenheit teilweise blockierte Reife, hat sich die letzten Tage sehr erfreulich entwickelt. Es sind die nun sehr kühlen Nächte im einstelligen Temperatur-Bereich, die alles verändert haben. Ich bin froh so lange gewartet zu haben, auch wenn es Ernte-Menge gekostet hat. Die Trauben präsentieren sich jetzt ganz anders. Die Traubenhaut ist dünn/fein und verspricht eine gute Extraktion. Die Zuckergehalte sind extrem hoch was bei den Merlots, mit deren Lese wir Montag beginnen wollen, ein Alkoholpotential von über 15% andeutet. Es ist und bleibt eine Herausforderung.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 250
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 10:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Médoc 2022

BeitragSo 25. Sep 2022, 17:59

Die Lese läuft gut.
Es sind noch nicht alle Lagen der Merlots richtig reif. Das ist bei den hohen Zuckergehalten eine Überraschung – so ist es nun mal. Einige Lagen der Merlots werden wir erst Anfang Oktober reinholen. Das Lesegut ist sehr gesund. Es gibt keine Anzeichen von einsetzender Botrytis, auch draußen nicht.
2022 ist ein Jahr der Extreme. Sehr hohe Zuckergehalte und enorme Lagen-Unterschiede in der Reife – wahrscheinlich auch in der Qualität.
Im Chai läuft die Extraktion soweit sehr gut. Auch hier sein die verschieden Cuves sehr unterschiedlich in ihrer Fermentation. So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt.
So ein langes Wochenende – Samstag und Sonntag ohne Lese – gibt Gelegenheit zu Chillen und Grillen. Die beiden T-Bone Steaks von unserem Weideochsen kamen da gerade recht und wurden auch restlos verputzt.
20220925_123738.JPG

Morgen geht es weiter mit der Lese, wahrscheinlich nur für einen Tag. Dann wieder Pause. Im Laufe der Woche soll es sogar regnen, aber das war schon sehr oft so angekündigt in diesem Jahr…
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 250
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 10:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Médoc 2022

BeitragDo 29. Sep 2022, 08:25

Hier eine sehr frühe und unterhaltsame Jahrgangsbeschreibung von Pascal Hénot, Consultant Enosens, vom 21 September 2022

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator

Jahrgang 2022: Ein Spiel von seltener Intensität
Der Jahrgang 2022 lässt sich als ein intensiver Kampf zwischen den Winzern und den von der Natur vorgegebenen Wetterereignissen zusammenfassen.
Das Match beginnt bereits beim Austrieb mit dem ersten Angriff der Natur: drei Frosttage am 3., 4. und 5. April. Temperaturen von -4°C verbrannten die gerade erst aufgegangenen Knospen. Aber die Winzer, die durch die Frostepisoden von 2017 und 2021 geschwächt (man sollte besser sagen: erfroren) waren, bereiteten sich auf den Gegenschlag vor: Anzünden von Kerzen, Windräder, spätes Beschneiden... Der Frost hatte letztlich nur geringe Auswirkungen. Die Winzer gewinnen die erste Runde: Winzer 1 - 0 Natur.
Zweiter Angriff der Natur im Juni mit zwei schrecklichen Gewittern mit Hagel am 2. und 20. Juni. Zunächst im Osten in der Gegend von Sainte-Foy, dann im Norden von Libourne, Blayais und Médoc. Diesmal wurden Tausende Hektar Land zerstört. Winzer 1 - 1 Nature.
Für die dritte Runde wendet sich die Natur an ihre traditionellen Verbündeten: die Krankheiten mit ihren Horden von Mehltau, falschem Mehltau, Traubenwürmern... Der Krankheitsdruck ist hoch, die Winzer bewaffnen sich mit ihren Spritzpistolen und starten den chemischen Gegenangriff. Die Natur bereitet bereits die vierte Runde vor und schickt Hitzewelle und Trockenheit ins Rennen. Da die Sonne das beste Spritzmittel ist, können sich die Krankheiten nicht festsetzen. Die Weinberge bleiben völlig gesund. Weinbauern 2 - 1 Natur.
Runde 4 ist heimtückisch. Die Sonne, die die Entwicklung der Krankheiten gebremst hat, lässt die Reben leiden. Die Natur bombardiert die Weinberge mit Hitzewellen Mitte Juni, Mitte Juli, Mitte August, Mitte September. Der Sommer 2022 ist der heißeste des Jahrhunderts! Gleichzeitig dreht sie den Hahn zu und führt eine lange Trockenperiode ein: 35 % Regendefizit seit Jahresbeginn. Die Reben leiden, das Laub wird gelb, alte Rebstöcke sterben ab und die Trauben verwelken und verlieren ihren Saft. Die Folge sind geringe Mengen und ein allgemeines Ertragsdefizit. Winzer 2 - 2 Natur.
Dies ist die letzte Runde. Das Spiel wird mit der Ernte entschieden.
Das Klima des Jahres führte zu einer außergewöhnlich frühen Reife. Die Weißweine wurden Mitte August geerntet. Die Erträge sind zwar etwas geringer, aber die Qualität ist da: reife Beeren, die mit Früchten gefüllt sind. Die Weißweine sind füllig mit Aromen von exotischen Früchten: Ananas, Passionsfrucht, Mango. Die ersten Rotweine werden Anfang September geerntet. Auch hier sind die Früchte klein, aber mit konzentriertem Zucker, reifen Früchten und süßen Tanninen. Die Weine offenbaren dunkle Farben, Aromen von schwarzen Früchten, Veilchen und Gewürzen. Am Gaumen sind sie rund mit geschmolzenen, süßen Tanninen, wie kleine Bonbons. Alle Rebsorten sind gelungen, jede mit ihrer eigenen Persönlichkeit. Alle Weine sind gut, und daran erkennt man einen großen Jahrgang. Die Qualität ist da; in allen Weinkellern sind die Weine wunderbar! Der Weinbau hat die Schlacht um die Quantität verloren, aber die Schlacht um die Qualität gewonnen. Ende des Spiels. Weinbauern 3 - 2 Natur.

Epilog.
Die Wetterbedingungen des Jahrgangs 2022 waren für die Winzer wieder einmal schwierig und anstrengend. Sie haben sich angepasst und gekämpft, um die Ernte zu einem guten Ende zu bringen. Auch wenn die produzierten Mengen gering sind, sind die Weine großartig und entsprechen perfekt der Nachfrage der Märkte. Ein neuer Kampf bahnt sich an: der Kampf um die Vermarktung dieser Weine. Der Weinbau hat seinen Teil der Arbeit geleistet. Der Handel muss seine Offensive auf den Märkten starten, mit seinen Truppen von Vertriebsmitarbeitern, Händlern, Kommunikatoren... Auch diese Schlacht muss gewonnen werden. Sonst war der Kampf der Weinbauern umsonst.
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 250
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 10:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Médoc 2022

BeitragDo 29. Sep 2022, 08:48

Nach drei regnerischen Tagen werden wir morgen mit der Lese weitermachen. Durch die Niederschläge hat sich die Reife sehr positiv weiterentwickelt. Bisher waren die Mostgewichte extrem hoch und Säuregehalte sehr niedrig. Eine solche Diskrepanz zwischen technischer und physiologischer Reife ist ungewöhnlich und macht die Entscheidungen nicht einfach. Das sollte sich nun mit dem Regen angleichen. Ich rechne mit noch drei Lesetagen für die Merlots. Es kann gut sein, dass die Cabernets gleich danach dran sind. Für nächste Woche ist perfektes Herbst- / Lese-Wetter angekündigt. Die Lese 2022 ist sehr entspannt.
Auch die Extraktion im Chai läuft richtig gut.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

Winedom

  • Beiträge: 391
  • Registriert: Di 3. Mai 2011, 21:36

Re: Médoc 2022

BeitragDo 29. Sep 2022, 11:29

Hallo Stefan!
Na, dann viel Glück mit den letzten Erntetagen.
Soweit ich das verstanden habe geht es bei der Diskrepanz zwischen technischer und physiologischer Reife um das ideale Verhältnis von Säure- und Süßegrad.
Viele Grüße
Rainer
Offline

stollinger

  • Beiträge: 1169
  • Bilder: 0
  • Registriert: Sa 10. Dez 2016, 09:22

Re: Médoc 2022

BeitragDo 29. Sep 2022, 11:52

Winedom hat geschrieben:Soweit ich das verstanden habe geht es bei der Diskrepanz zwischen technischer und physiologischer Reife um das ideale Verhältnis von Säure- und Süßegrad.

Bei Jane Anson gab es vor kurzer Zeit eine Gastbeitrag von Kees van Leeuwen, darin sind die unterschiedlichen Typen von Reife (physiological maturity, technological maturity, phenolic maturity, and aromatic maturity) erklärt:

https://janeanson.com/the-importance-of ... c-maturity

Den zugrundeliegenden wissenschaftlichen Artikel (Aromatic maturity is a cornerstone of terroir expression in red wine) gibt es hier zum freien Download:

https://oeno-one.eu/article/view/5441/22830

Grüße, Josef
Offline
Benutzeravatar

Winedom

  • Beiträge: 391
  • Registriert: Di 3. Mai 2011, 21:36

Re: Médoc 2022

BeitragDo 29. Sep 2022, 14:20

Super. Danke!
Sind beide Links sehr aufschlussreich.
Das Süß-Sauer zu kurz greift, war mir eigentlich klar und auch etwas als Anmoderation gedacht.
Vorwiegend scheint es dann doch mehr um die Aromen bzw. um Alles zu gehen und es wird nicht einfacher.
Insgesamt wurde es sehr gut beschrieben.
Gewünscht ist auf jedenfall die Zusammenführung der verschiedenen Reifestadien.
Ob man andere Vorteile durch das auseinanderdriften haben kann wird nicht erwähnt oder thematisiert.
Viele Grüße
Rainer
VorherigeNächste

Zurück zu Bordeaux und Umgebung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 9 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen