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IGT und deutscher Landwein

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OsCor

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IGT und deutscher Landwein

BeitragSo 9. Apr 2017, 13:32

Hallo Italienkenner,

Georg R. hat einen Hinweis zu einem badischen „Landweinmarkt” gegeben. Die HP zu diesem Markt enthält folgenden Text:
Landweine müssen schlichte Tropfen sein? Nein! Immer mehr Winzer, auch in Baden, vermarkten ihre Weine als Landwein. Weil sie sich bewusst für diesen Weg entschieden haben. Weil sie leidenschaftlich Wein machen. Weil ihre Vorstellung von Qualität eine andere ist, wie die der Prüfungsbehörde. Weil sie Individualität wollen und keine von Vorschriften eingeschränkte Mainstream-Ware. Diese freien Winzer in Baden haben sich dem Landwein aus voller Überzeugung verschrieben. 14 von ihnen werden bei der Premiere des Landweinmarktes Baden in Müllheim zeigen, was Landwein kann.
Nachdem ich etwas zu IGT gegoogelt und auch hier im Forum gesucht habe, bin ich nur insofern schlauer, als IGT-Weine hier schon häufig besprochen wurden - mit nicht selten recht positiven Wertungen. Und ich hatte nach den Erklärungen auf verschiedenen Weinseiten den Eindruck, dass man IGT-Weine mit Landweinen vergleichen könnte.

Kann man das wirklich, oder besteht da ein großer Unterschied?

Gruß
Oswald
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EThC

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Re: IGT und deutscher Landwein

BeitragSo 9. Apr 2017, 20:53

Ich denke nicht, daß man das miteinander vergleichen sollte bzw. kann. IGT (Indicazione Geografica Tipica) steht in Italien zwischen den DOC bzw. DOCG-Weinen und den "Vino di Tavola", diese unterliegen auch gewissen Regularien, die aber weiter gefaßt sind als die für die DOC- / DOCG-Riege. Wenn, dann würde ich die deutschen (und auch österreichischen) Landweine eher mit den italienischen -oben bereits erwähnten- "Vino di Tavola" in eine Reihe stellen.
Bei den deutschen Landweinen sind einige dabei, die aufgrund ihrer Entfernung zur üblicherweise geforderten Typizität eines "Qualitätsweins" diesen Status ungeachtet ihrer Qualität nicht erlangen können oder wollen, bei den meisten fehlt es aber von Grund auf an jeglicher Qualität. Insofern muß man bei diesen Weinen schon ein bißchen aufpassen. Von ganz übel bis ganz groß ist da alles dabei. Ebenso von 3 bis > 100 EUR pro Flasche. Wobei der Preis nicht immer linear mit der Qualität steigt, wie ich selbst schon feststellen mußte.
Viele Grüße
Erich

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UlliB

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Re: IGT und deutscher Landwein

BeitragMo 10. Apr 2017, 08:13

EThC hat geschrieben: Wenn, dann würde ich die deutschen (und auch österreichischen) Landweine eher mit den italienischen -oben bereits erwähnten- "Vino di Tavola" in eine Reihe stellen.

Nein, das Äquivalent zum italienischen "Vino di Tavola" ist in Deutschland der "Deutsche Wein", bis 2009 war das "Deutscher Tafelwein". Anders als die Landweine trägt der keine Gebietsbezeichnung; Landwein ist gemäß EU-Recht ebenso wie ein IGT-Wein (mittlerweile übrigens IGP) ein Produkt mit geschützter Ursprungsbezeichnung.

Ob nun "Landwein" das Pendant zum IGT ist, scheint mir dennoch fraglich zu sein. Landwein ist als Kategorie ganz klar mit der Absicht geschaffen worden, unterhalb der Qualitätsweine zu stehen, z.B. sind die Hektarhöchsterträge fast 50% höher als beim Qualitätswein. Die Kategorie "IGT" ist in Italien jedoch gezielt für Winzer geschaffen worden, die aus dem Regelwerk der in ihrem Gebiet jeweilig gültigen DOC / DOCG ausbrechen wollten, z.B. weil sie (ursprünglich) nicht erlaubte französische Rebsorten verwendet haben.

Das gesamte Regelwerk in der EU ist mittlerweile überaus kompliziert geworden und hat mit Qualität eigentlich nichts mehr zu tun. Selbst innerhalb einzelner Länder ist die Handhabung mittlerweile extrem heterogen, z.B. gibt es in Italien zwar eine "IGT Toscana", aber keine "IGT Piemonte" - im Piemont hat man das Problem der "Ausbrecher" einfach dadurch gelöst, Dach-DOCs wie "Langhe" zu schaffen, die so ziemlich alles erlauben; dadurch gibt es hier keine Notwendigkeit für ein IGT.

Aus einer Etikettierung auf die Qualität des Flascheninhalts zu schließen, ist ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen.

Gruß
Ulli
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OsCor

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Re: IGT und deutscher Landwein

BeitragMo 10. Apr 2017, 09:05

UlliB hat geschrieben:Ob nun "Landwein" das Pendant zum IGT ist, scheint mir dennoch fraglich zu sein. Landwein ist als Kategorie ganz klar mit der Absicht geschaffen worden, unterhalb der Qualitätsweine zu stehen, z.B. sind die Hektarhöchsterträge fast 50% höher als beim Qualitätswein.
Aber auch hier versuchen offensichtlich Winzer, aus zu starr empfundenen Normen auszubrechen. Wobei ich jetzt noch sehr wenige (oder überhaupt keine - jedenfalls bewußt) Landweine wahrgenommen habe. IGT-Weine habe ich schon öfter getrunken, seit mir ein Italiener mal erzählte, dass sich unter dieser Bezeichnung nicht selten ganz ansehnliche Weine versteckten.
Aus einer Etikettierung auf die Qualität des Flascheninhalts zu schließen, ist ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen.
Wenn man keine weiteren Informationen hat, ja.
Es ist wirklich zu ärgerlich, dass ich an dieser Landweinverkostung nicht teilnehmen kann.

Gruß
Oswald
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UlliB

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Re: IGT und deutscher Landwein

BeitragMo 10. Apr 2017, 09:17

OsCor hat geschrieben:Aber auch hier versuchen offensichtlich Winzer, aus zu starr empfundenen Normen auszubrechen.

Ja, das war aber schon immer der Fall. Noch bis in die frühen 80er hinein galt in Deutschland selbst ein zarter Neuholzton als Weinfehler ("Loheton") und führte bei der Qualitätsweinprüfung zum Durchfallen. Den Winzern, die damals solche Weine hergestellt haben, blieb dann gar nichts anderes übrig, als diese als "Tafelwein" zu vermarkten.

Der Grundgedanke bei "Tafelwein" (nunmehr "Deutscher Wein") oder auch beim "Landwein" ist es jedoch gewesen, eine klar unter dem Qualitätswein liegende Kategorie zu schaffen - die nur hier und da zum "Ausbrechen" aus den Qualitätswein-Normen verwendet wird. Die italienischen IGTs wurden, soweit ich mich richtig erinnere, seinerzeit aber direkt zum "Ausbrechen" geschaffen, und nicht, um eine neue Kategorie zu errichten, die gedanklich klar unter den DOCs / DOCGs angesiedelt ist.

Gruß
Ulli
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EThC

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Re: IGT und deutscher Landwein

BeitragMo 10. Apr 2017, 10:28

UlliB hat geschrieben:Der Grundgedanke bei "Tafelwein" (nunmehr "Deutscher Wein") oder auch beim "Landwein" ist es jedoch gewesen, eine klar unter dem Qualitätswein liegende Kategorie zu schaffen - die nur hier und da zum "Ausbrechen" aus den Qualitätswein-Normen verwendet wird. Die italienischen IGTs wurden, soweit ich mich richtig erinnere, seinerzeit aber direkt zum "Ausbrechen" geschaffen, und nicht, um eine neue Kategorie zu errichten, die gedanklich klar unter den DOCs / DOCGs angesiedelt ist.


Was den Grundgedanken angeht, ist das sicher richtig. Soweit ich weiß, war mit ein Grund der Einführung der IGT's, z.B. die Supertoskaner wie Sassicaia, Le Pergole Torte oder Tignanello aus der "Vino di Tavola"-Senke zu holen. Heute sind aber doch die IGT's auch zum großen Teil "Rückfallebenen" für alle möglichen Weine, die nicht in die DOC / DOCG-Schemen passen. Das trifft für den deutschen (und auch österreichischen) Landwein ebenso zu. Was aufgrund von fehlender Typizität (nicht Qualität!) nicht in die Qualitätsweinebene paßt, fällt meist zum Landwein ab und reiht sich da neben bedeutungslosem Plempel ein. Alles was z.b. weiß maischevergoren ist oder in Richtung Naturwein schielt, landet mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in dieser Ebene. Es gibt auch Weine, die in manchen Jahren die Prüfnummer bekommen, in manchen wieder nicht; häufig werden solche Weine von den Winzern auch gar nicht erst zur Prüfung angestellt, da sie von Haus aus skeptisch bezüglich des Erfolgs sind.

Letztlich stimme ich zu, daß die Klassifizierung als Landwein (oder was auch immer) alleine erst mal gar nichts aussagt. Wenn mir aber im Zusammenhang mit dem Namen eines renommierten Winzers (wie z.B. Peter Jakob Kühn oder Claus Preisinger) ein Landwein in die Hände fällt, ist das für mich erst mal ein gutes Zeichen...
Viele Grüße
Erich

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blueroom

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Re: IGT und deutscher Landwein

BeitragDi 6. Feb 2018, 14:41

Ich würde gern im Zusammenhang mit IGT einen meiner Lieblingsweine aus Italien empfehlen:

:arrow: Fasoli Gino "Valpo" (nicht verwechseln mit ihrem Valpolicella 'Corte del Pozzo')

Dieser Bio-Wein ist fast nicht im Handel zu bekommen, da sehr limitiert.
Kostenpunkt direkt beim Winzer vor Ort: ca. 18 Euro
Zu beziehen direkt beim Weingut (http://fasoligino.com/en#contacts) oder im Handel (z.B. https://www.gerardo.de/wein/fasoli-gino ... asso-valpo)

Auch einen Weisswein von Ihnen kann ich sehr empfehlen (allerdings kein IGT):
http://fasoligino.com/en/category-listi ... doc-detail

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