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Winzersekt

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Michl

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Re: Winzersekt

BeitragSa 27. Mai 2023, 20:04

Nora hat geschrieben:Wenn der 14er ähnlich gut ist, lohnt es sich wohl, ein paar Flaschen einzulagern.


Liebe Nora,

wenn ich die Mittel hätte, würde ich genau das machen! Leider habe ich sie nicht, aber sicherlich werde ich mir noch einmal eine Flasche bestellen. Das war gestern wirklich überwältigend, einer der seltenen Momente, wo man von Wein wirklich ergriffen ist und der Wein auf etwas Größeres verweist.
Viele Grüße

Michl
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Bernd Schulz

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Re: Winzersekt

BeitragSa 27. Mai 2023, 21:18

Um es offen zuzugeben: Gegenüber dem Schlossgut Diel hatte ich lange Zeit große Vorurteile.

Mittlerweile bin ich aber eines Besseren belehrt; ich denke jetzt schon, dass es sich bei Caroline Diel um eine absolute Spitzenwinzerin handelt.

Michl hat geschrieben:Das war gestern wirklich überwältigend, einer der seltenen Momente, wo man von Wein wirklich ergriffen ist und der Wein auf etwas Größeres verweist.


Um noch einmal ganz offen zu sein: Den Moment, in welchem ich von einem bestimmten Wein wirklich ergriffen (im tieferen Sinne) war, habe ich bei aller Weinbegeisterung noch nie erlebt :oops:. Wein an sich besitzt für mich eine gewisse metaphysische Dimension, keine Frage - aber die Begegnung mit einem einzelnen aus Traubenmost vergorenen Exemplar fand für mich niemals auf der gleichen Ebene statt wie die Begegnung mit einem herausragenden Musikwerk oder einem großartigen Gedicht oder einem genialen philosophischen Gedanken.

Wein ist für mich ein Produkt, welches zwischen den Welten steht: Höher als als alle anderen Erzeugnisse, die sich mit dem Geruchs- und Geschmackssinn erfahren lassen, aber niedriger als alles, was primär geistiger Natur ist. "Geistig" klingt leider ziemlich hochtrabend, aber ein besserer Begriff für das, was mir letztlich viel mehr bedeutet als der größte Wein, fällt mir gerade nicht ein :oops: .

Herzliche Grüße

Bernd
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Michl

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 08:31

Bernd Schulz hat geschrieben:aber niedriger als alles, was primär geistiger Natur ist. "Geistig" klingt leider ziemlich hochtrabend, aber ein besserer Begriff für das, was mir letztlich viel mehr bedeutet als der größte Wein, fällt mir gerade nicht ein


Lieber Bernd, ich kann deinen Gedanken sehr gut nachvollziehen, aber ich teile ihn ganz und gar nicht. Für mich ist in letzter Konesquenz die Natur selbst am ergreifendsten und geistige Produkte hinken immer irgendwie hinterher...
Ich muss sogar zugeben, dass ich letztlich aus diesem Grund - mal abgesehn vom Alk - Wein trinke, weil es eben diese seltenen Momente völliger Faszination gibt, die mich kurz aus der Welt rausreißen...

Weil es gerade so schön passt: Ich habe in letzter Zeit ziemlich viele, z.T. wirklich bewegende Weine zusammen mit Carsten (Kle) und Alex (marzemino) getrunken. Geschrieben haben wir hier nichts, weil es in der Regel Blindverkostungen waren und zumindest ich es als etwas überspannt empfunden hätte, unseren Mailaustausch hier einzustellen, aber immer ging es auch um die Frage, wie sehr die Weine einen ergreifen. Und gerade Carsten versteht es, für dieses Gefühl Metaphern zu finden, die man sonst eher im Zusammenhang mit Interpretationen von Kunstwerken, also Werken "geistiger Natur" liest. So sprach er gestern bspw. von "Reflexionen auf einem See... Brechungen des Lichts", um den Tiefeneindruck bei einem Wein zu beschreiben, der vordergründig oberflächlich wirkte. Insofern kann Wein durchaus bei manchen Menschen wirkliches Ergiffensein auslösen, muss es aber natürlich nicht... Ansonsten gilt halt, was Bradetti gestern in einem wunderbaren Kommentar in einem anderen Thread geschrieben hat: Wein geht oben rein und unten raus!
Viele Grüße

Michl
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EThC

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 09:41

...tatsächlich bin ich da eher mit Bernd einig, so sehr ich es auch genieße, gute bis beste Weine im Glas zu haben, fürs "kalt den Rücken runterlaufen" oder "Tränen in die Augen treiben" braucht's bei mir was anderes. Musik gehört da u.a. mit dazu...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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UlliB

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 11:22

Michl hat geschrieben: Für mich ist in letzter Konesquenz die Natur selbst am ergreifendsten und geistige Produkte hinken immer irgendwie hinterher...

Wobei Wein ja nun gerade eben nicht Natur ist. Auch wenn manche Winzer es so gerne behaupten: die Natur macht keinen Wein. Wein entsteht aus Trauben durch menschliches Handeln unter Anwendung von Technologie, das gilt auch für den naturigsten Naturwein.

Und was und wie erzeugt wird, beruht entweder auf Konzeption oder auf Konvention, und damit auf menschlichem Denken und den daraus resultierenden Eingriffen. Wein ist sicher kein rein "geistiges Produkt", aber eben auch kein natürliches wie eine Erdbeere oder ein Apfel.

Gruß
Ulli
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weinaffe

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 12:28

Hallo zusammen,

aufgeschreckt durch die ziemlich vernichtende Kritik von Michl an dem 2018er Chardonnay Brut Nature von Knewitz habe ich gestern diesen Schaumwein entkorkt und komme zu einem gänzlich anderen Ergebnis. Da ich die Flasche auch mit einem kompetenten Mittrinker geleert habe, kann es wohl auch nicht an meiner eventuellen schwachen "Tagesform" :lol: gelegen haben... oder wir lagen beide völlig falsch ;) Spass beiseite: da ich Michl durchaus als guten Verkoster einschätze, haben wir entweder völlig verschiedene Chargen getrunken und/oder bei Michl`s Exemplar war irgend etwas nicht in Ordnung. Ich habe daher in der folgenden VKN auch die Lot-Nr. meiner Flasche angegeben:

Bild

LG
Bodo
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Michl

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 12:44

Lieber Bodo,

es war halt so wie es war. Ich selbst war überrascht und erwartet hatte ich einen Sekt, der so schmeckt, wie du es beschreibst. Einen klaren Flaschenfehler konnte ich nicht feststellen. Aber das war untrinkbar, ich konnte nicht einmal ein halbes Glas trinken und der Rest wanderte in den Ausguss, was bei mir als Schwabe wahrlich nicht oft vorkommt. Aber umso schöner, wenn das nicht der Sekt an sich gewesen sein konnte, sondern irgendetwas mit der Flasche völlig schief ging...
Viele Grüße

Michl
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Michl

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 17:47

Das Sekthaus Krack hat jetzt einen Riesling-Sekt im Portfolio, der zumindest preislich über der großartigen Freundeskreis-Cuvée angesiedelt ist und somit wohl das neue Flagschiff des Hauses repräsentieren soll.
Die Trauben kommen ausschließlich aus dem Deidesheimer Langenmorgen. Wie bei der Freundeskreis-Cuvée gefällt mir schon alleine das Etikette sehr und die einfache Sektflasche passt stilistisch wunderbar zu diesem völlig unprätentiösen Stil des Hauses. Dagegen fallen die Prügel, die bspw. Diel für seine Sekte verwendet, regelerecht albern und aufgesetzt aus.
Ich muss zugeben, dass ich bei Schaumweinen nicht sooo der Riesling-Fan bin, aber wenn er derart gekonnt auf die Struktur gestellt ausgebaut wird, ist das schon richtig klasse. Ganz toller Sekt, aber nicht günstig. Könnte mit Reife noch besser werden.

Bild
Viele Grüße

Michl
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Bernd Schulz

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Re: Winzersekt

BeitragSo 28. Mai 2023, 21:22

Michl hat geschrieben:... Und gerade Carsten versteht es, für dieses Gefühl Metaphern zu finden, die man sonst eher im Zusammenhang mit Interpretationen von Kunstwerken, also Werken "geistiger Natur" liest. So sprach er gestern bspw. von "Reflexionen auf einem See... Brechungen des Lichts", um den Tiefeneindruck bei einem Wein zu beschreiben, der vordergründig oberflächlich wirkte....


Lieber Michl,

Carsten (den ich ja auch schon persönlich getroffen habe) bewundere ich sehr wegen seines Sprachvermögens und der Kraft wie der Kühnheit seiner Assoziationen! Ich lese seine Beiträge immer wieder mit viel Freude - vielleicht auch gerade deswegen, weil sein Zugang zum Thema Wein ein ganz anderer als mein eigener ist!

Michl hat geschrieben:Für mich ist in letzter Konesquenz die Natur selbst am ergreifendsten und geistige Produkte hinken immer irgendwie hinterher...


In diesem Punkt haben wir offenkundig eine völlig unterschiedliche Auffassung: Wie Ulli schon ganz richtig geschrieben hat, ist Wein am Ende auch ein Produkt des menschlichen Geistes, der für mich das mit Abstand größte Naturwunder darstellt. Wein - zumal richtig guter - macht sich nicht "rein natürlich" von selber, sondern entsteht infolge einer Idealvorstellung, die sein Erzeuger von ihm besitzt, in vom Menschen gesteuerten komplexen Prozessen. Ohne jetzt eine Kunst (um eine solche handelt es sich beim Winzern auf hohem Niveau auch für mich fraglos), die vorrangig den Geruchs- und Geschmacksinn betrifft, völlig abwerten zu wollen, halte ich die Künste, welche die Augen, die Ohren oder das "abstrakte" Denken in Sprache betreffen, doch für vorrangig. Dafür spricht schon ihre "Haltbarkeit" - Caroline Diels noch so faszinierender Sekt ist innerhalb von relativ kurzer Frist ausgetrunken und dann nur als Schatten in einer VKN erfahrbar, während Wagners Partitur von Tristan und Isolde immer wieder frisch realisiert werden und Caspar David Friedrichs Mönch am Meer immer wieder von anderen Generationen direkt angeschaut werden kann...Platons Phaidon wird seit etwa zweieinhalbtausend Jahren immer wieder gelesen und als grandiose Gedankenleistung bewundert, während wir vom Geschmack, den der griechische Wein um 400 v. Chr. besaß, so gut wie null Ahnung haben :mrgreen:... --

Ich wollte hier heute, um nicht nur offtopisches Geschwafel zum Besten zu geben, eigentlich noch eine Notiz zu einem Sekt von Jülg eingestellt habe, aber leider habe ich versehentlich die falsche Schäumerflasche (Pairits 2012) in den Kühlschrank gelegt :oops: .

Die Notiz zum deutschen Winzersekt kommt dann morgen oder übermorgen - und zu dem Thema "Wein und Transzendenz" ;) mag ja vielleicht noch jemand einen eigenen Faden eröffnen?

Herzliche Grüße

Bernd
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Bernd Schulz

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Re: Winzersekt

BeitragDi 30. Mai 2023, 20:11

So, hier kommt die versprochene VKN:

Bild

Das ist fraglos kein schlechter Sekt, aber ich muss gestehen, dass ich mittlerweile eine immer größere Distanz zu Schaumweinen entwickele :oops: : Die heftige Kohlensäure bringt zwar einerseits eine zusätzliche Dimension ins Spiel, aber andererseits unterdrückt sie die (eventuell wenig vorhandenen :mrgreen:) feineren Aromen des Grundweins für meine Begriffe massiv. Für 18 und weniger Euronen bekomme ich (vor allem im restsüßen Bereich ; )) Stillweine, die mir weit mehr aromatische Vielschichtigkeit bieten. Bei einem Preis von 40 und mehr Öcken mag das eventuell schon wieder anders aussehen, wobei ich auch hier - auf Verdacht :oops: - daran zweifle, dass es irgendeinen Schäumer gibt, der z.b. Schäfer-Fröhlichs Goldkapsel-Spätlesen in ihrer extrem fulminanten Aromatik das Wasser reichen kann....

Herzliche Grüße

Bernd
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