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VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

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EThC

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VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 12:33

...um die VDP-Diskussion im Michel-Faden ( viewtopic.php?f=54&t=4985&start=10 ) nicht zu sehr ins offtopische gleiten zu lassen, antworte ich mal hier:
Bernd Schulz hat geschrieben:Meine Wahrnehmung der jüngeren VDP-Bestrebungen bestätigt mir immer wieder, dass im Vergleich zum früher weitestgehend üblichen Prädikatssystem mittlerweile beim VDP ein größerer Wirrwarr als je zuvor herrscht. Kraut und Rüben ohne Ende!

Ganz grundsätzlich finde ich die VDP-Qualitätspyramide mit Gutswein / Ortswein / Erste Lage / Große Lage ja in Ordnung, sogar begrüßenswert, aber im Detail gibt es mittlerweile leider so viele Wenn's und Aber's und vor allem auch für mich nicht nachvollziehbare regionale Unterschiede in dem System, daß ich das von Bernd verwendete Wort "Wirrwarr" gut nachvollziehen kann.

Das System schwächelt mit seinen ganzen Restriktionen -insbesondere auch hinsichtlich des "Einweinprinzips" je Lage- weil es allerhöchstens auf den "idealen VDP-Winzer" paßt. Der hat Parzellen in mehreren unterschiedlichen Gemeinden (oder auch Gemarkungen), einen Gutteil davon in Bereichen, die vom VDP als "Erste Lage" klassifiziert sind und dann noch ein paar in einer oder besser mehreren "Großen Lagen". Blöderweise ist diesbezüglich aber nicht jedes Weingut entsprechend strukturiert.

Schwerwiegend und stark selektierend ist vor allem, daß eben nicht jede Lage, die in den Weinbergsrollen definiert ist, auch die vom VDP definierten Voraussetzungen für eine EL oder GL erfüllt. In dem Beispiel "Michel, Achkarren" ist es anscheinend so, daß das Weingut nur (oder zumindest hauptsächlich) Parzellen in der Gemeinde Achkarren besitzt, da gibt es den Castellberg und den Schloßberg, aber nur letzterer ist praktisch vollständig als "Große Lage" definiert. Früher dachte ich, daß eine "Große Lage" auch den Status "Erste Lage" includiert, daß man also auch einen EL-Wein aus der Lage herstellen kann, wenn man die höheren Anforderungen an einen GL-Wein nicht einhält. Ist aber nicht so. Entweder man macht einen (und zwar nur einen / one / uno je zugelassener Rebsorte!) GL-Wein oder sonst halt nur einen lagenlose Ortsweine.

Noch perfider wird das Ganze dadurch, daß man seine Weine, die gemäß WeinG eigentlich Lagenweine sein würden, auch nicht im Klartext so bezeichnen darf, wenn sie nicht aus einer EL oder GL kommen, was für mich völlig absurd ist. Von einem Achkarrer VDP-Winzer kann es somit auch keinen Wein aus dem "Achkarrer Castellberg" als normalen Qw geben, weil der VDP dies untersagt. Das zwingt dann die Winzer zum "Downsizing" zum Ortswein oder zur Vergabe von irgendwelchen Kunstnamen und entsprechenden Erläuterungen außerhalb des Etiketts, wenn man seiner Kundschaft dennoch mitteilen möchte, woher der Wein eigentlich kommt. Und so erklärt sich dann auch die "Tephrit"-Linie anstatt einer für das Weingut Michel nicht verfügbaren VDP-Ersten Lage. Und ich bin gespannt, wie sich das Sortiment des Gutes in Zukunft darstellt, wenn es sein erstes Spätburgunder-GG auf den Markt bringt. Aktuell gibt es da zwei noch verschiedende GG-geeignete Weine, den "***" und den "R", einer davon wird wohl so ein Kunstnamen-Wein werden müssen, denn aus der GL Schloßberg darf's ja nur ein Spätburgunder-GG geben, auch wenn die Lage mit über 100 ha Größe sicher einige Facetten zu bieten hat; jedenfalls denke ich nicht, daß in den zwei großen Teilstücken südlich und nördlich von Achkarren die Bedingungen quasi gleich sind.

Hätte der Winzer dagegen geschickt verteilte Parzellen etwas weiter südlich am Ihringer Winklerberg, dann hätte er mehr Möglichkeiten, denn diese Lage wurde vom VDP mittlerweile in 6 (!) Große Lagen und eine Erste Lage zerpflückt, was mittlerweile auch ein Trend bei dem Verein zu sein scheint, wie man das Einlagenprinzip weiter reiten kann und dennoch mehr verschiedene Weine im VDP-Raum zuläßt.

Übrigens: in einer der Martin-Müllen-Online-Verkostungen wurde auch die Frage gestellt, ob der VDP schon mal bei ihnen angeklopft hätte, was die Müllens verneinten und auch klarstellten, daß man da auch nicht unbedingt scharf d'rauf ist. Würde für das Gut auch aktuell keinerlei Sinn machen, da es nur Lagen in Kröv, Traben und Trarbach hat und in diesen Gemarkungen ist keine einzige als Große Lage definiert, Erste Lagen gibt's an der Mosel sowieso nicht (warum eigentlich???), also wäre alles maximal Ortswein und die Lagennamen dürften überhaupt nicht mehr im Klartext genannt werden.

Ich könnte die Aufzählung der Ungereimtheiten noch unendlich fortführen, das hebe ich mir aber für den Fall auf, daß diese Diskussion hier überhaupt jemanden interessiert...
Viele Grüße
Erich

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Bernd Schulz

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 12:49

EThC hat geschrieben:Übrigens: in einer der Martin-Müllen-Online-Verkostungen wurde auch die Frage gestellt, ob der VDP schon mal bei ihnen angeklopft hätte, was die Müllens verneinten und auch klarstellten, daß man da auch nicht unbedingt scharf d'rauf ist. Würde für das Gut auch aktuell keinerlei Sinn machen, da es nur Lagen in Kröv, Traben und Trarbach hat und in diesen Gemarkungen ist keine einzige als Große Lage definiert, Erste Lagen gibt's an der Mosel sowieso nicht (warum eigentlich???), als wäre alles maximal Ortswein und die Lagennamen dürften überhaupt nicht mehr im Klartext genannt werden.


Die Müllens sind außerdem der Ansicht, dass ein lagentypischer Wein auch mit seiner Lage benamst werden soll - unabhängig von seiner Gewichtsklasse (oft weisen Kabinette eine deutlich stärkere Lagentypizität als Auslesen auf) und auch unabhängig davon, ob es aus dem gleichen Jahrgang und der gleichen Lage noch andere Weine gibt. Ich teile diese Meinung und halte - ganz abgesehen von dem gewaltigen Wirrwarr, der sich aus den VDP-Statuten ergibt - das Prinzip des Lagenverbrauchs schlichtweg für Kappes. In Ländern mit einer ganz anderen Weinbauhistorie und weitgehend anderen Betriebsstrukturen mag so etwas einen Sinn ergeben, in Deutschland ist es unangemessen.

Herzliche Grüße

Bernd
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EThC

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 13:01

Bernd Schulz hat geschrieben:Die Müllens sind außerdem der Ansicht, dass ein lagentypischer Wein auch mit seiner Lage benamst werden soll - unabhängig von seiner Gewichtsklasse

...vor allem verstehe ich nicht, warum sich das sich aus dem übergeordneten WeinGesetz (das gilt ja für den VDP auch...) bzw. der nachrangigen WeinVerordnung ergebende Recht zur Lagennennung (unter gewissen Voraussetzungen natürlich) durch den Vertragsschluß zwischen Verein und Winzer abbedungen wird. Und warum so viele Winzer sich tatsächlich auf solch einen Quatsch einlassen...
Viele Grüße
Erich

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amateur des vins

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 13:11

Korrigiert mich, aber ist es nicht so, daß der VDP im süßen Bereich Prädikate erlaubt?

Davon abgesehen: Im Burgund heißt es eben nicht "Grand/Premier Lieu". Verschiedene Lagen-Premiers, miteinander verschnitten, sind eben immernoch Premier Cru, ohne Lage und mit Phantasienamen. (Weiß jemand, ob deklassierte Grand Crus in verschnittenen Premiers landen dürfen?) Jedenfalls ist das System dort deutlich simpler und logischer. Hierzulande wollte man es wohl allen recht machen, und verzettelte sich.
Besten Gruß, Karsten
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EThC

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 13:40

amateur des vins hat geschrieben:Korrigiert mich, aber ist es nicht so, daß der VDP im süßen Bereich Prädikate erlaubt?

...ja, stimmt so. Von Gutswein bis Große Lage. Früher waren auch noch Prädikate bei den halbtrockenen bis lieblichen Sachen erlaubt, z.B. kann ich mich noch an einen Kabinett - Große Lage von Nik Weis erinnern, müßte ein 15er gewesen sein. Aber spätestens seit 2019 ist das generell nur noch für die süßen Sachen, also ab 45 g/l RZ zugelassen...
Viele Grüße
Erich

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UlliB

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 13:53

amateur des vins hat geschrieben:Korrigiert mich, aber ist es nicht so, daß der VDP im süßen Bereich Prädikate erlaubt?

Doch, das ist so. Und im restsüßen Bereich gilt auch das Prinzip des "Lagenverbrauchs" nicht, d.h. aus einer Lage dürfen beliebig viele restsüße Weine produziert werden und bei allen der Lagenname auch auf dem Etikett erscheinen - z.B. für eine Spätlese, eine Auslese, eine BA, eine TBA...

Und das Ganze gilt dann durchaus zusätzlich zu einem trockenen Wein mit der gleichen Lagenbezeichnung, aber eben nur einem einzigen...

Ist doch alles absolut logisch, oder etwa nicht? :mrgreen:
(Weiß jemand, ob deklassierte Grand Crus in verschnittenen Premiers landen dürfen?)

Doch, das geht, und es muss sich dann nicht einmal um einen Lagenverschnitt handeln. Nur darf der Lagenname des grand cru dann nicht auf dem Etikett erscheinen. Wer aus welchen Gründen auch immer z.B. beschließt, mit Trauben aus dem GC "Clos de la Roche" einen abgestuften Wein zu machen, kann den wahlweise als "Morey St. Denis 1er cru" oder auch nur als "Morey St. Denis" bezeichnen - bis hin zur Abstufung auf "Bourgogne". Abstufen geht immer.

Gruß
Ulli
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EThC

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 14:02

UlliB hat geschrieben:und bei allen der Lagenname auch auf dem Etikett erscheinen

...aber eben auch nur, wenn die Lage als "Erste Lage" oder "Große Lage" vom VDP klassifiziert ist. Oder habe ich mich da vom VDP verwirren lassen? Bitte um Zurechtweisung, soweit notwendig :!: :mrgreen:
Viele Grüße
Erich

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Georg R.

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 14:28

Hallo Erich,

erstmal danke für den Thread.
Ich war auch schon auf der Suche nach einer Fortsetzung der Diskussion, ohne dabei im Michel Thread zu sehr off topic zu werden.

Zu Deiner Frage betreffend Umbenennung der Spätburgunder von Michel lässt sich aus der neuesten Preiliste folgendes ableiten:
Der *** Spätburgunder heisst seit 2017 ebenfalls Tephrit, der Preis von 25€ lässt jedenfalls diesen Schluss zu.
Darüber steht noch die Reserve "R", welche dann vermutlich 2018 das Grosse Gewächs wird.

Meine Aussage aus dem Michel Thread betreffend "alle *** Weine werden zum GG" trifft also nur auf die Weissweine zu.

Mich verwundert es ebenfalls, warum am Schlossberg keine 1.Lagen ausgewiesen wurden.
Am Winklerberg war es möglich, ebenfalls am Burkheimer Feuerberg und die berühmte Bassgeige aus Oberbergen ist ebenso klassifiziert.

Ist die Lage ev. derart zersplittet, dass eine vernünftige oder einvernehmliche Einteilung nicht möglich war?
(Michel selbst besitzt über 70 Parzellen)

Gruss
Georg
Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich.
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UlliB

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 14:38

EThC hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:und bei allen der Lagenname auch auf dem Etikett erscheinen

...aber eben auch nur, wenn die Lage als "Erste Lage" oder "Große Lage" vom VDP klassifiziert ist. Oder habe ich mich da vom VDP verwirren lassen? Bitte um Zurechtweisung, soweit notwendig :!: :mrgreen:

Erich,

da bin ich nicht so ganz sicher. Der VDP redet nur von "klassifizierten Lagen". Zumindest vor Einführung der neuen "Ersten Lagen" mit zeitgleicher Umbenennung der vorhergehenden "Ersten Lagen" zu "Großen Lagen" gab es auch klassifizierte Lagen, die keine "Ersten Lagen" waren, und deren Name auf dem Etikett erscheinen durfte (alleine der Aufbau dieses Satzes zeigt, wie verwirrend das System ist). Ob es das jetzt immer noch gibt, weiß ich nicht.

Ich hab's aufgegeben, mich an der VDP-Klassifikation abzuarbeiten, es ist die Sache einfach nicht wert. Aber dass man nach mittlerweile 20 Jahren nach der Einführung des Systems immer noch regelmäßig daran rumfummelt (mir war z.B. das Prädikatsverbot für halbtrockene und feinherbe Lagenweine entgangen, das muss wohl neu sein), ist schon ziemlich bezeichnend. Ich habe es mehrfach erlebt, dass VDP-Winzer selber nicht mehr durchgestiegen sind, was sie nun auf ihre Flaschen schreiben dürfen und was nicht, und am Ende klar gegen Regeln verstoßen haben - was sie dann im Folgejahr korrigieren mussten.

Gruß
Ulli
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Weinschlürfer

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Re: VDP-Klassifikation - Sinn und Unsinn

BeitragFr 17. Apr 2020, 14:50

VDP Aufstieger können ja insofern locker sein als dass der Ortswein später teurer als ihre alten Lagenweine wird.

Oft jedenfalls :-P

Ich habe schon desöfteren Personen gefragt, ob man davon ausgehen kann, dass ein Winzer aufgrund des nun steigenden Preisniveaus dank VDP jetzt evtl. auch mehr selektieren und ertragsreduzieren könnte... und man so durchaus einen Preissprung eines Top Weines von 20 auf 35 Euro rechtferttigen könne..

Klare Aussagen gibs aber nie :)
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