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Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragDi 4. Feb 2014, 10:25

Herr Tur Tur war ein Scheinriese.

Ein Scheinriese ist ein Mensch, der im Gegensatz zur herkömmlichen Spezies entgegen den Gesetzen der Physik im Auge des Betrachters immer größer wird, wenn er sich von ihm entfernt, dabei werden seine Konturen immer undeutlicher, bis er endlich am Horizont verschwindet. Folgerichtig kann man normale Menschen als Scheinzwerge bezeichnen.

Außer Herrn Tur Tur ist in der Literatur kein weiterer Scheinriese verbürgt, weswegen man den sozusagen leer stehenden Begriff für alles Mögliche adaptiert hat, für Politiker zum Beispiel, deren wahre Größe und Bedeutung der gefühlten um einiges hintan steht. Was allerdings nicht auf Herrn Tur Tur selber zutrifft, der ein sehr freundlicher, zurückhaltender und empathischer Mensch gewesen sein soll.

Seit dem segensreichen Wirken von Robert Parker wird die Vokabel auch gerne auf Weine angewendet, denen dann gerne gebetsmühlenartig die immer gleichen Attribute angehängt werden: fett, breit, wuchtig, alkoholstark um dann im Nachgang zu erklären, aber eigentlich seien diese Weine flach, eindimensional, es mangele ihnen an Tiefe und Komplexität, es fehle die wahre Größe. Dann kommt noch die Killerphrase: Coca Cola! Eigentlich seien die Weine aber alle ganz arme Würstchen.

So ein wenig hat diese Diskussion was von, dass nicht sein kann was nicht sein darf. Dabei kann doch so ein Wuchtfetzen hin und wieder genossen genau so viel Trinkvergnügen bereiten wie ein Ausbund an Eleganz und Komplexität. Schließlich möchte auch niemand jeden Tag mindestens fünf Gänge feinst ziselierte Hochküche essen, sondern erfreut sich auch mal an einem deftigen Erbseneintopf oder einem gegrillten Steak ohne weitere Fisematenten.

Also ich mag das hin und wieder, natürlich nicht jeden Tag. Ich würde ja auch nicht jeden Tag - bei aller Liebe - Figeac trinken. Was würde mir da denn alles entgehen.

Zum Beispiel der

2004 Vall Llach
Porrera, Priorat


einer der besten Jahrgänge der letzten Zeit und ein gewaltiger und komplexer Wein.

In Glas ein fast schwarzes Granatrot und ein Aromenspiel, das sich erst über einen längeren Zeitraum komplett erschließt. Dominieren zunächst Beeren und Holzaromen, so spielen sich nach etwa einer Stunde Schokolade, Vanille, Leder, Trüffel und Gewürze in den Vordergrund, später noch ein fast kühl zu nennender mineralischer Duft.

Am Gaumen ein weiches aber doch festes Mundgefühl, für das mir in der deutschen Sprache oft das richtige Wort fehlt. Monsieur Kats, der ehemalige Kellermeister von Giroud in Beaune bezeichnet es als "la mâche", von mâcher=kauen. Danach schmeckt man wiederum Beerenfrucht, auch Trockenobst, Schokolade, Soja und sehr intensives aber nicht dominantes Tannin.

Und zum Schluss ein phantastischer Abgang.

Ein Riese, ein echter!
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olifant

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Val Llach, Priorat

BeitragDi 4. Feb 2014, 11:02

susa hat geschrieben:..... denen dann gerne gebetsmühlenartig die immer gleichen Attribute angehängt werden: fett, breit, wuchtig, alkoholstark um dann im Nachgang zu erklären, aber eigentlich seien diese Weine flach, eindimensional, es mangele ihnen an Tiefe und Komplexität, es fehle die wahre Größe. Dann kommt noch die Killerphrase: Coca Cola! Eigentlich seien die Weine aber alle ganz arme Würstchen.
....


Hallo susa,

vielen Dank für deine Kolummne, die immer wieder auch mal Denkanstoss ist ...
... und nun zwar irgendwie off topic, aber irgendwie auch nicht, ein Artikel, so zu sagen über Coca Cola und Scheinriesen im Kern, ;) http://www.weinkenner.de/2014/das-universum-schlaegt-zurueck-mit-restsuessen-premium-rotweinen-31676/ den ich in diesem Zusammenhang nicht unpassend finde.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
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thvins

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragDi 4. Feb 2014, 11:36

Hallo Susa, ich war dann doch über deine letzten, Mut machenden Worte zum 2004er Vall Llach erleichtert.

Nachdem der 2003er im letzten Jahr eher ein richtiger Flop, denn ein Scheinriese auf unserer 10 Years after Probe war... :lol:

Ich schenk dir noch ein "L" in deiner Ãœberschrift... ;)
Beste Grüße

Torsten

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hendrik

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragDi 4. Feb 2014, 11:47

Torsten, Dass soll eine Flaschen fehler gewesen sein. (oder so etwas :mrgreen: )
Nit de Nin 2004 ist TOP, wie alle Jahrgange.
Aber aber die erste Jahren hatte die 2004 eine Nase mit "klebstof" heute ist das glucklicherweise total abgebout.

beste grusse aus die Niederlande
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thvins

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragDi 4. Feb 2014, 12:12

Hendrik, wir reden über völlig verschiedene Weine.

Den 2004er Vall Llach mit der etwas schrägen Nase kenne ich auch, aber da war Potential. Ich rede vom blassen 2003er letztes Jahr, der nicht mal ein Scheinriese war.

Nit de Nin 2004 ist wieder was ganz anderes und ich bin froh, noch welchen zu haben... :mrgreen: DA sind wir uns sehr einig 8-) :lol:
Beste Grüße

Torsten

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hendrik

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragDi 4. Feb 2014, 16:06

thvins hat geschrieben:Hendrik, wir reden über völlig verschiedene Weine.

Den 2004er Vall Llach mit der etwas schrägen Nase kenne ich auch, aber da war Potential. Ich rede vom blassen 2003er letztes Jahr, der nicht mal ein Scheinriese war.

Nit de Nin 2004 ist wieder was ganz anderes und ich bin froh, noch welchen zu haben... :mrgreen: DA sind wir uns sehr einig 8-) :lol:


Oeps, und Ich bin noch gansz sober :?:
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octopussy

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragMi 5. Feb 2014, 15:45

susa hat geschrieben:So ein wenig hat diese Diskussion was von, dass nicht sein kann was nicht sein darf.

Hallo susa,

das Argument (das ich eh meist unpassend finde) finde ich hier besonders unpassend. Muss nun jeder üppige Rotweine gut finden, weil sie eben gut sind? Und können diejenigen, die sie nicht mögen, nur nicht eingestehen, dass der Wein ja eigentlich gut ist? Das unterstellt mir etwas zu viel. Nach allem spielt der persönliche Geschmack ja doch noch eine Rolle. Ein Beispiel:

Vor gut einer Woche waren wir zum Essen bei Freunden eigeladen. Sie haben zuerst einen Luis Canas 2010 Rioja Crianza aufgetischt, dann einen Luis Canas 2005 Rioja Reserva. Ich hatte selbst einen Priorato mitgebracht, auch aus 2004 - Sangenis i Vaque 2004 Priorat "Vall Por". Die Rioja Crianza war köstlich, trank sich locker weg zum Essen. Die Reserva fand ich schon etwas anstrengend, nicht dass der Wein schlecht wäre, er hatte eine attraktive Nase. Aber das Runterschlucken fiel schon schwerer. Beim Priorat angelangt habe ich nur noch vorsichtig genippt oder mit Wasser "nachgespült". Auch das war eigentlich ein guter Wein, tolle Nase, große Geschmacksfülle, aber eben auch viel Alkohol (15% Vol.) und eine extrem dichte Textur. Während unsere spanisch-französischen Gastgeber mit jedem Wein immer begeisterter wurden, musste man mir (Frau octo ebenfalls) immer seltener nachschenken.

Ich denke, man darf die Geschmacksmissionare, die bestimmte Weinstile als superior predigen, einfach nicht so ernst nehmen. Das gilt für einen John Gilman genauso wie einen Robert Parker (letzterer hetzt nämlich auch gerne gegen angeblich unreife Weine oder Weine aus Rebsorten, die Herrn Parker offenbar nicht geläufig sind - wie Blaufränkisch oder Savagnin). Und muss sich hoffentlich nicht zu oft dafür rechtfertigen, bestimmte Weinstile anderen vorzuziehen.
Beste Grüße, Stephan
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sorgenbrecher

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragMi 5. Feb 2014, 15:52

völlig richtig, stephan.
ich habe am wochenende eine priorat-probe und befürchte schon schlimmes.... :roll:

früher mochte ich derartige weine ganz gern, aber heute nehme ich zur sicherheit noch ein zwei reparaturweine mit. von sehr, sehr wenigen ausnahmen abgesehen kann ich auch mit bestimmten rebsorten nur noch sehr wenig anfangen, grenache ist da z.b. ganz oben auf der blacklist....
Gruß, Marko.
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Weinbertl

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragMi 5. Feb 2014, 16:41

sorgenbrecher hat geschrieben:früher mochte ich derartige weine ganz gern, aber heute nehme ich zur sicherheit noch ein zwei reparaturweine mit.


interessant finde ich meine persönliche Beobachtung, dass die meisten Weininteressierten die ich (im reallife) kennengelernt habe, eine ähnliche Entwicklung durchgemacht haben. Ich habe selten Weinfreunde getroffen, die zwar mit den europäischen Klassikern angefangen haben, aber letztlich doch bei Australien, Südamerika, Priorat und hastenichtgesehen gelandet sind. Eher der gegenteilige Fall trifft zu. Ich muss allerdings dazu sagen, dass das Budget dieser Leute meist nicht bei 15-20 EUR/Flasche endet.
Grüße
Robert
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Alas

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Re: Auf ein Glas ..... 2004 Vall Llach, Priorat

BeitragDo 6. Feb 2014, 03:11

octopussy hat geschrieben:Ich denke, man darf die Geschmacksmissionare, die bestimmte Weinstile als superior predigen, einfach nicht so ernst nehmen.


Doch, sollte man, denn jeder, jede Gruppe, die einen Weinstil 'predigt', bringt ihre Begeisterung damit zum Ausdruck, und wenn Weine Begeisterung hervorrufen, dann kann man sich auf den Weg begeben herauszufinden, was das Zündende, oder Befriedigende, darin ist.
Voraussetzung ist natürlich selbst frei genug zu sein, seinen eigenen derzeitigen Stil, seinen eigenen momentanen Geschmack, nicht als 'Gott', als alleinig und endlos zu sehen.
Der Kontext kann an dieser Stelle helfen.

Gruß

Alas
wat den een sien uhl is den annern sien nachtigall
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