Aktuelle Zeit: So 28. Apr 2024, 15:09


Auf ein Glas ..... 2012 GV Spies, Angerer

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

susa

Administrator

  • Beiträge: 4163
  • Bilder: 20
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 16:33
  • Wohnort: Niederrhein
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Auf ein Glas ..... 2012 GV Spies, Angerer

BeitragDi 17. Dez 2013, 09:40

Falls Dir, das soll es ja geben, in dieser Zeit, in der alle über Stress und keine Zeit und noch hundert Sachen erledigen müssen klagen, falls Dir also langweilig ist, leihe ich Dir eine Handtasche. Zuteilung nach Eingang der Anfragen.

Und dann soll mir nicht mehr langweilig sein, jetzt spinnst Du ja wohl total, susa. Komm, gib's zu, das hast Du gerade gedacht. Wahrscheinlich ein wenig drastischer formuliert, außer Dir hat's ja keiner gehört.

Die Handtasche selber sieht recht unspektakulär aus, dunkelbraun, von Mandarina Duck, schon ein wenig in die Jahre gekommen, aber immer noch tipptopp. Eine von der Sorte, die so groß ist, dass man ein darin klingelndes Handy niemals findet, aber noch passabel hören kann. Gut, Herren trauen sich mit so einer Tasche jetzt nicht unbedingt in die Öffentlichkeit, aber in Notfällen hat Herr susa sie auch schon heldenmutig getragen (z.B. als wir eine Flasche 85er Mouton darin transportierten, sicher ist sicher).

Sorry, ich schweife ab. Aber jetzt kommt's.

Mit dieser Handtasche begibst Du Dich in ein Kaufhaus, ein großes, KaDeWe oder Carshhaus oder eine große Peek & Cloppenburg Filiale. Wenn Du das Kaufhaus betrittst, wird die Alarmanlage in der Türe anschlagen, mindestens drei Verkäuferinnen werden wie wild ihr Beratungsgespräch unterbrechen, hektisch zum Ausgang rennen und versuchen, zu ergründen, woher die Töne kommen. Eine durch ihr Gebahren unschwer als vorgesetzte Persönlichkeit erkennbare Person wird ebenso ratlos in der Türe stehen, umringt von mindestens 43 Kunden, die gespannt darauf warten, wie es weiter geht. Du schaust derweil angelegentlich bei den Krawatten, nur um feststellen, dass es auch in diesem Jahr nur hässliche, potthässliche und grundabscheulich potthässliche gibt.

Nach einiger Zeit begibst Du Dich wieder Richtung Ausgang und – Du ahnst es – die Alarmanlage schlägt wieder an. Ha, jetzt haben sie Dich! Ein zweites Mal geht ihnen keiner durch die Lappen, selbst aus der entfernt liegenden Kinderbekleidungsabteilung kommt noch ein eifriger Azubi herangestolpert. Haltet den Dieb!

"Mein Herr (oder meine Dame, nichtzutreffendes bitte nicht mitlesen) würden Sie mir bitte einen Blick in Ihre Handtasche gestatten?" Sie wissen, dass Du das nicht musst. Du weißt, dass Du das nicht musst. Sie wissen, dass Du das weißt. "Dazu bin ich nicht verpflichtet!" kannst Du jetzt sagen, oder "Ich möchte jetzt sofort meinen Anwalt sprechen!" oder "¿Habla español?"

Danach entsteht immer eine peinliche Schweigelücke, der neugierige Kundenkreis wird größer und größer, es wird still, fast unheimlich still und gerade jetzt läuft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit "Last Christmas!". Das ist mehr als ein Mensch ertragen kann, selbst wenn ihm sehr langweilig ist und so fallen dann auch bald die erlösenden Worte "Wenn Sie mir bitten folgen würden. Wir klären die Angelegenheit in meinem Büro!"

Dort gibst Du Dich kooperativ und schüttest den gesamten Tascheninhalt (über den im Verleihfall gesondert zu verhandeln wäre) auf den Tisch. Ach daaa ist das Handy, schon drei Anrufe in Abwesenheit und zwei SMS. Und da ist auch die Gebrauchsanweisung von der Teichpumpe, die Du letzten Sonntag so dringend gesucht hast. Und ein Knöllchen, noch nicht bezahlt und … na ja, Du kennst ja Damenhandtascheninhalte, das Übliche halt, Lippenstift, Portemonnaie, Fußpflegerinnenvisitenkarte, Nagelclip, Hustenbonbon, Telefonnumer auf Zettel ohne Namen daneben.

Und sonst? Nix! Gar nix!

Ob Du vielleicht Deine Jacke? Klar, doch, bitte, es ist eh ziemlich heiß in der kleinen Bude. Die Jackentasche ist noch zugenäht, so wie Du die Jacke gekauft hast. Sonst beulen diese Taschen doch sofort aus. Bevor es anfängt peinlich zu werden, ziehst Du auch noch die eingenähten Taschen Deiner Jeans raus. Die hängen Dir jetzt wie traurige Elefantenohren links und rechts an der Hüfte runter. Aber ansonsten: Nix!

Man ist peinlich berührt, murmelt eine halbherzige Entschuldigung und begleitet Dich zum Ausgang! Und dann geht's wieder los! Alarm! Alle VerkäuferInnen, die bislang noch nicht das Vergnügen hatten, stürzen herbei, es kommt zum Handgemenge.

Meistens kommt dann eine in Diensten des Hauses sowie allen Ehren ergraute Verkäuferin, eine von den letzten Gelernten, drauf. "Sie haben bestimmt irgendwo noch eine Produktsicherung eingenäht! Soll ich mal suchen?"

Ihr begebt Euch an die Kasse, sie schaut sich Deinen Blazer/Dein Sakko noch mal genau an, tastet Deinen Pulli vorsichtig ab und bittet Dich, doch für alle Fälle auch mal in den Schuhen nachzusehen, da wäre es schon mal an der Innenseite. Oder eben in der Handtasche ….

Ja, da ist einem Näher das Dingen mal zwischen Futter und Leder geraten. Man müsste das Futter vorsichtig auftrennen, die Sicherung entfernen und dann wieder zunähen. Kann einem jeder gute Schneider machen. Kostet nen Zehner … höchstens … aber wär doch auch irgendwie schade.

Nach diesem Abenteuer hast Du Dir einen kleinen Imbiss redlich verdient.

Falls Du Dich noch traust, begib Dich in die Lebensmittelabteilung und such nach ein paar netten Schmankerl, ein bisschen Fingerfood oder ein feines Nudelgericht und gönn Dir ein Glas Wein. In den besseren Häusern sind die ausgeschenkten Qualitäten gar nicht mal so übel und meistens freundlicher kalkuliert als im Restaurant.

Letztens waren österreichische Wochen und das Showcooking übertraf sich in Mehlspeisen und Schnitzeln. Leider gab es keinen rechten Tafelspitz, wahrscheinlich weil der nicht spektakulär in der Pfanne zu schwenken ist. Aber es gab, das wunderte mich dann fast, ein paar richtig gute Weine, u.a. von Kurt Angerer. Probiert habe ich den

2012 Grüner Veltliner Spies
Kurt Angerer, Niederösterreich


Niederösterreich steht jedenfalls auf dem Etikett, das man mir auf freundliche Nachfrage zeigte. Fotografieren durfte ich es aber nicht.

Der Wein funkelt klar gelb im Glas, zartgrüne Reflexe und er wurde mir so kalt serviert, dass das Glas beschlug. Das war ein wenig schade, denn bei solchen Events hat man dann doch nicht immer Zeit, abzuwarten, bis der Wein die richtige Temperatur hat.

Also muss man ihn ein wenig länger im Mund halten, dann kommt man den Aromen auch langsam dahinter. Zunächst ein duftiges exotisches Fruchtkörbchen, Pfirsich, Mango, auf Ananas würd ich nicht unbedingt wetten, aber so ein bisschen. Dann nach etwas Verzögerung kommt es, auf das man bei jedem Grünen Veltliner wartet, das Pfefferl. Diese zarte feine Bitternis, die in einer würzigen Pfeffernote endet, hier mit so einem Hauch Pfefferminz.

Geschliffen klar am Gaumen, sanft und weich, feine belebende Säure, sehr dezent, Fruchtaromen, nun zeigt sich auch eine kühle zurückhaltende Mineralik und wie so oft, das Beste kommt zum Schluss: der Abgang. Nicht ewig lang, aber fein mit allen Aromen und Texturen spielend einen wunderbar klaren mineralisch-würzigen Eindruck hinterlassend. Und ganz zum Schluss winkt das Pfefferl noch mal leise Servus.

Sehr fein! Der kommt demnächst in die Handtasche! Mit Kassenzettel!
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
Offline
Benutzeravatar

navysurf

  • Beiträge: 99
  • Registriert: Di 4. Jan 2011, 17:36
  • Wohnort: Heiligenwald / Saarland

Re: Auf ein Glas ..... 2012 GV Spies, Angerer

BeitragMi 18. Dez 2013, 13:56

Genau das mit der Tasche ist mir heute auch passiert. :D

Lederhandtasche für den Adventskalender meiner Frau gekauft - schön verpackt - raus aus Geschäft - PIP-PIP - wieder rein ins Geschäft - ausgepackt - Sicherung deaktiviert - wieder eingepackt - raus aus Geschäft - PIP PIP - wieder rein - nochmals ausgepackt - Vekäuferin: "Keine Sicherung mehr drinn - Sie können auch so rausgehen".

Jetzt bin ich mal gespannt, wenn mein holdes Weib das nächste Mal mit der neuen Tasche ein Geschäft betritt- ich habe schlimme Befürchtungen....
Viele Grüße
Rüdiger aus Heiligenwald/Saarland

Zurück zu Auf ein Glas ...

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 29 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen