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Man muss eine Sache nur lange und beharrlich genug durchziehen oder aussitzen, irgendwann fällt sie niemandem mehr auf, mehr noch, sie wird zum integralen gesellschaftlichen Bestandteil. Mit diesem Motto hat ja unser Pfälzer Altbundeskanzler mehr als 20 Jahre lang Politik gemacht und seine politische Ziehtochter beherrscht die Technik auch aus dem eff eff.
Auch der Einzelhandel hat das gelernt. Da mag das Medien- und Verbraucherecho noch so vernichtend sein, mit schöner Regelmäßigkeit werden ab Mitte August Christstollen, Lebkuchen, Schokoladenweihnachtsmänner und Adventskalender in die Läden gekarrt und inzwischen regt sich kaum noch jemand darüber auf. Selbst der faktische Wintereinbruch, der ja per definitionem bei einem Erreichen der Schneefallgrenze unter 1000 m liegt, reißt da keinen mehr vom Hocker.
Könnte man es nicht auf dieselbe Weise schaffen, den Wein beharrlich ein bisschen mehr in den Focus zu stellen? Wo ist der Product Placement Manager, der in Fernsehfilmen und –serien mehr als nur irgendein Aldizeugs unterbringt und wo ist das Drehbuch und der Ausstatter, die einen konkreten Weinnamen mit der dazu passenden Flasche vermählen? Von einem passenden Wein zum Essen will ich gar nicht erst zu träumen anfangen. Und das so lange, bis es irgendwie ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist, dass "man" zum Essen einen ordentlichen Wein auf den Tisch stellt?
In keiner Serie würde ein Darsteller in der Kneipe sV am Tresen stehen und sagen "… hach, geht doch nichts über ein gut gezapftes Pils" und dann bekommt er eine goldige Flüssigkeit in einem schlanken Stangenglas serviert. Das Produktionsbüro würde sich vor empörter Zuschauerpost nicht retten können.
Sitzt aber das Serienekel, dem natürlich sämtliche Attribute von arrogant bis kriminell in die Rolle geschrieben werden, in einem als ambitioniert dargestelltem Restaurant (die Bildsprache ist: das Mobiliar ist nicht von Ikea), schaut kennerisch in die Weinkarte und sagt näselnd (das ist das einzige Attribut, mit dem Seriendarsteller Arroganz darstellen können): "Zum pochierten Steinbutt bitte einen 1973er Mouton Rothschild." Und der Kellner verneigt sich ehrfürchtig ob der Weinkenntnis des offensichtlichen betuchten Gastes. Später kommt er dann mit einer bauchigen Flasche, auf der man dank der exzellenten Bildauflösung seines Highend-Fernsehers eindeutig die Worte "Pinot Noir" lesen kann. Das Serienekel schaut gnädig, Kellner gießt ein, der Wein ist weiß. Das Ekel kostet und schließt verzückt die Augen.
Es sind übrigens immer die Serien/Filmekel- und –bösewichte, die im Fernsehen Wein trinken. So wie in amerikanischen Produktionen die Bösen immer Mercedes fahren. Gut, genehmigt, das sind sowieso die spannenderen Charaktere, die Guten sind immer so fad.
Und nun, liebe Film- und Fernsehschaffende, für Euch die erste Wein-Lektion fürs Fernsehen, gratis und franko:
- Zum pochierten Steinbutt einen Mouton? Wollt Ihr den armen Fisch erschlagen? Oder den Wein? Ein Weißwein (also nicht irgendein beliebiger) allerdings passt.
- Einen 1973 Mouton? Der ist so tot, töter geht es nicht und der war schon zu Lebzeiten so grauslich, die Verabreichung hätte durchaus den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Freiwillig trinken tut den keiner, der auch nur ein wenig Ahnung hat. Und verzücken tut der höchstens ein paar Schlaumeier, die ihn bei ebay an so Unwissende wie Euch vertickern.
- Jeder Mouton-Jahrgang hat ein eigenes Etikett und das Beste am 1973er Mouton ist sein Etikett, die Reproduktion eines Werks von Picasso (Das ist ein spanischer Maler, der weltberühmt ist, ist aber schon tot und seine Bilder erzielen spielend Millionen auf Auktionen).
- Ein Mouton ist ein Bordeaux. Würde man sich im Bordelais (das ist die Gegend um Bordeaux, Frankreich) irgendwo hinstellen und das Wort "Pinot Noir" (das ist die Rebsorte, also die Traube, aus der der Wein gemacht ist) rufen, man würde geteert und gefedert und auf der Autobahn ausgesetzt. Pinot Noir wächst im Burgund (auch Frankreich, aber wo anders, Frankreich ist groß). Die Weine aus Bordeaux werden in eine zylindrische Flasche gefüllt, die Flasche hat ein wenig hängende Schultern und einen schlanken Hals, immer – und keinesfalls in eine bauchige.
- Und ein Mouton Rothschild ist rot. Wenn er weiß ist, heißt er nicht Mouton sondern Aile d'Argent. Und dann würd ich ihn auch nicht unbedingt zum pochierten Steinbutt servieren.
So, bis hierher war's gratis, wenn ich sonst noch was für Euch tun kann in punkto Weinberatung, liebe deutsche Film- und Fernsehschaffende, dann kostet das was, meine Honorarliste schick ich Euch gerne zu. Ach, vielleicht noch eins, lasst die Schauspieler die Gläser bitte am Stiel anfassen. Macht's einfach, ich hab jetzt keine Lust, das auch noch lange zu erklären (und: siehe vorher).
Jetzt trink ich lieber erst mal selber ein Glas. Nein, keinen Mouton. Dienstags Mouton gibt es bei uns nur, wenn Geburtstag ist, oder Weihnachten, meistens an Silvester und dazu eine feine Zigarre. Einfach so Dienstagabends gibt es Wurst, Käse und Brot und ein Glas Wein, aber auch der muss stimmen.
Der Wein hat den sprechenden Namen
2010 Le Temps est venu
Michel et Stéphane Ogier, Côtes du Rhône
und das stimmt wohl, seine Zeit ist gekommen (der Winzer hat das allerdings anders gemeint), der sollte jetzt getrunken sein, der gehört nicht unbedingt zu denen, die man lange im Keller lagern muss. Ein zwei Jahre lagern, drei vier Jahre trinken und gut ist. Es handelt sich nämlich noch um den 2010er, 2011 und 2012 sind auch schon auf dem Markt. Noch bereitet er unkompliziertes Trinkvergnügen; nicht lange drüber sinnieren, ins Glas, dran schnuppern und runter damit. Dann schmeckt die Cuvée aus Syrah, Grenache und Mourvèdre, warm und rund, kräuterwürzig, nach Beeren und Oliven und im Abgang sogar ein wenig mineralisch. Gerade richtig, um einen Arbeitstag gemütlich ausklingen zu lassen und bevor man sich ernsthaft so eine Fernsehserie mit dem weißen Mouton aus der Burgunderflasche antut, lieber eine feine Musik auflegen. http://www.youtube.com/watch?v=eq0EWNuR1H8 (damals durfte man noch klatschen ).
Auch der Einzelhandel hat das gelernt. Da mag das Medien- und Verbraucherecho noch so vernichtend sein, mit schöner Regelmäßigkeit werden ab Mitte August Christstollen, Lebkuchen, Schokoladenweihnachtsmänner und Adventskalender in die Läden gekarrt und inzwischen regt sich kaum noch jemand darüber auf. Selbst der faktische Wintereinbruch, der ja per definitionem bei einem Erreichen der Schneefallgrenze unter 1000 m liegt, reißt da keinen mehr vom Hocker.
Könnte man es nicht auf dieselbe Weise schaffen, den Wein beharrlich ein bisschen mehr in den Focus zu stellen? Wo ist der Product Placement Manager, der in Fernsehfilmen und –serien mehr als nur irgendein Aldizeugs unterbringt und wo ist das Drehbuch und der Ausstatter, die einen konkreten Weinnamen mit der dazu passenden Flasche vermählen? Von einem passenden Wein zum Essen will ich gar nicht erst zu träumen anfangen. Und das so lange, bis es irgendwie ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist, dass "man" zum Essen einen ordentlichen Wein auf den Tisch stellt?
In keiner Serie würde ein Darsteller in der Kneipe sV am Tresen stehen und sagen "… hach, geht doch nichts über ein gut gezapftes Pils" und dann bekommt er eine goldige Flüssigkeit in einem schlanken Stangenglas serviert. Das Produktionsbüro würde sich vor empörter Zuschauerpost nicht retten können.
Sitzt aber das Serienekel, dem natürlich sämtliche Attribute von arrogant bis kriminell in die Rolle geschrieben werden, in einem als ambitioniert dargestelltem Restaurant (die Bildsprache ist: das Mobiliar ist nicht von Ikea), schaut kennerisch in die Weinkarte und sagt näselnd (das ist das einzige Attribut, mit dem Seriendarsteller Arroganz darstellen können): "Zum pochierten Steinbutt bitte einen 1973er Mouton Rothschild." Und der Kellner verneigt sich ehrfürchtig ob der Weinkenntnis des offensichtlichen betuchten Gastes. Später kommt er dann mit einer bauchigen Flasche, auf der man dank der exzellenten Bildauflösung seines Highend-Fernsehers eindeutig die Worte "Pinot Noir" lesen kann. Das Serienekel schaut gnädig, Kellner gießt ein, der Wein ist weiß. Das Ekel kostet und schließt verzückt die Augen.
Es sind übrigens immer die Serien/Filmekel- und –bösewichte, die im Fernsehen Wein trinken. So wie in amerikanischen Produktionen die Bösen immer Mercedes fahren. Gut, genehmigt, das sind sowieso die spannenderen Charaktere, die Guten sind immer so fad.
Und nun, liebe Film- und Fernsehschaffende, für Euch die erste Wein-Lektion fürs Fernsehen, gratis und franko:
- Zum pochierten Steinbutt einen Mouton? Wollt Ihr den armen Fisch erschlagen? Oder den Wein? Ein Weißwein (also nicht irgendein beliebiger) allerdings passt.
- Einen 1973 Mouton? Der ist so tot, töter geht es nicht und der war schon zu Lebzeiten so grauslich, die Verabreichung hätte durchaus den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Freiwillig trinken tut den keiner, der auch nur ein wenig Ahnung hat. Und verzücken tut der höchstens ein paar Schlaumeier, die ihn bei ebay an so Unwissende wie Euch vertickern.
- Jeder Mouton-Jahrgang hat ein eigenes Etikett und das Beste am 1973er Mouton ist sein Etikett, die Reproduktion eines Werks von Picasso (Das ist ein spanischer Maler, der weltberühmt ist, ist aber schon tot und seine Bilder erzielen spielend Millionen auf Auktionen).
- Ein Mouton ist ein Bordeaux. Würde man sich im Bordelais (das ist die Gegend um Bordeaux, Frankreich) irgendwo hinstellen und das Wort "Pinot Noir" (das ist die Rebsorte, also die Traube, aus der der Wein gemacht ist) rufen, man würde geteert und gefedert und auf der Autobahn ausgesetzt. Pinot Noir wächst im Burgund (auch Frankreich, aber wo anders, Frankreich ist groß). Die Weine aus Bordeaux werden in eine zylindrische Flasche gefüllt, die Flasche hat ein wenig hängende Schultern und einen schlanken Hals, immer – und keinesfalls in eine bauchige.
- Und ein Mouton Rothschild ist rot. Wenn er weiß ist, heißt er nicht Mouton sondern Aile d'Argent. Und dann würd ich ihn auch nicht unbedingt zum pochierten Steinbutt servieren.
So, bis hierher war's gratis, wenn ich sonst noch was für Euch tun kann in punkto Weinberatung, liebe deutsche Film- und Fernsehschaffende, dann kostet das was, meine Honorarliste schick ich Euch gerne zu. Ach, vielleicht noch eins, lasst die Schauspieler die Gläser bitte am Stiel anfassen. Macht's einfach, ich hab jetzt keine Lust, das auch noch lange zu erklären (und: siehe vorher).
Jetzt trink ich lieber erst mal selber ein Glas. Nein, keinen Mouton. Dienstags Mouton gibt es bei uns nur, wenn Geburtstag ist, oder Weihnachten, meistens an Silvester und dazu eine feine Zigarre. Einfach so Dienstagabends gibt es Wurst, Käse und Brot und ein Glas Wein, aber auch der muss stimmen.
Der Wein hat den sprechenden Namen
2010 Le Temps est venu
Michel et Stéphane Ogier, Côtes du Rhône
und das stimmt wohl, seine Zeit ist gekommen (der Winzer hat das allerdings anders gemeint), der sollte jetzt getrunken sein, der gehört nicht unbedingt zu denen, die man lange im Keller lagern muss. Ein zwei Jahre lagern, drei vier Jahre trinken und gut ist. Es handelt sich nämlich noch um den 2010er, 2011 und 2012 sind auch schon auf dem Markt. Noch bereitet er unkompliziertes Trinkvergnügen; nicht lange drüber sinnieren, ins Glas, dran schnuppern und runter damit. Dann schmeckt die Cuvée aus Syrah, Grenache und Mourvèdre, warm und rund, kräuterwürzig, nach Beeren und Oliven und im Abgang sogar ein wenig mineralisch. Gerade richtig, um einen Arbeitstag gemütlich ausklingen zu lassen und bevor man sich ernsthaft so eine Fernsehserie mit dem weißen Mouton aus der Burgunderflasche antut, lieber eine feine Musik auflegen. http://www.youtube.com/watch?v=eq0EWNuR1H8 (damals durfte man noch klatschen ).
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
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