der Titel des threads stimmt auch ganz subjektiv, wenn die Rebsorten so selten ins Glas kommen…
den hat Ole auch schon ausgeschenkt und ich zitiere hier seinen Bericht vom 25. 8. 2019 über die erste Seltene-Sachen-Folge aus dem Champagner-thread an den richtigen Ort:
Ole hat geschrieben:Seltene Sachen
Daß es Champagner jenseits von Chardonnay, Pinot noir und Meunier gibt, das wußten wir schon, nur wie die schmecken, davon hatten wir so gut wie keine Ahnung. Kein Wunder, denn die Anbaufläche für Pinot blanc, Arbane/Arbanne, Petit Meslier und Fromenteau bzw. Enfumé (= Pinot gris) beträgt etwa 0,3% der Gesamtanbaufläche der Champagne. Konkret entfällt davon ein guter Hektar auf die Arbane, bei Petit Meslier sind es deren drei, den größten Anteil am kleinen Kuchen hat der Pinot blanc mit einigen Dutzend Hektar. Und so gibt es höchstens 30 Betriebe, die Pinot blanc verarbeiten und z. T. reinsortig abfüllen, bei der Arbane sind es gerade einmal vier Winzer, die die Traube reinsortig auf die Flasche bringen, bei Petit Meslier deren zwei – und reinsortigen Pinot gris gibt es, so weit ich sehe, überhaupt nicht. Die Gründe für die heutige Seltenheit der Reben, die einst durchaus weit verbreitet waren, liegen zum einen darin, daß sie seinerzeit sehr reblausfreundlich waren, z. T. daß sie ertragsschwach oder besonders anspruchsvoll in Hinblick auf Boden und Pflege sind. Das alles machte neugierig auf einen tieferen Blick in die Flaschen, die nur mühsam und zumeist lediglich vor Ort zu ergattern waren. Ihnen saßen acht Verkoster gegenüber, alle mit ordentlicher Champagnererfahrung. Getrunken wurde aus Lehmann-Jamesse-Gläsern 'Grand Prestige 45.'
1. Piollot (Polisot): ‚Colas Robin‘ 2012 Brut Nature
100% Pinot Blanc Vrai; 4000 Fl.; [12%, 0g Dosage]; 20% en futs; non collé, non filtré
Extrem feine Perlage, lange zarte Fäden; herrliche betörende Fruchtnase mit floralen Akzenten; am Gaumen weinig, geschmeidig, gelbfruchtig mit dezentem Briocheton; der Champagner wirkte rund, ein Hauch von Süße war spürbar, obwohl undosiert, im Hintergrund eine reife Säure: sehr elegant, großer Trinkspaß!
2. Vouette & Sorbée (Buxières): ‚Textures‘ R15 Brut Nature
100% Pinot Blanc; [12%, 0g Dosage]; dégor. 2. 2. 2018
Vergleichsweise gröbere Perlage, zunächst richtig aufbrausend, im Verlauf deutlich feiner werdend, dem Auge bot sich ferner ein Hauch von Rosa wie bei manchem Pinot-noir-Champagner; frische, durchaus kräftige Nase, nicht so fein wie beim Vorgänger, dafür aber kerniger; metallisch, mineralisch, zart salzig, zupackender als der Vorgänger, bei ähnlichem Geschmacksbild eckiger und kantiger; das mag der Tatsache geschuldet sein, daß er aus der Amphore stammt; eine Minderheit zog ihn dem zuerst probierten vor
3. Dufour (Landreville): ‚Le Champ du Clos‘ Brut Nature
100% Pinot Blanc; 1500 Fl.; [12%, 0g Dosage]: Ferments indigènes, élevage prolongé; dégor. 11. Juil. 2017
Feine Perlage; in der Nase ein Hauch von Holz, leicht oxidativ; vegetative Noten, phenolisch, erinnerte entfernt an eine 'natural wine', schöne Säure, hatte eigenen angenehmen geradlinigen Charakter, durchaus attraktiv
4. Moutard (Buxeuil): Cépage Arbane Vielles Vignes 2009
3500 Fl.; [12%, 10g Dosage]: 65 Jahre alte Reben; élevé en futs; dégor. 15. 1. 2015;
Feine Perlage, feine Fäden; leicht rauchige Nase; am Gaumen harmonisch, reif, rund, üppig, wuchtig, nicht gerade elegant, man wünschte sich etwas mehr Säure, aber immer wieder hießt es 'lecker', 'weinig', 'toller Trinkfluß', – auch der machte Spaß
5. Duval-Leroy (Vertus): Petit Meslier 2007 Extra Brut
3717 Fl.; [12%, 3 – 6g Dosage, auf mehrfache Anfrage im Hause D-L gab es keine Auskunft über die genaue Dosage]
Lebendige Perlage; in der Nase frisch, fruchtig; am Gaumen vor allem Bitterorange; relativ kurzer Abgang, insgesamt nicht uncharmant, aber auch nicht sonderlich mitreißend; vielleicht lag es daran, daß er nach dem Moutard auftreten mußte, denn den 2005er, den ich einmal getrunken hatte, habe ich als durchweg attraktiv in Erinnerung
6. Noel Leblond-Lenoir (Buxeuil): ‚Arbane‘ Brut
500 Fl,; [12%, 7g Dosage]
Wirkt sehr hell; frische apfelige Nase; am Gaumen sehr interessant: grasige Noten, Salbei, dunkle Kräuter; guter mittlerer Körper, schöne animierende Säure, ordentliche Länge, guter Trinkfluß
7. Aspasie (Brouillet): ‚Cépages d’Antan‘ Brut
40% Arbane, 40% Petit Meslier, 20% Pinot Blanc; [12%, 6,4g Dosage]
Wiederum sehr hell, fast wasserfarben; mittlere Perlage; große Frische am Gaumen, hat Biß und Linie, ist klar und fokussiert, sehr harmonisch, schönes Mundgefühl
8. Tarlant (OEuilly): ‚BAM!‘ 2009 Brut Nature
25% Pinot Blanc, 25% Arbanne, 50% Petit Meslier; dégor. 2. Octobre 2016; ca. 1000 Fl. [12%, 0g Dosage];
Feine Perlage; in der Nase Brioche; am Gaumen schöne Frische, leicht hefig, leicht brotig, klare Linie, sehr fein, sehr elegant
Fazit: Angesichts der Papierform der Champagner (z. T. Holz, Amphore, ohne Malo, ohne Filtration, ohne Dosage) und der Ausgefallenheit der Reben war evtl. zu befürchten, daß es sich um harte Brocken und schwer zugängliche Gebilde, gar exotische Kinkerlitzen handeln würde. Dem war aber nicht so! Alle – ohne Ausnahme – waren angenehme Vertreter, deren kultivierte Herkunft stets faßbar war und die Spaß machten – einige sogar besonders großen. – Nicht verschwiegen werden soll noch, daß es zwei Piraten gab: Zwischen Nr. 2 und Nr. 3 wurde vom Wilhelmshof ein 'Weisser Burgunder ‚Privé‘ 2014' aus dem Siebeldinger 'Im Sonnenschein', (12,5%, Dosage Zéro), eingeschmuggelt, der allerdings keine gute Figur machte und dadurch auffiel, daß er als einziger keinerlei Spaß bot: Er war grob, sackte fast ohne Nachhall weg, ihm fehlte Säure und Aromenspiel. (War’s ein Flaschenfehler, der als solcher nicht zu erkennen war?) Der andere Pirat (zwischen Nr. 5 und Nr. 6 plaziert) war von Peter Lauer: 'Riesling Reserve 1992'. Der war zwar sehr reif, hatte aber auch Frucht, war nicht nur leicht firnig, sondern auch angenehm birnig, hatte Linie und auch so etwas wie Tiefe – und erheischte großen Respekt. Er wurde lediglich von einem Teilnehmer als Riesling erkannt – immerhin! – von mehreren als als 'besonders' empfunden.
Waren es dieses Mal hauptsächlich die reinsortigen seltenen Sachen, so heißt es demnächst irgendwann mal: Fortsetzung folgt! Dann kommen die Cuvées aus sechs oder sieben Rebsorten dran.
Ole