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Champagner aus den vergessenen Rebsorten

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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 13. Nov 2021, 15:56

Kle hat geschrieben:Es war verblüffend, diese beiden total unterschiedlichen, grandiosen Erlebnisse direkt hintereinander zu haben. Wobei ‚Les Goulats‘ ein Champagner-Ideal repräsentierte, wie ich es von frühauf lernte und darüber hinaus schöne individuelle Merkmale besaß. ,Les Revenants‘ hingegen völlig eigenständig,

Die Frage ist, woran es lag, dass ‚Les Goulats‘ recht vertraut erschienen und ‚Les Revenants‘ so eigenständig wirkten. Machte der hohe Chardonnayanteil bei ersterem den Unterschied? Oder war es doch eher die unterschiedliche Handschrift des Winzers?`Wahrscheinlich wohl beides.
Ole
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Kle

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 13. Nov 2021, 19:26

… ich fragte mich jetzt, warum mir „schwebend“ für ‚Les Revenants‘ einfiel, was suggerieren könnte, er besäße etwas flüchtig-Leichtes oder arg Feinstoffliches, was nicht der Fall war. Es passt als etwas, was sich aufgrund seiner Form gleichmäßig bewegt, wie losgelöst und ohne eigenwillige Kraftanstrengung…
Ole hat geschrieben:Die Frage ist, woran es lag, dass ‚Les Goulats‘ recht vertraut erschienen und ‚Les Revenants‘ so eigenständig wirkten. Machte der hohe Chardonnayanteil bei ersterem den Unterschied? Oder war es doch eher die unterschiedliche Handschrift des Winzers?`Wahrscheinlich wohl beides.
Ole

Tatsächlich hatte ich dieses Champagnergefühl beim ‚Les Goulats‘ spontan mit seiner Chardonnay-Aromatik verbunden, die ich sofort zu schmecken glaubte. Ich habe mich aber zur Ordnung gerufen und nichts gesagt, denn so oft habe ich mich bei Champagner schon in der Rebsorte geirrt, dass ich sie nicht als Kriterium für irgendwas nehmen kann.
Die Frage, ob der Winzer oder etwas anderes für die verschiedenen Stilistiken verantwortlich ist… Man kann wohl sagen, dass Schampus noch mehr als andere Weinarten ein durchkomponiertes Produkt ist. Ein großartiges Kunstprodukt, wo niemals die Wiedergabe eines vermeintlichen Terroir das Ziel ist, sondern der höchstmögliche Genuss aus Wein. Mit allen Vor-und Nachteilen dessen, was sich weit von seiner Basis aufschwingt, so z.B. rascher Abschlaffung wie von uns beobachtet?

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 27. Mai 2022, 14:16

Und wieder hieß es ‚Seltene Sachen’ – zum Vierten:

1. Horiot (Les Riceys): ‚Arbane 2015’
100% Arbane; argiles, marnes, calcaire; vendangé le 12 Sept. 2015; tirage le 8 Sept. 2016; dégorgé le 8 Oct. 2018; sans collage ni filtration; bt 458/464; dosage 0g
Sehr hell, fast wie Wasser; lebendige, langanhaltende feine Perlage; in der Nase zarte Frucht, auch Blütiges; am Gaumen wiederum feine Frucht, seidige, reif und elegant wirkende Säure, endet in Kreidigkeit/Steinigkeit; ein attraktiver Champagner, nuanciert, mit faszinierendem Säurerückgrat

2. Fleury (Courteron): ‚Variation 2014’
100% Pinot Gris – Val Verot; brut nature; fût; biodyn; élevage de 5 ans sous bois 100%; tirage 07/2015; dégorgé 04/2019, sans soufre; dosage 0g
Ebenfalls recht hell, nicht so intensiv perlend wie der Vorgänger; zurückhaltende Nase; am Gaumen weiche Säure, flüchtige Frucht, dann Kreide; der Wein wirkt straight, ist adstringierend, mit der Zeit leicht kratzig

3. Laherte Frères (Chavot): ‚Petit Meslier Extra-Brut’

100% Petit Meslier, Terroir de Chavot: argile, silex, craie tendre; fermentation spontanée en barrique avec quelques batonnages; 40% de vins de réserve; sans filtration; dégorgé 12–2020; dosage 2g
Etwas dunkler als die Vorgänger; mittelfeine Perlage; in der Nase entfernte Frucht; am Gaumen sehr trocken, karg, ein Hauch von Holz, jemand erkennt ‚süße Limette’; der Haupteindruck ist Herbheit; im Abgang eher kurz

4. Larmandier-Bernier (Vertus): ‚Vieille Vigne de Cramant 2002’
100% Chardonnay; extra brut; fûts, vieillissement prolongé de 7 à 8 ans, sans filtration et sans collage; dosage 2g
Gold im Glas, kaum noch Perlage; komplexe Nase, Trockenfrüchte; am Gaumen dann leichte Altersstrenge, gleichzeitig Frische, reife Birne, ein Hauch von Holz; ein durchaus charmanter Champagner mit Alterswürde; (der eine Woche vorher getrunkene 2004er aus demselben Stall war aber deutlich munterer)

5. Roses de Jeanne [Bouchard] (Celles-sur-Ource): ‚Les Ursules 2014’

100% Pinot Noir, von einer 0,9-ha-Parzelle; inox; dégorgé 04. 2018; ca. 1500 bts; dosage 0g
Ins Auge fällt eine eher grobe Perlage, der Nase bietet sich ein Hauch von Frucht; am Gaumen zarte Apfelsäure, Frische, etwas Milchsäure auch; der Wein ist recht kurz, die Säure eher langweilig, etwas stumpf, steht vor; für mich die Enttäuschung des Abends; ‚Les Ursules’ gilt als Paradelage des Hauses; zwei unlängst genossene Flaschen aus weniger renommierten Lagen waren dagegen faszinierend

6. Dosnon (Avirey-Lingey): ‚Ephémère pur Pinot Meunier’

100% Meunier; brut, fûts de chêne d’un minimum de 5 ans d’âge; tirage 27. 7. 2011, dégorgé 17. 7. 2018; dosage 0g
Dem Auge bietet sich ein Hauch von Rosé und eine eher gröbere Perlage; blütige Nase, wenig Frucht, dabei säurestark, hätte ich nicht als Meunier erkannt, nicht kitschig, aber auch nicht elegant; der macht mich etwas ratlos

7. Gerbais (Celles-sur-Ource): ‚L’Originale’
100% Pinot Blanc, lieu-dit ‚Les Proies’, Reben z.T. seit 1904; extra brut; inox; levures indigènes; 36 mois sur lattes; 3000 bts; dosage 4g
Hellgelb, bei gröberer Perlage; angenehme Säure, zurückhaltende Frucht, eine leichte Samtigkeit am Gaumen, aromatisch nicht sehr differenziert

8. Bonnet (Les Riceys): ‚La Géande. 7 Cépages. 2017’
je 1/7 Pinot Noir, Chardonnay, Meunier, Blanc Vrai, Buret, Arbane, Petit Meslier planté sur la même parcelle; travail du sol au cheval; vinification séparée des cépages ; dégorgé 23/11/21, bt 2275/4449; dosage 0g
Zartgelb; lebendige, sehr feine Perlage; blütig-fruchtige Nase, deutlich reifer Apfel; zarte Apfelfrucht am Gaumen, mittelfeine Säure, am Ende steinig-kreidig, leicht stumpf; dem hätte wahrscheinlich längere Wartezeit gut getan.
Ole
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Kle

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 28. Mai 2022, 10:56

Moin Ole,

danke für die Beschreibungen und vor allem für den Abend.
Auch bei dieser (letzten?) Seltene-Sachen-Ausgabe gab es für mich stilistisch absolute Neuentdeckungen wie beim Fleury, dessen besondere Aromatik mit für mich erfrischendem Tonic vielleicht ja von der Rebsorte herrührte :o, die ich als Champagner noch nie getrunken habe. Mein Favourit war Horiot, dessen zum ersten Mal im Leben genossene Rebsorte Arbane mit zarter Frucht (es wurde Kumquat gesagt) und diesen von Dir beschriebenen mineralischen Noten eine elegante, feine Saftigkeit und einiges Spiel entwickelte. Immer geistreich, nie abweisend. Die Champagner unglaublich facettenreich und einnehmend in der Nase, was auch für Larmandier galt, der Alterungsnoten besaß, die ich aber nicht wie einen permanenter Grundton schmeckte, sondern wie im Wechselspiel mit anderen schönen Aromen. Welkes wurde dann provozierender, was zwar nicht den Genuss, aber die Spannung steigerte.
Dosnon für mich fast mehr Wein als Schaumwein, griffig, mit Biss und einer sehr leckeren Säure.
Mit dem Gerbais gabs für mich die Premiere eines (trockenen) Champagner, der mir zu süß schmeckte.

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 4. Jun 2022, 10:02

...so, jetzt wollte ich in diesem Faden auch mal aktiv mitspielen :!: :mrgreen:

Ole hat geschrieben:Moutard (Buxeuil): ‚Cuvée de 6 Cépages‘ 2009 Brut Nature
6 Reben: je 1/6 Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Meunier, Pinot Blanc, Petit Meslier, Arbane
13732 Flaschen; Tirage: 30. 7. 2010; dégor: 11. 12. 2917
Alc: 12%; Dosage: 3g
Farblich ein Hauch von Rosé, sehr feine Perlage; in der Nase fruchtig, leicht grasig-krautig; am Gaumen gelbe Früchte, Maracuja, Gerbstoff, der nicht aufdringlich ist, zurückhaltende Säure; gutes Mundgefühl: weich, samtig, fleischig, fast barock: ein vollbusiger Champagner, dem es vielleicht etwas an Rückgrat fehlt, der aber sehr angenehm zu trinken ist

Gestern hatten wir den 2010er in Rosé (bzw. Orange :o ) und spürbar "brut nature", einfach wunderbares Zeuch! Du schreibst zum 2009er, daß er auch brut nature ist, erwähnst aber 3 g/l Dosage, das paßt doch weinrechtlich nicht zusammen, denn bei "brut nature" darf nach der zweiten Gärung kein Zucker mehr zugesetzt werden; die zulässigen max. 3 g/l dürfen nur aus der zweiten Gärung übrig geblieben sein...

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Viele Grüße
Erich

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Kle

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 4. Jun 2022, 20:18

Schön, Erich, dass dir der Rosé auch gut gefiel, schade nur, dass auch Du keine faszinierenden Altersnoten entdeckt hast ;) ( schon am Tisch war ich damals, glaube ich, allein). Übrigens, falls Ole auf Deine Dosage-Frage nicht zügig antworten sollte: Ich glaube, er ist gerade auf Reisen für Nachschub.
Und: Anders als oben geschrieben, habe ich die Rebsorte Arbane dank Ole natürlich schon oft getrunken, bloß nicht reinsortig.

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 4. Jun 2022, 21:03

Kle hat geschrieben:Anders als oben geschrieben, habe ich die Rebsorte Arbane dank Ole natürlich schon oft getrunken, bloß nicht reinsortig.
...gibt's auch von Moutard, kost dann aber schon dreistellig... :cry:
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragMi 6. Jul 2022, 17:55

Du schreibst zum 2009er, daß er auch brut nature ist, erwähnst aber 3 g/l Dosage, das paßt doch weinrechtlich nicht zusammen, denn bei "brut nature" darf nach der zweiten Gärung kein Zucker mehr zugesetzt werden; die zulässigen max. 3 g/l dürfen nur aus der zweiten Gärung übrig geblieben sein...

Hab noch eine Flasche von dem Moutard und hab sie gesucht, um zu sehen, ob da Klärung zu finden ist, – und sie erstmal nicht aufstöbern können. Blöd! Wie dem auch sei, ich habe da jedenfalls unscharf formuliert. Statt Dosage müßte es heißen Restzucker, also der nach der Gärung verbleibende Zucker. Da ist die Literatur auch nicht immer exakt. Peter Liem schreibt, dass ein "Brut Nature, Non-Dosé, or Brut Zéro" "no more than 3 grams of residual sugar remaining from fermentation" aufweisen darf, so weit, so gut; dann aber heißt es: "Extra Brut: 0 – 6 grams of sugar per liter." Und zu "Brut: 0 – 12 grams of sugar per liter". Die letzteren "grams of sugar" sind dann wohl nicht "residual", sondern rühren von der Dosage her – oder? Egal, was öfter begegnet, ist gewissermaßen ein understatement: Ein Champagner hat 0 oder 2g Dosage, wird aber trotzdem als "brut" etikettiert. Ein konkretes Beispiel hab ich im Moment leider nicht zur Hand, werde es aber bei Gelegenheit nachliefern.
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragMi 6. Jul 2022, 19:18

...eine gewisse Wachsweichheit gibt's da schon. Zum einen sind brut nature, extra brut und brut von 0 weg definiert, sodaß man da eine gewisse Entscheidungsfreiheit hat; man kann also einen Schampus mit 1 g/l RZ auch als brut bezeichnen, wenn man das schöner findet. Dazu gibt es bezüglich der oberen Grenzen von 3 / 6 / 12 g/l eine Toleranz von +/- 3 g/l, was anscheinend der ursprünglichen Praxis geschuldet ist, daß in der Champagne die Angabe "brut" früher bis 15 g/l RZ verwendet wurde.
Definitiv kann aber "brut nature" nur für Sekte / Champagner ohne Dosage verwendet werden, der Restzucker, der aus den vorangegangenen Stadien noch übriggeblieben ist, kann jedoch 3 + max. Abweichung 3, also höchstens 6 g/l betragen.

Klingt kompliziert, ist es auch... :lol:
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 7. Jul 2022, 09:09

der Titel des threads stimmt auch ganz subjektiv, wenn die Rebsorten so selten ins Glas kommen…
EThC hat geschrieben:
Kle hat geschrieben:Anders als oben geschrieben, habe ich die Rebsorte Arbane dank Ole natürlich schon oft getrunken, bloß nicht reinsortig.
...gibt's auch von Moutard, kost dann aber schon dreistellig... :cry:

den hat Ole auch schon ausgeschenkt und ich zitiere hier seinen Bericht vom 25. 8. 2019 über die erste Seltene-Sachen-Folge aus dem Champagner-thread an den richtigen Ort:
Ole hat geschrieben:Seltene Sachen

Daß es Champagner jenseits von Chardonnay, Pinot noir und Meunier gibt, das wußten wir schon, nur wie die schmecken, davon hatten wir so gut wie keine Ahnung. Kein Wunder, denn die Anbaufläche für Pinot blanc, Arbane/Arbanne, Petit Meslier und Fromenteau bzw. Enfumé (= Pinot gris) beträgt etwa 0,3% der Gesamtanbaufläche der Champagne. Konkret entfällt davon ein guter Hektar auf die Arbane, bei Petit Meslier sind es deren drei, den größten Anteil am kleinen Kuchen hat der Pinot blanc mit einigen Dutzend Hektar. Und so gibt es höchstens 30 Betriebe, die Pinot blanc verarbeiten und z. T. reinsortig abfüllen, bei der Arbane sind es gerade einmal vier Winzer, die die Traube reinsortig auf die Flasche bringen, bei Petit Meslier deren zwei – und reinsortigen Pinot gris gibt es, so weit ich sehe, überhaupt nicht. Die Gründe für die heutige Seltenheit der Reben, die einst durchaus weit verbreitet waren, liegen zum einen darin, daß sie seinerzeit sehr reblausfreundlich waren, z. T. daß sie ertragsschwach oder besonders anspruchsvoll in Hinblick auf Boden und Pflege sind. Das alles machte neugierig auf einen tieferen Blick in die Flaschen, die nur mühsam und zumeist lediglich vor Ort zu ergattern waren. Ihnen saßen acht Verkoster gegenüber, alle mit ordentlicher Champagnererfahrung. Getrunken wurde aus Lehmann-Jamesse-Gläsern 'Grand Prestige 45.'

1. Piollot (Polisot): ‚Colas Robin‘ 2012 Brut Nature
100% Pinot Blanc Vrai; 4000 Fl.; [12%, 0g Dosage]; 20% en futs; non collé, non filtré
Extrem feine Perlage, lange zarte Fäden; herrliche betörende Fruchtnase mit floralen Akzenten; am Gaumen weinig, geschmeidig, gelbfruchtig mit dezentem Briocheton; der Champagner wirkte rund, ein Hauch von Süße war spürbar, obwohl undosiert, im Hintergrund eine reife Säure: sehr elegant, großer Trinkspaß!

2. Vouette & Sorbée (Buxières): ‚Textures‘ R15 Brut Nature
100% Pinot Blanc; [12%, 0g Dosage]; dégor. 2. 2. 2018
Vergleichsweise gröbere Perlage, zunächst richtig aufbrausend, im Verlauf deutlich feiner werdend, dem Auge bot sich ferner ein Hauch von Rosa wie bei manchem Pinot-noir-Champagner; frische, durchaus kräftige Nase, nicht so fein wie beim Vorgänger, dafür aber kerniger; metallisch, mineralisch, zart salzig, zupackender als der Vorgänger, bei ähnlichem Geschmacksbild eckiger und kantiger; das mag der Tatsache geschuldet sein, daß er aus der Amphore stammt; eine Minderheit zog ihn dem zuerst probierten vor

3. Dufour (Landreville): ‚Le Champ du Clos‘ Brut Nature
100% Pinot Blanc; 1500 Fl.; [12%, 0g Dosage]: Ferments indigènes, élevage prolongé; dégor. 11. Juil. 2017
Feine Perlage; in der Nase ein Hauch von Holz, leicht oxidativ; vegetative Noten, phenolisch, erinnerte entfernt an eine 'natural wine', schöne Säure, hatte eigenen angenehmen geradlinigen Charakter, durchaus attraktiv

4. Moutard (Buxeuil): Cépage Arbane Vielles Vignes 2009
3500 Fl.; [12%, 10g Dosage]: 65 Jahre alte Reben; élevé en futs; dégor. 15. 1. 2015;
Feine Perlage, feine Fäden; leicht rauchige Nase; am Gaumen harmonisch, reif, rund, üppig, wuchtig, nicht gerade elegant, man wünschte sich etwas mehr Säure, aber immer wieder hießt es 'lecker', 'weinig', 'toller Trinkfluß', – auch der machte Spaß

5. Duval-Leroy (Vertus): Petit Meslier 2007 Extra Brut
3717 Fl.; [12%, 3 – 6g Dosage, auf mehrfache Anfrage im Hause D-L gab es keine Auskunft über die genaue Dosage]
Lebendige Perlage; in der Nase frisch, fruchtig; am Gaumen vor allem Bitterorange; relativ kurzer Abgang, insgesamt nicht uncharmant, aber auch nicht sonderlich mitreißend; vielleicht lag es daran, daß er nach dem Moutard auftreten mußte, denn den 2005er, den ich einmal getrunken hatte, habe ich als durchweg attraktiv in Erinnerung

6. Noel Leblond-Lenoir (Buxeuil): ‚Arbane‘ Brut
500 Fl,; [12%, 7g Dosage]
Wirkt sehr hell; frische apfelige Nase; am Gaumen sehr interessant: grasige Noten, Salbei, dunkle Kräuter; guter mittlerer Körper, schöne animierende Säure, ordentliche Länge, guter Trinkfluß

7. Aspasie (Brouillet): ‚Cépages d’Antan‘ Brut
40% Arbane, 40% Petit Meslier, 20% Pinot Blanc; [12%, 6,4g Dosage]
Wiederum sehr hell, fast wasserfarben; mittlere Perlage; große Frische am Gaumen, hat Biß und Linie, ist klar und fokussiert, sehr harmonisch, schönes Mundgefühl

8. Tarlant (OEuilly): ‚BAM!‘ 2009 Brut Nature
25% Pinot Blanc, 25% Arbanne, 50% Petit Meslier; dégor. 2. Octobre 2016; ca. 1000 Fl. [12%, 0g Dosage];
Feine Perlage; in der Nase Brioche; am Gaumen schöne Frische, leicht hefig, leicht brotig, klare Linie, sehr fein, sehr elegant

Fazit: Angesichts der Papierform der Champagner (z. T. Holz, Amphore, ohne Malo, ohne Filtration, ohne Dosage) und der Ausgefallenheit der Reben war evtl. zu befürchten, daß es sich um harte Brocken und schwer zugängliche Gebilde, gar exotische Kinkerlitzen handeln würde. Dem war aber nicht so! Alle – ohne Ausnahme – waren angenehme Vertreter, deren kultivierte Herkunft stets faßbar war und die Spaß machten – einige sogar besonders großen. – Nicht verschwiegen werden soll noch, daß es zwei Piraten gab: Zwischen Nr. 2 und Nr. 3 wurde vom Wilhelmshof ein 'Weisser Burgunder ‚Privé‘ 2014' aus dem Siebeldinger 'Im Sonnenschein', (12,5%, Dosage Zéro), eingeschmuggelt, der allerdings keine gute Figur machte und dadurch auffiel, daß er als einziger keinerlei Spaß bot: Er war grob, sackte fast ohne Nachhall weg, ihm fehlte Säure und Aromenspiel. (War’s ein Flaschenfehler, der als solcher nicht zu erkennen war?) Der andere Pirat (zwischen Nr. 5 und Nr. 6 plaziert) war von Peter Lauer: 'Riesling Reserve 1992'. Der war zwar sehr reif, hatte aber auch Frucht, war nicht nur leicht firnig, sondern auch angenehm birnig, hatte Linie und auch so etwas wie Tiefe – und erheischte großen Respekt. Er wurde lediglich von einem Teilnehmer als Riesling erkannt – immerhin! – von mehreren als als 'besonders' empfunden.
Waren es dieses Mal hauptsächlich die reinsortigen seltenen Sachen, so heißt es demnächst irgendwann mal: Fortsetzung folgt! Dann kommen die Cuvées aus sechs oder sieben Rebsorten dran.
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