Deutschland 2011

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Gerald
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Gerald »

Ja, das ist auch mein Wissensstand. Wobei es natürlich nicht nur auf SO2 ankommt, sondern auch auf Temperatur, pH-Wert oder Mostvorklärung (und bestimmt viele weitere Faktoren), ob der BSA in Gang kommt oder nicht.

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von MichaelWagner »

Hallo Birte,

das ist die malolaktische Gärung (biologgischer Säureabbau), d.h. im Fass. Wird eingesetzt um NACH der Gärung weiter Apfelsäure abzubauen, zu Milchsäure, da auch die Milchsäure eine "mildere" Säure ist als die Apfelsäure und die Weine somit wenig "spitz" oder umgangssprachlich säurebetont schmecken. Allerdings sind hier nur geringe Feinjustierungen sinnvoll, da bei zu hohem Milchsäureanteil die Weine "flach" werden.

Was ich aber die ganze Zeit, meinte ist der Prozess der Traubenreife. Hier verschiebt sich bei zunehmender Trauben-Reife das Verhältnis von Afelsäure und Weinsäure hin zugunsten der Weinsäure. Auch die Weinsäure ist wesentlich angenehmer und weniger spitz als die Apfelsäure.

Es gibt also 2. Möglichkeiten (auf natürlichem Wege) die Apfelsäure zu reduzieren:

1. durch ausgereifte Trauben
2. malolaktische Gärung

Wenn aber nun in einem Jahrgang wie 2010 wetterbedingt (sorry, aber hier hats geregnet...) die Trauben nicht den vom Winzer gewünschte Reifegrad erreichen, dann erntet man Trauben mit hohen Apfelsäurewerten. Als natürlichen Weg gibt es dann nur noch die Möglichkeit die Apfelsäure per malolaktische Gärung zu reduzieren. Wie gesagt, ist das nur in geringem Umfang möglich, da ansonsten der Milchsäureanteil zu hoch wird und das Aroma des weins stark in Mitleidenschaft gezogen wird (wollen wir nicht).

Also gab es in 2010 eigentlich nur 2 Möglichkeiten (ich rede hier nach wie vor vom Moselwein, wie das Wetter woanders war, kann ich nicht beurteilen, da ich hier war!):

1. Weine mit hohem Apfelsäureanteil (spitz im Geschmack, für MICH unangenehm)
2. Säurereduktion durch Entsäuerung mit Kalk oder hastenichgesehen (wollen wir nicht, da ich versuche nah an der natur zu bleiben - auch in "schlechteren Jahren")

Ob jemand das dann trotzdem besser schmeckt ist eine andere Frage , die jeder selbst beantworten muss, darf und sogar soll:)

Gruß

michael
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Birte
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Birte »

Mal eine naive Frage. Wäre es nicht einfach möglich gewesen später zu schwefeln oder passieren dann andere unerwünschte Dinge?
MichaelWagner
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von MichaelWagner »

Hallo Birte,

das hat mit Schwefeln nichts zu tun. Wenn wegen starken Regens die Fäulnis einsetzt bevor die Trauben ausgereift sind, dann muss ich sie "reinholen", sonst hab ich 4 tage später keine mehr am Stock. Naturgemäß dann mit erhöhten Apfelsäurewerten. Ich kann dann nur noch über die malolaktische Gärung Apfelsäure abbauen, aber wie gesagt nur in begrenztem Rahmen. Auch auf diesem Wege erreiche ich dennoch nie die niedrigen Apfelsäure-Werte, die bspw. der 2011er schon von der Traube her mitgebrahct hat. man kann also tun was man will, es geht nicht, da die Trauben nicht die entsprechenden Reifegraden mit niedrigem Apfelsäureanteil hatten. (Anmerkung: ja, man kann mittels Kalk o.ä. entsäuern, mache ich aber nicht, weil ich es nicht will). Wein ist ein Naturerzeugnis und kein Designprodukt;)
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Birte
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Birte »

Also ist es nicht richtig, dass erst mit der Schwefelung der Abbau der Apfelsäure gestoppt wird?
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Gerald
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Gerald »

Also ist es nicht richtig, dass erst mit der Schwefelung der Abbau der Apfelsäure gestoppt wird?


Michael bezieht sich auf den Äpfelsäureabbau in den Beeren, da gibt es natürlich keine Schwefelung (es sei denn, der Winzer geht mit einer Injektionsspritze durch den Weingarten und injiziert jeder Beere ein paar Mikroliter Sulfitlösung :D )

Beim Most muss man noch bedenken, dass die BSA-Bakterien niedrige pH-Werte (hohe Säurewerte) nicht schätzen und daher der BSA bei säurereichen Mosten überhaupt schwer zu starten ist.

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von MichaelWagner »

Hi Birte,

zum Teil richtig. Zum besseren Verständnis: die malolaktische Gärung hat nichts mit der alkoholischen Gärung zu tun und läuft WEIT nach Abschluss der alkoholischen Gärung ab. Bei Rotweinen setzt sie teilweise 6 Monate und mehr nach der alhoholischen Gärung ein.

Grober Ablauf:
1. alkoholische Gärung: nach Abschluss erfolgt die Trennung von der Grobhefe, die während der Gärung abgestorben ist. Die Feinhefe bleibt im Wein und dient der Aromabildung (Achtung: so mache ich das, es gibt Möglichkeiten den Wein schneller auf die Flasche zu bringen, schliesslich gibts ja oft im Januar schon neuen Jahrgang... aber eben nicht besser;) es erfolgt eine ganz geringe Schwefelzugabe um die Weine mikrobiologisch in stabile Form zu bringen.

2. warten auf den Einsatz der malolaktischen Gärung. Das geschieht ganz von selbst auf natürlichem wege, man muss nur warten können. Vorteil: Die Weine lagern noch auf der Feinhefe und können ihr Aroma in Ruhe ausbilden (auch hier gibts schnellere Möglichkeiten: mit Milchsäurebakterien beimpfen und zack fertig ab in die Flasche. Problem: fehlende Aromabildung)

3. wenn diese malolaktische Gärung des Punkt erreicht, an dem ich sgae: so schmeckt mir der Wein, erfolgt die eigentliche Schwefelgabe. damit ist dann jegliche mikrobiologische Aktivität beendet. Der wein wird filtriert und abgefüllt (grob gesprochen).

Hoffe das hilft zum Verständnis.

Gerald: ja, die Milchsäurebakterien mögen die hoehen Säurewerte ganz und garnicht, aber ich bin jung und hab den längeren Atem als die Apfelsäure:) PS: malolaktische Gärung erfolgt beim fertigen Wein, nicht beim Most!

Michael
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Birte
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Birte »

Ich hatte schon verstanden, dass Michael vom Säureabbau in den Beeren sprach. Aber nachdem was ich gelesen habe, bin ich davon ausgegangen, dass sich auch ohne BSA noch Apfelsäure im Most abbaut.

(es sei denn, der Winzer geht mit einer Injektionsspritze durch den Weingarten und injiziert jeder Beere ein paar Mikroliter Sulfitlösung :D )


Wie schön, dass Du es mir mit einem Bild veranschaulichst. :lol:
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Birte
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Birte »

Vielen Dank für die Erläuterung, Michael.
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Gerald
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Re: Deutschland 2011

Beitrag von Gerald »

Hallo Michael,

PS: malolaktische Gärung erfolgt beim fertigen Wein, nicht beim Most!


spontan kann er aber - besonders bei hohen pH-Werten - doch auch schon während der alkoholischen Gärung starten, oder?

Siehe auch hier zu den speziellen Bedingungen des Jahrgangs 2011: http://www.begerow.com/aktuelles/meldun ... warum.html

Der spontane BSA ist und wird in diesem Jahr in der abklingenden Gärung starten.


Grüße,
Gerald
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