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Deutschland 2022

Berichte, Erfahrungen, Prophezeiungen
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UlliB

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Re: Deutschland 2022

BeitragMi 31. Mai 2023, 20:30

Stephan Reinhardt vom Wine Advocate hat einen ersten Bericht zum 2022er Jahrgang an der Mosel veröffentlicht. Kurz gesagt bestätigt er meine Befürchtungen zum Jahrgang. Der Artikel ist recht lang, hier nur ein paar kurze Auszüge:

"2022 was the sunniest and, along with 2018, the warmest and driest year in Germany’s recorded history since 1881, and this is certainly also true for the cooler Mosel region where budbreak and flowering was early. After a rainy period in early June, during the end of flowering, yields were partly reduced but in acceptable quantities. Then, there was barely any rain until the end of the growing season. The upside: the grapes remained healthy. The downside: the grapes were in danger of not ripening in the drought, and the vines—and not just the young ones—even threatened to starve. And then, at the wrong time, at the end of August, the rain came. And it was useless. At least the rain didn’t bring a significant leap forward in terms of must weights and concentration, which both remained relatively low. At the same time, the acidity levels dropped sharply for those producers who waited too long, because they had to wait to reach the finish line in terms of fruit ripeness."

In etlichen Lagen muss der Trockenstress wirklich dramatisch gewesen sein:

"Ürzig for example. In certain parts, the partly terraced terroirs are so rocky that wise producers, such as Christian Hermann from Weingut Dr. Hermann, abandoned certain plots and cut off the grapes early enough just to rescue the vitality of the vines for the coming years. These extremely stressed vines produced good looking, golden-yellow grapes whose berries had must weights from below 60° Oechsle, though, reports Hermann. 'Even a drop of this must in your wine will make it taste terrible.'"

Am besten klar gekommen sind Winzer mit sehr alten und entsprechend tief wurzelnden Rebbeständen. Explizit lobend erwähnt sind die Weine von Max Ferd. Richter, wobei auch hier die restsüßen Weine besser abschneiden als die trockenen, laut Reinhardt ein generelles Muster des Jahrgangs.

Die Trockenheit hatte wie erwartet auch Auswirkungen auf die Mostgewichte. Zitat Markus Molitor: “You will not find any 2022 cru along the Mosel with natural 12% alcohol, not to mention 12.5%, [...] The ripeness simply wasn’t there.“

Da darf man schon auf die diesjährigen Mosel-GGs und deren Alkoholwerte gespannt sein (und dramatisch besser dürfte es in anderen Gebieten auch nicht aussehen). Aber der VDP hat ja dankenswerter Weise vorgesorgt - GGs sind ja nur Qualitätsweine, die darf man chaptalisieren. Und so kommt dann nicht nur die Weinsäuretüte zum Einsatz, sondern auch noch der Zuckersack :twisted:

Gruß
Ulli
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Martini

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Re: Deutschland 2022

BeitragDi 20. Jun 2023, 07:27

Bei der Veranstaltung Mythos Mosel konnten wir ca. 100 Weine aus 2022 probieren. Selbst bei den namhaften Weingütern waren wir doch insbesondere bei den trockenen Weinen nicht begeistert. Der Reifestopp im August und dann der Regen in der Erntephase waren aber eine sehr große Herausforderung, so dass unter diesen Rahmenbedingungen dennoch gute trockene Guts- und Ortsweine zu finden waren.
Auch der beste Winzer kann nicht zaubern.....
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EThC

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Re: Deutschland 2022

BeitragDo 27. Jul 2023, 15:40

...das meint Dr. Martin Tesch zu seinem 22er:
JAHRGANGSBERICHT 2022 – Immer noch “Cool Climate”?

Die TESCH-Riesling-Weine des Jahrgangs 2022 sind frisch, ausdrucksstark und markant. Der Alkoholgehalt ist niedriger als im langjährigen Durchschnitt, was für Weine aus kühleren Klimazonen ebenso typisch ist wie ihre Frische, Mineralität und Transparenz.

Allerdings herrschte im Jahr 2022 eine extreme Wetterlage: Hitze und vor allem die größte Trockenheit seit vielen Jahrzehnten.

In kühleren Jahren erreichten unsere Rieslingtrauben in warmen Parzellen mit geringen Erträgen immer die maximale Reife. Dieser Faktor schien im Jahr 2022 keine Rolle mehr zu spielen. Stattdessen waren die Weinberge mit besserer, natürlicher Wasserversorgung in der Assimilation voraus.

Es gibt verschiedene Erklärungen für diese Phänomene:

Unter dem Einfluss von Hitze und Trockenheit stellte der Riesling im August die Assimilation ein. Die Aromabildung und die Metamorphose der Traube verliefen dagegen völlig normal. Diese Lücke in der Zuckerspeicherung konnte die Rebe im September bei niedrigeren Temperaturen nicht mehr ausgleichen. Dies ist der Hauptgrund für den niedrigeren Alkoholgehalt unserer 2022er Weine.

Die Bedingungen in den heißen Wochen im August schienen die Photosynthese zu behindern. Wenn die Temperaturen zu hoch sind, bricht die Assimilationsrate stark ein und kann sogar negativ werden.

Leichter in die Zukunft?

Vier der letzten fünf Jahre waren zu warm und zu trocken. Es bleibt abzuwarten, ob sich die genannten Effekte in den kommenden Jahren wiederholen werden. Vielleicht sind die Rieslinge aus diesem extremen Jahrgang aber auch beispielhaft für zukünftige Jahrgänge?

Wir reagieren auf diese Entwicklungen und arbeiten deshalb seit mehr als zehn Jahren daran, unseren Weinbau an die höheren Temperaturen anzupassen. Das weinbauliche Ziel ist heute nicht mehr die maximale Reife der Trauben, sondern eine lange, verzögerte Reifeperiode zur Aromabildung. Durch verschiedene weinbauliche Anpassungen erzielen wir deutlich mess- und spürbare Effekte. Der Anteil dieser neuen Rebflächen in unserem Weingut steigt von Jahr zu Jahr und damit auch die Widerstandsfähigkeit des Weinbergs gegenüber hohen Temperaturen.

Wir sind überzeugt, dass die leichteren 2022er TESCH-Rieslinge perfekt zu einigen aktuellen Entwicklungen auf dem Weinmarkt passen! Sie sind erfrischend und prägnant, haben einen klaren Stil. Und sie sind definitiv “Cool Climate”.
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
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Kermit

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Re: Deutschland 2022

BeitragSa 29. Jul 2023, 21:46

Besten Dank für die Ergänzung, die mir sehr zu denken gibt.
(Interessant ist ja insbesondere die Rückschau, ob der Jahrgang die zumeist vollmundige Betonung, dass er besonders gut ausgefallen sei, auch einigermaßen bestätigt.)
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